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[A/N: Herzchen. Es ist fast Zuende. Es werden nur noch drei Updates kommen und dann ist das Everyday-Abenteuer vorbei. Wirklich diesmal.]

   

Den Rest des Abends lasse ich über mich ergehen. Mehr ist es nicht. Ich funktioniere automatisch, schüttle Hände, lächle, höre aufmerksam zu und sage wenig. Natürlich fällt das denen auf, die mich kennen.

Diana weiß es besser, als nachzufragen.
Angelique ist froh, wenn ich einfach mache.
Meine Eltern, die zur After-Party gekommen sind, weichen kaum von meiner Seite, was in anderen Fällen peinlich gewesen wäre, mir aber jetzt das Leben rettet. Denn ich darf nicht zerbrechen. Ich darf nicht so sehr leiden, dass ich zurück in dieses dunkle Loch falle, aus dem ich an guten Tagen auch schon nur schwer entkomme.

Manchmal braucht man seine Eltern dafür, egal wie alt man ist. Manchmal braucht man familiären Halt, auch wenn man nicht will. Stützräder sind nicht immer was schlechtes.

   

Auch der Sonntag rast an mir vorbei, bevor ich es wirklich realisieren kann. Diana versucht ihr Bestes, mir etwas Gutes zu tun, scheitert dabei aber wieder und wieder. Was nicht verwunderlich ist. Wenn einem nicht geholfen werden will, kann man auch keine Hilfe annehmen. Die erste Regel, die ich in Therapie gelernt habe.

Jetzt Hilfe anzunehmen und zu reden, würde bedeuten, dass ich mir ein Problem eingestehe. Würde bedeuten, dass ich darüber rede. Dass ich meine Mitmenschen reinziehe, in meine dunkle Welt. Dass ich ihnen auf die Nerven gehen würde, mit meiner unerträglichen und unnötigen Jammerei.

Das kann ich ihnen nicht antun.
Deswegen leider ich still.
Stiller als still.
In der Hoffnung, dass die Stille endgültig jedes meiner Worte schluckt.

     

Wir bekommen schon wieder Blumen. Die anderen Autoren und ich. Vom Verlagsteam. Mit einer langen Dankesrede. Weiteren Versprechen für die Zukunft und Ankündigungen für das kommende Verlagsjahr. In dem ich keinen Teil mehr haben werde, denn selbst wenn ich jetzt ein Buch präsentieren könnte, sind ihre Kontingente schon aufgebraucht. Mich kurzfristig hinzuzunehmen, wäre nicht drin. Was ich nicht bedauerlich finde. Zumal ich nach wie vor kein fertiges Buch zu präsentieren habe.

    

Je mehr ich schweige, desto mehr rutsche ich ab. Das weiß ich. Das spüre ich. Ich rutsche an diesen dunklen Ort ab, der mich verschlingt und mich zu einem anderen Menschen macht und mir alles nimmt, woran ich seit über fünf Jahren arbeite.

Es gibt nichts, was ich dagegen tun könnte. Wenn der Prozess erst einmal angefangen hat, kann ich ihn nicht mehr aufhalten. Der größte meiner Fehler. Je mehr ich so tue, als würde es mir gut gehen, desto schlimmer wird es.

Ein unschlagbares Talent.
     

Ich lasse Diana im Hotel stehen und nehme ein Taxi, um nach Hause zu fahren. In mein Zuhause.

Noch nie habe ich allein gelebt, was sagt das über mich aus? Ich weiß nicht einmal, ob ich das schaffen kann. Ob ich überhaupt dafür geeignet bin. Was wenn ich mal den Herd vergesse auszustellen? Oder die Tür nicht abschließe? Was wenn ich Lebensmittel im Schrank habe, die ich alleine nicht aufessen kann? Was wenn ich mal nicht zum Einkaufen komme und fortan nur nochv on Lieferdiensten lebe und mir zehn Katzen anschaffe, weil eine nicht reicht, um das Loch zu füllen, das Sam hinterlassen hat und was wenn ich dadurch nie wieder Liebe finde, weil sich niemand mit der verrückten Katzenlady abgeben will?

Was wenn ich mich einfach zu sehr hineinsteigere? Immerhin bin ich nicht die erste Frau, die von einem Mann verlassen wird. Zudem Sam und ich ja nie ... wir waren nie ... wir waren nichts. Wir waren kein Liebespaar. Wir waren einfach wir und auf so viele Arten war das genug. Mehr als das.

Logisch gesehen ist mir bewusst, dass das nur im Moment so sehr schmerzt. Dass der Verlust zu ertragen sein wird, denn Sam ist immerhin am Leben und man sollte keinen Lebenden hinterher trauern, egal wie sie unser Leben verlassen haben.

Doch da ist noch immer die Boa um meinen Hals, die es mir unmöglich macht, mit Logik an meinen Schmerz heranzugehen. Stattdessen würgt sie mich weiter, lässt mich stumme Tränen weinen, in Sams Bett, das nicht bezogen ist und das trotzdem so sehr nach ihm riecht, dass ich nie wieder aus seinem Zimmer verschwinden will, solange ich nicht alleine atmen kann.

    

Es ist nicht fair. Es ist nicht fair, dass er das Recht hat, sich von mir zu verabschieden und ich hier sitze und an all dem Ungesagten ersticke. In den kommenden Tagen beginne ich unzählige Mails, die ich jedes Mal wieder lösche. Er will keinen Kontakt mehr, das hat er klar gemacht. Wer bin ich, das zu ignorieren?

Seine beste Freundin, schimpft ein einnere Stimme.

Du bist ihm nicht wichtig, warst es nie, flüstert eine andere Stimme.

Du bist niemandem wichtig, flüstert der Zwilling dieser Stimme.

Werde ich verrückt? Vielleicht. Bin ich es schon? Sehr wahrscheinlich.

    

Es dauert neunzehn Tage. Neunzehn Tage, bis ich ansatzweise klar genug bin, um zu duschen, etwas Gutes anzuziehen und das Haus zu verlassen. Neunzehn Tage, bis ich meinen Vater besuche. Neunzehn Tage, bis ich erkenne, dass ich es wert bin, am Leben zu sein. Neunzehn Tage, bis ich es ertragen kann, am Abend wieder in die leere Wohnung zurückzukehren, in der in nächster Zeit niemand auf mich warten wird.

Es wird noch viele weitere Tage dauern, bis ich mich erholt habe. Viele, viele Tage, an denen ich mich im Selbstmitleid wälzen und weinen werde – ganz die theatralische Diva eben.

Doch es wird besser. Nach heute wird alles wieder besser.

Everyday at 5AM {I'm asleep}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt