Kapitel 16

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Vereinzelte Sonnenstrahlen brachen durch die dicke Wolkendecke und schienen auf mich hinab. Besonders warm waren diese nicht - der Winter näherte sich mit großen Schritten. Herabgefallenes Laub zierte den Boden, die Bäume waren so gut wie kahl.
Die Kinder interessierte das wenig. Sie spielten im Sandkasten, kletterten die Leiter hoch und rutschten die Rutsche runter. Es war beruhigend, die kleinen Geschöpfe zu beobachten. Manchmal wünschte ich mich in die Zeit zurück, wo das größte Problem war, wenn jemand die Schaufel geklaut hatte oder wer die Sandburg kaputt gemacht hat.
Selbst für Jesus waren Kinder etwas Besonderes. Er beschreibt sie als die menschlichen Wesen, die Gott am nähsten sind. Sie sind dem Himmelreich noch nicht sehr lange entflohen und haben die reine Unschuld in sich.
Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes. Mk 10,14.
Woher ich das weiß? Ich hatte das ganze Neue Testament wieder und wieder studiert nach meinem kleinen Nervenzusammenbruch. Ich brauchte eine Beschäftigung und das schien mir am sinnvollsten.
Nach einer schlaflosen Nacht machte ich mich zu einem Spaziergang auf. Frische Luft tut immer gut.
Nun saß ich etwas abseits des Spielplatzes auf einer Parkbank. Die Beine übereinander geschlagen und die Arme verschränkt, ließ ich meinen Blick über das Gelände schweifen. Meine Gedanken waren wie weggeblasen.
Zu meiner Linken schrie aufeinmal ein Kind, vielleicht so drei bis vier Jahre alt. "Mami, da! Guck' mal!"
Die Mutter, die ein paar Bänke weiter saß, machte sich nicht die Mühe, von ihrem Handy aufzuschauen. Abwesend antwortete sie nur: "Mhm... Ganz toll, Schatz."
Über so ein Verhalten konnte ich nur den Kopf schütteln. Wieso setze ich Kinder in die Welt, wenn ich mich nichtmal mit ihnen zu beschäftigen weiß?
"Jetzt ist es weg", sagte das Kind traurig.
Ich musste schmunzeln. Wahrscheinlich hatte es ein Reh gesehen.
Plötzlich sprang das Kind in einem Satz hysterisch auf. "Schau! Da!" Es sah mir direkt in die Augen. "Geh dahin!"
Mein Blick wandte sich langsam in die Richtung, in die es zeigte. War das ein Traum?
Das kleine Wesen zeigte auf eine Lichtung hinter dem Klettergerüst. Ein leuchtender Punkt war auf der höchstens Erhebung.
Von Neugier geleitet, schritt ich auf das helle, weiße Licht zu. Meine Umgebung schien still zu stehen. Umso näher ich kam, desto mehr erkannte ich zwei schemenhafte Umrisse.
Wenige Meter davor blieb ich abrupt stehen, als ich klar erkennen konnte, um was oder besser gesagt wen es sich handelte. Ein dicker Kloß machte sich in meinem Hals breit.
Vor mir standen ein Mann und eine Frau; völlig unversehrt, als wäre nichts gewesen. Als würde ich vor einem ganz normalen Paar stehen. Nur, dass die zwei seit 20 Jahren tot sind.
"Nein... Das ist nicht möglich", stotterte ich unbeholfen und zog ungläubig die Stirn in Falten.
"Wir sind doch nicht die ersten Geister, denen du begegnest." Diese Stimme. Diese raue, männliche Stimme. Sie war genauso, wie ich sie in Erinnerung hatte.
Meine Lippen bebten. "Passiert das hier gerade wirklich?"
Mein Vater, Matthew Williams, lachte. Meine Mutter, Carol, antwortete mir. "Die Engel haben uns zu dir geschickt. Sie meinten, wir sollten mal mit dir reden."
"Oh, wow! Weil ich nicht nach der Nase der Engel tanze, schicken sie meine Eltern, um mich zu überzeugen?" Meine Frage war rein rhetorisch. "Ganz große Leistung. Respekt an euch da oben!" Die Aussagen trieften nur so von Sarkasmus.
"Jenna, hör' uns an." Ein flehender Unterton schwang in der Stimme meines Vaters mit. Ein väterliches Flehen, was ich bisher nur von John kannte.
Ich strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr.
"Die Prophezeiung wurde lange vor deiner Geburt niedergeschrieben. Sie besagt, dass zur richtigen Zeit ein Kind besonderen Blutes geboren wird, das stark genug ist, Judas zu vernichten. Ein Kind aus der Blutlinie Jesus'. Dies bist du, mein Schatz", erzählte meine Mutter.
"Und woher wollt ihr oder die wissen, das ich das bin?"
"Nachdem wir von der Schwangerschaft erfahren hatten", fuhr mein Vater fort, " kam ein Engel zu uns. Ich glaube, Killian war sein Name. Er erzählte uns alles; über das Übernatürliche, die Blutlinie, deine Bestimmung; was wir natürlich nicht glaubten. Es schien wie ein Horrorfilm."
Weiterhin lauschend, verlagerte ich das Gewicht von einem Bein auf das andere.
"Bis zum Tage deiner Geburt."
Man sah deutlich, wie meine Mutter mit sich kämpfte, woraufhin mein Vater sie in den Arm nahm.
"Eigentlich sollte es ein schöner Tag werden. Doch Dämonen kamen und wollten dich mitnehmen. Gerade noch rechtzeitig konnten die Engel Schlimmeres verhindern und die Dämonen töten. Von da an glaubten wir ihnen und schworen uns, dich zu beschützen. Schließlich warst... bist du unsere Tochter. Und wir haben unser Möglichstes getan."
Ich nickte. "Euer Leben gelassen", flüsterte ich leise.
"Trotzdem ist aus dir eine tolle junge Frau geworden. Stark, tapfer, furchtlos. John hat dich gut erzogen", lächelte meine Mutter.
"Aber wolltet ihr das? Dieses Leben für mich? Mit den ganzen Monstern, keine richtige Kindheit.."
"Natürlich wollten wir das nicht, aber irgendwann wärst du so oder so da hinein geraten. Wir wollten es nur so lange wie möglich hinaus zögern."
Deutlich hörbar atmete ich aus und so langsam wurde es mir klar. Es war unvermeidbar. Ich musste gegen Judas antreten und kämpfen. Ich hatte keine andere Wahl.
"Das heißt also, ich muss es tun." Ein Gefühl der Unsicherheit machte sich in mir breit.
Beide, sowohl Vater als auch Mutter, stimmten mit einer knappen Geste zu.
Ich spannte die Kiefermuskeln an. Diese Eingebung, diese Tatsache - sie schmerzte. Die Gewissheit zu haben, dass es keinen Ausweg gab.
"Du schaffst das, Süße", munterte mich meine Mutter auf. "Du bist nicht nur eine Winchester, sondern auch eine Williams. Und die sind hart im Nehmen."
"Wir sind unendlich stolz auf dich."
Und ganz langsam begannen die Umrisse meiner Eltern zu verschwimmen. Mehr und mehr verblassten sie.
"Wartet! Ich hab' doch noch so viele Fragen!"
"Wir lieben dich, Kind! Wir werden uns wiedersehen, aber hoffentlich nicht so bald." Die letzten Worte waren nur noch ein Windhauch und ich stand wieder ganz alleine da.
Mein Schicksal war so gut wie besiegelt. Doch wusste ich trotzdem nicht, wie es ausgehen würde.

Mit einem gemischten Gefühl und der Mittagssonne im Rücken, bog ich auf den Parkplatz unseres derzeitigen Motels ab. Schon vom Weiten sah ich Sam mit dem Telefon in der Hand auf und ab laufen. Als er mich sah, ließ er die Hand sinken und rannte auf mich zu.
"Jen, Dean ist verschwunden!" Der junge Winchester war völlig aufgebracht.
"Warte, ganz ruhig", versuchte ich die Lage zu realisieren. "Wie, er ist verschwunden?"
"Kurz nachdem du spazieren gegangen bist, wollte Dean uns was zu essen holen. Das ist mehr als drei Stunden her."
Ich schüttelte den Kopf. "Er wird bestimmt in irgendeiner Bar sitzen. Oder Stripclub." Dieser Gedanke widerte mich auf eine Art und Weise an, die ich nicht zu beschreiben wage.
"Nein, ganz sicher nicht. Der Impala steht noch hier. Im nächstgelegenem Diner war ich schon suchen; nichts, keine Spur. Und das Schärfste kommt noch - sein Handy ist ausgeschalten. Ich kann es nicht orten." Sam fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare.
So langsam wurde ich auch stutzig. Aber Dean würde nicht einfach verschwinden und uns im Stich lassen. Es sei denn - "... Meinst du, er wurde entführt?", sprach ich meinen Verdacht entsetzt aus.
Der Winchester sagte nichts und sah mich nur durchdringlich an. An seinen Augen erkannte ich, dass er die gleichen Gedanken hegte, wie ich.
"Ok. Auch wenn ich von einer Entführung noch nicht ganz überzeugt bin; denn Dean ist eigentlich stark genug, sich zu verteidigen; werden wir der Sache auf den Grund gehen", erklärte ich das weitere Vorgehen. "Es wird bestimmt eine logische Erklärung geben und Dean steht in den nächsten paar Stunden wieder vor der Tür."
"Hoffen wir es." Sam nickte und wandte sich wieder seinem Handy zu, um wiederholt zu versuchen, Dean zu erreichen.
Ich war noch nicht davon überzeugt, dass Dean entführt wurde. Wahrscheinlich hatte er im Diner die Kellnerin aufgegabelt und ist bei ihr zu Hause. Schnell verkrampfte sich mein Herz.
Nein, das würde er dir nicht antun, verdrängte ich den Gedanken. Aber was ist dann passiert?

Es gibt mal wieder was Neues von mir :D  wahrscheinlich wird das neue kapi wieder etwas länger dauern, Schule stresst richtig und zwischendrin noch Vorstellungsgespräche usw..
Eigentlich ist das Buch schon zu Ende, auf meinen Notizen, es muss nur noch vertextet werden😅

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