Zwischenkapitel - Der Traum

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Alles war dunkel. Ich konnte nichts riechen, nichts sehen. Ich war gefangen, konnte mich nicht rühren. Wo war ich? Wer war ich? Was bin ich?

Ich versuchte mich zu drehen, sträubte mich gegen mein Gefängnis, doch es war unnachgiebig. Das Pochen in meiner Brust wurde lauter, schneller. Was war das? Warum war das?

Mir wurde kalt. So unglaublich kalt. Ich hatte Angst, begriff ich, doch was war Angst? Es fühlte sich schlecht an. War Angst schlecht? Was ist schlecht?

Ich versuchte zu verstehen, zu begreifen, doch ich war alleine. Alleine? Woher kamen all diese Dinge, die etwas sagten, das ich nicht verstand? Ich wollte zurück in die warme Schwärze, zurück dorthin, wo diese Dinge nicht existierten.

Weiterhin sträubte ich mich gegen mein Gefängnis, weil etwas in mir das von mir verlangte. Doch was war das? War es gut oder war es schlecht? Ich konnte es nicht sagen. War das überhaupt wichtig?

Plötzlich war da eine leise Stimme in meinem Hinterkopf, die mir sagte, ich solle aufhören. Solange ich hier war, sei ich in Sicherheit. Sicherheit. War das diese wohlige Schwärze, dieses Nichts? Aber sicher wovor? Was war da?

Dann war da ein neues Gefühl. Ich wollte wissen, was da war, doch das würde ich nicht erfahren, solange ich gefangen war, das wusste ich. Also musste ich hier raus.

Doch die Stimme hielt mich davon ab. Sie ließ nicht zu, dass ich mich weiter bewegte, so sehr ich mich auch dagegen wehrte. Schließlich gab ich auf, schwor mir aber im Stillen, dass das nicht das Ende war.

Der Wyvern ist entkommen, wie die Göttin es vorher gesehen hat.

Eine neue Stimme, ganz anders als die leise Stimme zuvor. Sie fühlte sich rau und völlig fremd an. Alles in mir sträubte sich gegen die Stimme. Doch woher kam sie? Warum war sie hier in meiner Dunkelheit? Und warum fühlte sich das Wort Wyvern so vertraut an? War ich ein Wyvern?

Und die Drachen sind alle tot. Wie der Meister es befohlen hat.

Eine zweite Stimme. Sie klang völlig anders als die andere. Herrisch, fiel mir ein. Doch was hieß herrisch?

Wir sollten dem Wyvern folgen.

Noch eine Stimme. Waren sie draußen? War ich hier vor ihnen sicher? Wieder beschlich mich dieses kalte Gefühl, diese Angst. Würden sie mich finden? Musste ich... sterben?

Nein, das widerspricht unseren Befehlen. Wir werden hier auf ihn warten.

Wieder die zweite Stimme. Was bedeutete das alles? Was war eine Göttin? Was war ein Befehl? Was waren das für Stimmen? Waren sie wie ich hier gefangen? Doch warum hatte ich dann Angst?

Von außerhalb meines Gefängnisses hörte ich Geräusche, die mir seltsam vertraut schienen. Was war das?

Und die Eier? Sie müssen hier irgendwo sein.

Die erste Stimme hatte nun einen anderen Klang angenommen. Es fühlte sich an, als wolle sich die erste Stimme gegen die zweite wehren, so wie ich mich gegen mein Gefängnis gesträubt hatte.

Der Wyvern wird uns zu ihnen führen. Wir werden hier auf ihn warten.

Auch die zweite Stimme klang nun anders, strenger als zuvor, ähnlich wie die leise Stimme in meinem Kopf zuvor. Ob es bei ihnen so war wie bei mir? Dass die zweite Stimme die erste an etwas hinderte?

Und was, wenn der Wyvern nicht wieder kommt?

Warum war das der ersten Stimme so wichtig?

Er wird wieder kommen, die Göttin hat es uns gesagt. Außerdem haben wir klare Befehle.

In die zweite Stimme hatte sich etwas gemischt, das die Kälte in mir schlimmer werden ließ. Würde die erste Stimme sterben, wenn sie sich weiter wehrte? Würde sie aus demselben Grund aufgeben wie ich? Weil eine Stimme ihn daran hindert, zu tun was er will?

Ich hörte ein weiteres Geräusch, dieses Mal lauter. Es ließ die Kälte in mir unerträglich werden. Ein Schrei, begriff ich. Jemand hatte Schmerzen. Wäre das mir auch passiert, hätte ich mich aus meinem Gefängnis befreit?

Danach herrschte wieder Stille. Auch die drei Stimmen schienen verstummt zu sein. Dann sank ich wieder in das vertraute Nichts.

Der letzte DracheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt