#9

310 63 17
                                    

[A/N: Ihr habt gesprochen, Herzchen. Es wird einen Sammelband von Everyday geben! *.* Ich bin mindestens genauso aufgeregt wie ihr! :D Ich werde versuchen, so schnell wie möglich die letzten zwei Kapitel von Everyday6 zu tipseln, damit ich das Cover umgehend in Auftrag geben kann.
Ich halte euch natürlich auf dem Laufenden, aber lasst es mich so sagen - wenn es so wird, wie ich es mir erhoffe, then it's going to be awesome *_*]

Diana ist regelrecht euphorisch, nachdem ich ihr von der Geschichte erzähle. Andererseits ist meine beste Freundin stets mit einer Überdosis Glückshormonen ausgestattet. Den Mangel, den ich von Natur aus habe, macht sie wieder wett.

»Du musst ihn für dich gewinnen.«

»Hm«, ist meine Antwort dazu. Wirklich konzentrieren kann ich mich sowieso nicht auf sie. Ich muss noch mehr Textstellen heraussuchen, die zum Vorlesen geeignet sind und jeder, der selbst schreibt, weiß, wie selbstkritisch man als Autor sein kann. Ich bin die schlimmste Selbstkritikerin aller Zeiten. Zumal das Buch noch nicht als Print erschienen ist und Diana die ganze Zeit über meine Schulter linst, um hineinzusehen. Dass ich bisher nur die Druckfahne vor mir liegen habe, interessiert sie dabei herzlich wenig.

»Du bist klug, hübsch, er kennt deine Macken – no offence.«

»None taken«, murmle ich nebenbei und streiche eine Stelle gelb an.

»Jedenfalls«, führt sie weiter und läuft wieder hinter mir auf und ab. Was mich verrückt macht, was sie von mir kennt und einfach zu ignorieren weiß. »Er kennt dich. Du kennst ihn. Ihr schlaft miteinander!«

»Im selben Bett. Erkenne den Unterschied. Denn wenn es darum geht, eine Fake-Freundin auszuwählen, greift er automatisch nach dir.«

»Kassy, bitte lass deine Zweifel mal einen Moment lang sein.«

Kommt es nur mir so vor, oder ist sie heute noch gestresster und genervter als sonst? Ich kenne Diana ja immer unter Strom, aber das hier gerade ist selbst für ihre Verhältnisse schon übertrieben.

»Sind wir uns wenigstens darüber einig, dass er Gefühle für dich hat und sich einfach nur nicht traut, dazu zu stehen?«

»Nein.«

»Scheiße, man«, flucht sie ungehalten. Wirft sich mir gegenüber auf die Couch und stöhnt gleich darauf. Ich sagte ja, dass sie Theatralik-Künstlerin ist. Nur dass das hier gerade nicht gespielt ist und sie echte Probleme quälen. Probleme, die vermutlich über mein lächerliches »Ich weiß nicht, welche Farbe wir für unsere neue Küchenausstattung nehmen sollen« hinausgehen.

Weil ich eine gute beste Freundin bin, greife ich zum Kühlfach und hole den 500ml-Becher Eis hervor, der für Notfälle dort gelagert ist. Das hier scheint ein Notfall zu sein.

»Ich finde keinen Job«, legt Diana auch schon los, da sitze ich noch nicht einmal.
Eis ist der bessere Zungenlöser als Alkohol, soviel steht fest.

Da ich nicht nachfragen muss, lege ich ihr nur einen Arm um die Schulter. All die Male, wenn sie für mich da war, mir zugehört hat, mich unterstützt hat. Es fällt mir manchmal schwer, auf andere zu schauen. Ihre Probleme als wichtig zu erachten, wenn doch meistens so viel Katastrophenalarm in meinem Kopf herrscht. Manchmal vergesse ich, dass auch andere leiden und das meine ich nicht einmal böse, das ist nur einfach, wie ich denke.

»Du weißt, dass du immer einen Job bei Papa annehmen kannst.«

Sie nickt. Löffelt Eis. »Ich befürchte, das Angebot muss ich annehmen. Ich bin für nichts gut.«

Ich sagte es ja. Selbstzweifel sind fiese kleine Mistviecher, die sich in unseren Köpfen festsetzen und nicht mehr herauskommen.

Wir sitzen stundenlang auf der Couch und reden, gehen verschiedene Möglichkeiten durch, versuchen einen Schlachtplan zu entwickeln. Am Ende frage ich sie, ob sie nicht Lust hat, mich auf der Lese-Tour zu begleiten. Unterstützung habe ich immer nötig, Diana kommt zu wenig aus der Stadt raus und außerdem wäre es eine Abwechslung.

Sie stimmt zu. Würde vermutlich in diesem Moment jedem meiner Vorschläge zustimmen.

Ich kann ihre Ungewissheit und ihre Angst vor der Zukunft sehr gut nachvollziehen, leide ich doch selbst darunter.

Was sind wir schon zwei Bekloppte.

»Diana, hab ich dir heute schon gesagt, wie lieb ich dich habe?«, brumme ich und schlinge die Arme um ihre Schultern, um sie fest an mich zu drücken. So oft wie ich auch über sie fluchen und schimpfen mag, sie ist meine beste Freundin und ich liebe sie.

Irgendein Mitpatient in der Tagesklinik, die ich bis vor einem Jahr noch ab und an besuchte, wann immer es mir schlechter ging, fragte mich einmal, wie das gehen kann. Einen besten Freund und eine beste Freundin zu haben. Wie ich differenzieren würde zwischen den beiden. Seit damals frage ich mich, ob ich das tue. Wirklich differenzieren ist wohl kaum möglich; Diana kenne ich seit meiner Kindheit und Sam hat die schlimmste meiner Seiten mit ansehen müssen. Es gibt Dinge, über die ich eher mit Diana rede und es gibt Gedanken, die ich nur Sam anvertrauen kann.

Vermutlich differenziere ich ja doch. Aber wieso auch nicht?

»Sagst du das Sam auch?« Es kommt wie ein zurückgehaltenes Glucksen heraus, ich verstehe sie trotzdem. Erst will ich gar nicht reagieren, entscheide mich dann aber doch anders. So leicht lasse ich sie nicht damit durchkommen und starte eine Kitzel-Attacke.

Klischeehaft wäre es jetzt gewesen, wenn Sam nach einigen Minuten breit grinsend im Türrahmen stehen und fragen würde: »Ob sie mir was sagt?« Aber ich habe es wohl noch nicht oft genug erwähnt, mein Leben ist kein Klischee. Nicht immer jedenfalls.

Als Diana nach einiger Zeit wieder aufbrechen muss, verziehe ich mich in mein Zimmer, um zu schreiben. Einen Vertrag über ein zweites Buch habe ich zwar nicht angeschlossen, doch es ist gern gesehen, wenn es zu einem zweiten Band kommen würde.

»Es muss ja nicht über Layla sein. Schreib etwas anderes. Du sagst doch selbst, dass du schon unzählige Bücher in deiner Schublade hast. Nimm eins davon«, hat mir Angelique geraten. Was kein guter Rat ist. Denn meine alten Werke sind … alt. Sie sind unbrauchbar. Schlecht. Vorhersehbar. Einfach zum Kotzen. Es gibt einen guten Grund, wieso sie in meiner digitalen Schublade versauern und nicht rausgeholt werden.

Es liegt auch weniger an den Ideen, denn davon schwirren wahrlich genug in meinem Kopf herum. Es geht um die Ausführung. Eine Blockade hat sich in meinem Kopf festgesetzt und will dort nicht raus. An manchen Tagen habe ich Angst, ob sie überhaupt jemals wieder weggehen wird, oder ob es das war. Ob die aberwitzige Idee, ein Buch zu veröffentlichen, mich jeglicher Kreativität beraubt hat.

Trotzdem starre ich auf die leeren Seiten, auf den blinkenden Cursor. Auf die Widmung. Das einzige an dem Buch, das schon steht. was das erste Mal ist. Für gewöhnlich ist das einer der letzten Schritte, doch für dieses Buch war es der erste. Es gibt auch niemand anderen, dem ich es schenken könnte. Auch wenn dieser Jemand es niemals lesen wird.

Für Jonas.
Der mit eine Gitarrenkoffer voller Geheimnisse mein Leben gerettet hat.

Ein bisschen melodramatisch, nicht? Doch gerade passend. Er würde es mögen, soviel steht fest. Vielleicht stolpert er ja irgendwann einmal in eine Buchhandlung und findet ganz zufällig eine Sektion mit »Neuerscheinungen«. Mein Name ist ausgefallen genug, dass er ihn sich merken kann. Vielleicht ist er mit Ella dort, seiner Pflegeschwester, in die er unsterblich verliebt war. Sie sind verheiratet oder auch nicht. Sie haben Kinder oder auch nicht. Sie sehen mein Buch, lesen den Klappentext, schmunzeln und kaufen es, ohne es je zu lesen. Immerhin kennen sie den Inhalt.

Da. Da ist die Kreativität. Wieso kann ich sie nicht in das blöde Textdokument einbinden?

Mir entweicht ein Stöhnen, ich rolle mit dem Stuhl abermals vom Schreibtisch weg und fange an mich zu drehen. Wie die Gedanken in meinem Kopf.

»Wer hat deine Laune so versaut?«

»Ich mir selbst«, antworte ich umgehend und drehe mich, um Sam anzusehen.
Und halte inne.
Und weiß nicht, ob ich über den Zufallen lachen soll.
Und starre weiterhin auf Sams blaues Auge, das mich an Jonas erinnert.
Und seufze.

Everyday at 5AM {I'm asleep}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt