Kapitel 8 - Weise H'rhun

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Als ich die Augen schläfrig öffnete, schwebte das Gesicht eines Falken über meinem. Überrascht schrie ich auf und zuckte zurück, gleichzeitig tastete ich instinktiv nach meiner Waffe.

Neben mir brummte Black schläfrig als Reaktion zu dem Schrei und auch Razgar rührte sich nicht weiter. Selbst der Falke blieb wo er war und beobachtete mich amüsiert. Doch als ich genauer hinsah bemerkte ich, dass seine Augen trüb waren, vermutlich war er also blind. Sein Gefieder war schlammbraun, an manchen Stellen schwarz.

Zögernd setzte ich mich auf und rieb mir die Augen, während ich meinen noch schlafenden Kopf nach Informationen durchsuchte, wer der Falke vor mir sein konnte. Th'phe war es offensichtlich nicht.

Der Falke lachte leise, die Stimme klang weiblich, jedoch war sie etwas tiefer als Th'phes Stimme. Ihr Klang hatte etwas Warmes, Vertrauenserweckendes. "Habe ich dich geweckt, junger Wolf?"

Ich zögerte einen Moment lang, bevor ich antwortete. "Nein, nur überrascht."

Wieder lachte sie und betrachtete mich eingehend mit den trüben Augen. Ich hatte das Gefühl, die Trübheit würde sie nicht daran hindern, mich zu sehen. Im Gegenteil. Es fühlte sich an, als würde ich vollkommen nackt vor ihr sitzen. Ein unangenehmes Gefühl.

"Wer seid Ihr?", fragte ich nach einer längeren Pause. Schweigend strich sie über mein Fell am Kopf, hinter den Ohren. Dabei traf sie eine Stelle, die mir sehr gefiel, woraufhin ich die Augen schloss und still hielt.

"Ist es denn wichtig, wer ich bin? Oder wer du bist? Ist es nicht wichtiger, was wir sind?", hielt sie leise dagegen, in ihrer Stimme hörte ich ein leises Lachen. "Damit meine ich nicht, was du körperlich bist. Sondern was du hier bist." Ihre Hand löste sich von meinem Fell und legte sich auf mein schlagendes Herz.

Langsam öffnete ich die Augen und sah sie an. Sofort blickte ich in ihre trüben Augen, als hätte sie gewusst, ich würde meine Augen wieder öffnen. Aber woher hätte sie das wissen sollen?

Neben mir gähnte Black und streckte sich ausgiebig. Ich drehte den Kopf und sah ihn an. Er wirkte, als würde er noch schlafen, obwohl seine Augen offen waren. Gras hing in seinem zerzausten Fell. Scheinbar hatte er eine unruhige Nacht gehabt.

"Guten Morgen, junger Wolf", sagte die Falkin mit ihrer warmen, ruhigen Stimme und erhob sich etwas schwerfällig, als hätte sie Probleme. Ich wollte ihr helfen und streckte eine Hand aus, doch sie stand bereits.

Beim Klang der Stimme zuckte Black kurz zusammen und rieb sich die Augen. Erst dann schien er sie zu bemerken. Unbehaglich legte er die Ohren an und zupfte sich das Gras so weit er konnte aus dem Fell, sagte aber nichts. Stattdessen blickte er mich hilfesuchend an. Als erwarte er von mir, ich würde wissen, was zu tun war. Doch ich zuckte unwissend mit den Schultern. Razgar schlief scheinbar noch, sodass auch er keine große Hilfe war.

"Kommt mit mir", forderte uns die Falkin freundlich auf.

Ich zögerte, während mein Freund der Aufforderung insofern Folge leistete, dass er aufstand. Dann sah er mich an.

"Wir wurden aufgefordert, hier zu warten bis wir abgeholt werden", wandte ich unsicher ein und betrachtete die Falkin. Mich ließ das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmte.

Leise lachte sie. "Das ist schon in Ordnung, vertraut mir." Sie sah mir in die Augen und gab mir das Gefühl, sie könne mich wirklich sehen. "Vielleicht bin ich es ja, die euch abholen soll?"

Noch immer zögerte ich und hob Razgar auf meinen Arm, ehe ich mich erhob. Ich wusste nicht, ob ich ihr vertrauen konnte, doch ich ahnte, dass ich keine andere Wahl hatte, als das zu tun, was sie wollte. Andererseits machte es mich stutzig, dass der Wyvern noch immer nicht wach war. Normal hätte ich erwartet, dass er der Erste ist, der aufwacht, sollte sich jemand uns nähern. Hatte das etwas mit der Falkin zu tun?

Der letzte DracheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt