Als ihr Vater durch die Hände der japanischen Mafia stirbt und erstmals die grausame Wahrheit über seine kriminellen Machenschaften ans Licht kommt, bricht für die siebziehnjährige Chandjai ihre heile Welt zusammen. Was sie noch nicht weiß ist, dass...
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{ChandjaiDao}
Der Tag neigte sich dem Ende zu. Mutter war früh zu Bett gegangen, während ich nicht einmal ansatzweise an Schlaf denken könnte.
Ich saß auf meinem Bett und starrte die hellen Vorhänge an, welche ich aus Gewohnheit zugezogen hatte. Aus dem ganzen Haus hörte man keinen Ton. Nicht einmal das Knarzen der Fensterläden, wenn sie von einem leichten Windstoß bewegt wurden. Es schien als wartete alles auf die nächsten Ereignisse.
Langsam schmiss ich die Beine über die Bettkante, schnappte mir mein Handy von meinem Nachttisch und schlich die Treppe runter. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass Lideya fast 20 Mal versucht hatte mich zu erreichen. Seufzend verdrehte ich die Augen, ehe ich mich in die Küche zurückzog, um sie dort zurückzurufen.
"Jai bist du das?", vernahm ich Lidas sanfte Stimme von der anderen Seite der Leitung. "Natürlich bin ich es. Wer soll es denn sonst sein?", erwiderte ich und klang dabei fast schon ein wenig vorwurfsvoll. "Na Gott sei Dank. Aber jetzt möchte ich alles hören. Vor allem das das mit deinem Vater ganz fiese Fake-News sind!", ordnete sie an und ich atmete hörbar aus. "Es sind keine Fake-News. Vater ist wirklich tot", murmelte ich in den Lautsprecher meines sündhaft teuren Handys. "Jai verarsch mich nicht! Dein Vater ist doch nicht der Boss von einer verdammten Mafia. Ich bitte dich!", sagte sie genervt und seufzte. "Ich sage dir die Wahrheit. Vater war der Boss einer verdammten Mafia, die Presse belagert unser Haus und er ist tot. Mausetot. Toter kannst du nicht sein", fuhr ich sie fast schon an und massierte mir dann meinen Nasenrücken. Lida sog hörbar die Luft ein, ehe für einen Moment Stille herrschte. "Und jetzt? Werdet ihr jetzt von der Mafia verfolgt oder noch schlimmer... seid ihr jetzt arm?"
Tatsächlich klang Lideya bei der letzten Frage besorgter als bei der ersten. Solange man genug Geld hatte war es anscheinend egal, wenn man von der Mafia verfolgt wurde.
"Ich habe keine Ahnung. Weder ob wir verfolgt werden, noch ob wir arm sind", seufzte ich und verdrehte zusätzlich noch die Augen. "Hmm... aber du sagst mir, wenn ihr auf einmal arm seid, oder? Ich muss ja vorbereitet sein, wenn meine beste Freundin plötzlich kein Geld mehr hat und nur noch in alten Reissäcken rumrennt", erklärte sie mir und ich konnte mir denken, wie sie dabei geschäftlich nickte. "Natürlich mache ich das. Ich möchte ja nicht, dass du dich wegen mir schämen musst", sagte ich mit vor Sarkasmus triefender Stimme. Leider verstand Lida es wie jedes Mal nicht einmal ansatzweise. "Du bist die Beste. Danke! Aber Süße ich muss jetzt auflegen. Ich muss jetzt mein Bad nehmen, sonst ist meine Haut so komisch. Du kennst das ja. Bis morgen!" Ich hatte nicht einmal die Chance etwas zu sagen, da hatte sie schon aufgelegt. Seufzend legte ich mein Handy auf den Tisch und fuhr mir mit der Hand über mein Gesicht. Manchmal fragte ich mich wirklich warum ich mit Lideya befreudet war. Und dann fiel mir ein, dass ich mit ihr über alles reden konnte, auch wenn sie bei manchen Themen sehr seltsam war.
Kurzerhand beschloss ich ein bisschen frische Luft zu schnappen und ging in den Flur. Ich nahm den Schlüssel vom Schlüsselbrett, zog mir Schuhe und Jacke an und verließ dann das Haus.
Der frische Duft von den Blumen aus den Nachbargärten strömte in meine Nase und ließ mich lächeln. Warum konnte nicht immer alles so unbeschwert sein? Meine Füße trugen mich eine Weile kreuz und quer durch mein Viertel bis ich vor einem kleinen Spielplatz stehen blieb. Vater und ich waren hier oft gewesen, wenn er mich aus der Schule abgeholt hatte. Er hatte mich jedes Mal auf der Schaukel angestoßen und ließ mich so oft rutschen wie ich wollte. Und jedes Mal wenn wir heimkamen stand Mutter bereits wartend im Türrahmen, schaute uns erst tadelnd an, ehe sich mich umarmte und mir einen Kuss auf den Kopf drückte. Erst jetzt wurde mir bewusst wie wenig ich meinen Vater wirklich kannte. Bei uns war er immer der perfekte Firmenleiter und Vater gewesen, während er uns belogen und betrogen und hinter unserem Rücken eine Mafia geleitet hatte.
Schnell wand ich den Blick von einem der Orte ab, die meine Kindheit ausgemacht hatten. Ich drehte mich um und ging weiter. Weiter durch die breiten Straßen des Reichenviertel von Bangkok.
Als ich das nächste Mal stehen blieb war ich in einem großen Park angekommen. Vater und ich hatten hier immer Verstecken und Fangen gespielt, während Mutter auf einer Decke unter einem Baum saß und ein Buch las. Als ich älter wurde, stiegen wir auf Badminton um.
Ich durchquerte den Park und ließ mich auf einer Bank in der Nähe eines kleinen Teiches nieder. Ein leises Seufzen entwich mir, während ich so vor mich hinstarrte. Warum musste es uns passieren? Ich wollte es einfach nicht begreifen.
Meine Grübeleien wurden unterbrochen, als ich sich nähernde Schritte hörte. Ich schaute auf und sah eine einigermaßen große Person mit Kaputze und Mundschutz auf mich zukommen. Ein Schauer lief über meinen Rücken. Eigentlich war ich kein Angsthase, aber alleine im Park mit einer fremden Person die sich mir näherte war mir doch nicht ganz geheuer.
Mit einer schnellen Bewegung zog ich mein Handy aus der Jackentasche und tippte zur Sicherheit den Notruf ein. Wenn er mir etwas tun wollte, könnte ich einfach auf den Knopf drücken. Oder war es doch besser wegzulaufen? Ich packte mein Handy wieder weg und entschied mich dazu einfach unauffällig sitzen zu bleiben, in der Hoffnung diese Gestalt würde mich einfach übersehen oder ignorieren.
Nur leider war dem nicht so. Er blieb genau vor mir stehen. "Was macht so ein kleines Püppchen wie du denn so alleine hier draußen?", fragte er mit einer ziemlich dunklen Stimme, aus welcher man den spöttischen Unterton gut heraushören konnte. "Das geht dich nicht das geringste an", gab ich zurück und zog mein handy sicherheitshalber doch wieder aus der Jackentasche. "Und was wenn es mich brennend interessiert was du um diese Uhrzeit alleine hier draußen machst. Solltest du nicht mit Mommy und Daddy zuhause sitzen und über die letzten politischen Ereignisse diskutieren oder Karten spielen?", fragte er spöttisch, wobei seine Augen funkelten. Ich atmete tief durch. "Zum einen geht es dich nichts an was ich wann und wo machen und außerdem kann ich schon selbst entscheiden wann ich mit meinen Eltern Karten spiele", antwortete ich genervt. Was bildete sich dieser Junge denn ein? "Ich wäre an deiner Stelle vorsichtig", sagte er ruhig, was mir einen Schauer über den ganzen Körper jagte, "es gibt Leute die können mit so kleinen Püppchen wie dir nicht umgehen." Er kam einen Schritt auf mich zu und mir fiel erst jetzt auf, dass ich aufgestanden war. "Ich bin kein Püppchen!", erwiderte ich schnippisch und funkelte ihn wütend an. "Sei vorsichtig! Püppchen mit so einem Temprament sind sehr verlockend. Nur manchmal könnte es nicht gut für dich ausgehen. Man könnte dein Gesicht verunstalten", sagte er bedrohlich ruhig und legte eine Hand an meine Wange, "und das wollen wir natürlich nicht, oder?"
Ich brauchte einen Moment bis ich zurückwich. Irgendetwas an meinem Gegenüber faszinierte mich, machte mir gleichzeitig aber auch gewaltige Angst. "Lass mich bitte einfach in Ruhe", sagte ich leise und ging ein paar Schritte zurück. Der große Junge schaute mich nur belustigt an und ich konnte schwören, dass er unter seinem Mundschutz zufrieden grinste. "Aber was ist wenn ich dich nicht in Ruhe lassen möchte? Was ist wenn ich Spaß haben will?" Ich schaute ihn geschockt und ängstlich zugleich an, als eine weibliche Stimme die Nacht durchschnitt.
"Minho! Lass das Püppchen in Ruhe!" Ein Mädchen mit nicht allzu langen Haaren kam mit großen Schritten auf uns zugeeilt. Auch sie trug einen Mundschutz und funkelte mich nur an, ehe sie auf den Jungen zuging und sich vor ihm aufbaute. "Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du nicht mit Puppen spielen sollst?", keifte sie ihn an, woraufhin er, welcher wohl Minho hieß, nur die Augen verdrehte.
Ich machte gerade den Mund auf, um mich zu bedanke, als sie mir das Wort abschnitt. "Spar's dir. Verpiss dich lieber!", fuhr sie mich an. Das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen. Ich drehte mich um und entfernte mich mit schnellen Schritten von den beiden seltsamen Personen.
Das letzte was ich hörte, bevor ich zu rennen begann, war "Sie ist es!"
Was das zu bedeuten hatte würde ich noch früh genug herausfinden.