Als ihr Vater durch die Hände der japanischen Mafia stirbt und erstmals die grausame Wahrheit über seine kriminellen Machenschaften ans Licht kommt, bricht für die siebziehnjährige Chandjai ihre heile Welt zusammen. Was sie noch nicht weiß ist, dass...
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{ Mika Khae }
DerWinter war ins Land gezogen. Mika merkte es, da der Wind, der mit ihren kurzen, braunen Haaren spielte, trocken war. Es lag keine Feuchtigkeit in der Luft, und die Bauern würden bald schon wieder Probleme mit ihren Feldern und der Ernte bekommen. Die Menschen, die jedoch vom Tourismus lebten, würden umso glücklicher sein. In den kalten Monaten in den westlicheren Ländern platzten die Hotels in Bangkok und der Umgebung beinahe. So wie das Hotel von Mikas Eltern, welches diese betrat.
Ein leises Glockenläuten tönte durch den dunklen Raum, und kündigte Mikas Eintritt an. Das Hotel in der ländlichen Gegend, ein paar Minuten von der Hauptstadt entfernt, schien auf den ersten Blick verlassen, doch als Mika auf die Schlüsselablage blickte, sah sie, dass nur noch ein einziger Schlüssel dort hing. Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Der Erfolg ihrer Eltern erfreute das Mädchen jedes einzelne Mal, wenn sie zu Besuch kam.
Ein leises Seufzen ertönte aus dem Raum hinter der Theke, auf die Mika sich gerade abstützte und ungeduldig die verschiedenen Weltuhren, die an der Wand hingen, ansah. „Es tut mir leid, aber wir sind- Mika!" Ihre Mutter unterbrach sich selbst, als sie sich durch die enge Tür schob, und schlug erfreut ihre kleinen Händen vor die plumpen Lippen, die Mika geerbt hatte. Hastig eilte die rundliche Dame um die Theke herum zu ihrer einzigen Tochter und schlang ihre Arme um diese. Sie hatten sich zu lange nicht mehr gesehen. Mika atmete den Duft ihrer Mutter ein - Zitronen und Weichspüler. Vorsichtig schob die Mutter ihre Tochter von sich weg, um sie zu begutachten.
„Du wirst von Monat zu Monat dünner, mein Schatz. Dieses Clanleben tut dir nicht gut", murmelte die Ältere der Beiden und legte ihre gebräunte Hand an die blasse Wange ihrer Tochter. Diese zuckte nur mit ihren Schultern, wobei ihr die große, schwarze Lederjacke, die ihre Haut nur blasser erscheinen ließ, leicht herunterrutschte. Besorgt richtete ihre Mutter die Jacke, und drehte das Schild an der Rezeption, was anzeigte, dass die Rezeption offen war, um. Sie legte ihre Hand auf Mikas Rücken und schob sie in Richtung des Resteraunts. Mika kannte dieses Ritual. Immer, egal wann sie kam, musste sie etwas essen, bevor ihre Mutter sie etwas anders tun ließ. Doch heute gab es etwas wichtigeres. „Hör mir bitte zu", sprach Mika, noch bevor ihre Mutter sie auf einen Stuhl drücken konnte. Erstaunt weiteten sich die dunklen Augen von Yuna. Sie war über die Härte und die Dringlichkeit in den Worten ihrer Tochter erstaunt.
„Vater ist gestorben."
Entsetzt ließ sich Yuna auf einen Stuhl fallen, auf dem eigentlich Mika hätte Platz nehmen sollen, die sich nun über ihr Gesicht strich und gegenüber von Yuna Platz nahm. Die ältere Frau vergrub ihr Gesicht in den Händen und seufzte tief und nachdenklich, bevor sie weiter zuhörte.
„Die Yakuza haben ihn getötet, und sie haben wichtige Dokumente und Waffen geklaut. Und ich weiß, dass sie nach etwas wichtigerem gesucht haben, und es nicht gefunden haben." Die dunklen Augen von Mika suchten den Blick von ihrer Mutter, doch diese ließ ihn unruhig durch den Raum streifen. „Dieses Ding, was auch immer es sein mag, ist bei der Familie von Vater. Und du weißt, wer diese Familie ist." Die winzige Regung in Yunas Gesicht verriet Mika, dass sie Recht hatte. Yuna wusste etwas über den Tod von Sukiat Sonthijaroen. „Ja.", antwortete Yuna, denn sie wusste, dass sie ihre Tochter nicht anlügen konnte. Zufrieden lehnte sich Mika zurück, abwartend. Ihre Mutter würde schon plaudern.
„Leben sie in Thailand?" Ein Nicken genügte als Antwort. „Haben sie seinen Namen?" Yuna ergriff Mikas Hände, die flach auf dem Tisch lagen. Besorgnis und Angst lag in ihrem Blick. „Bitte Mika, reite dich nicht noch mehr in diese Clansache herein. Du bist so ein zartes Mädchen, dein ganzes Leben liegt noch vor dir-„ Rasch entzog Mika ihre Hände. „Nenn mir jede Information, die du weißt." „Ich werde kein ,nein' akzeptieren.", fügte sie noch dazu. Seufzend begann ihre Mutter zu erzählen und das Mädchen hörte ihr gebannt zu. Es ging schneller als erwartet, ihrer Mutter Informationen zu entlocken.
„Bleibst du noch ein wenig?", hakte diese am Ende des Gespräches nach. Kopfschüttelnd verneinte Mika. Sie hatte wichtigeres zu erledigen, und das müsste ihrer Mutter klar sein. „Bitte, Mahi würde sich so freuen. Tu ihm den Gefallen.", versuchte Yuna ihre Tochter zu überreden, doch diese antwortete erst gar nicht. Sie drückte ihrer Mutter lediglich ein winziges Päckchen in die Hand, mit den Worten, sie solle dies Mahi geben. Yuna versuchte nicht mehr, Mika aufzuhalten. Das dunkelhaarige Mädchen schnappte sich lediglich ein Bonbon an der Theke der Rezeption, drehte das Schild erneut um und schenkte ihrer Mutter ein letztes Lächeln. „Pass auf dich und deine Familie auf." Yuna nickte nachdenklich und sah ihrer Tochter nach. „Komm' bald noch einmal vorbei!", rief sie ihr nach. Mika begann zu grinsen, zog ihren schwarzen Mundschutz vor ihre vollen Lippen und vergrub ihre Hände in der schwarzen Lederjacke. „Ich denke nicht, dass ich die Zeit finden werde. Schließlich habe ich eine Mafia zu leiten." Mit diesen Worten ließ sie ihre Mutter zurück, die vor Sorge in den nächsten Monaten umkommen würde. Ihre zarte Tochter war viel zu früh in kriminelle Dinge hereingerutscht. Es war eigentlich kein Wunder mehr, dass sie jetzt schon die neue Anführerin des Clans war. Sie war trotzdem ein wundersames Mädchen.
Das letzte, was sie von Mika hörte, war das laute Quietschen von Reifen eines Sportwagens, der in waghalsiger Geschwindigkeit von dem Hof brauste. Der Fahrer des Autos hatte seine schwarze Kappe tief in die Stirn gezogen, trug zu dem noch eine verspiegelte Sonnenbrille und einen schneeweißen Mundschutz, der seinen Mund und sein Kinn verdeckte. Trotzdem vertraute Mika diesem Mann blind.
Die Beiden sprachen kein Wort, als sie aus dem kleinen Dorf herausfuhren und auf der Autobahn nach Bangkok jagten. Mika tippte ungeduldig mit ihren Fingern auf ihren Schoß, im Takt zu einem alten Lied, welches sie so sehr liebte und welches aus dem Radio schallte. Das Mädchen zog sich ihren Mundschutz erst kurz vor der großen Stadt herunter. „Wir müssen in das Bonzenviertel. Findest du den Weg dorthin?", hakte sie nach. Das kurze Nicken symbolisierte ihr, dass er den Weg noch kannte. Mit ungeplanten Manövern steuerte er den teuren Sportwagen, dessen Finanzierung nur möglich war, da sie in einer kleinen Bruchbude lebten, durch die engen Straßen der Stadt, ehe er vor einer Reihe von kleineren Villen hielt. „Hier müsste es irgendwo sein, denke ich.", waren die ersten Worte, die er seit Beginn der Fahrt sprach. Seine dunkle Stimme hallte durch den Wagen, und würde Mika ihn nicht schon seit Jahren kennen, hätte sie beinahe Angst vor ihm bekommen. „Danke." Doch Mika stieg nicht aus. Sie beobachtete jedes Haus genau, versuchte die Nummern zu erkennen oder zuzuordnen, und sie brauchte lange, beinahe eine Viertelstunde, bis sie zufrieden nickte. „Minho wird sich darum kümmern müssen.", sagte sie dann leise, als wäre es nicht für ihren Fahrer bestimmt, sondern nur für sich.
Und dann fuhren sie wieder davon, mit quietschenden Reifen und dröhnendem Motor, und ließen das Mädchen, das am Fenster stand, ratlos zurück.