Kapitel 12

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Genervt schmiss ich das Handy auf den Beifahrersitz. 13 verpasste Anrufe. Im letzten Motel hatte ich mir ein Auto geklaut. Mittlerweile war es 2 Tage her, dass ich wortlos verschwand. Die Winchesters riefen fast ununterbrochen an, eher Sam als Dean, doch kein einziges Mal brachte ich es übers Herz, ranzugehen.
Leise und ruhig tropfte der Regen auf die Frontscheibe. Ich war angekommen. Mit pochendem Herzen öffnete ich die Autotür und trat in den fusseligen Nieselregen. Es regnete nicht doll, dafür aber schon lange, weshalb sich viele Pfützen im Matsch gebildet hatten. Bei jedem Schritt platschte es.
Die Arme vor der Brust verschränkt und immerwieder umguckend, blieb ich irgendwann vor meinem Ziel stehen. Mein Blick fiel zum Boden, eine komische Wärme breitete sich in mir aus.
"Hallo Mum. Hallo Dad." Ich hockte mich zum Grabstein, auf dem in verwildeter Schrift stand: Hier ruhen Carol und Matthew Williams. Möge Gott sie behüten.
Als ich mit 15 erfuhr, dass John nicht mein leiblicher Vater war, brachte er mich hierher. Er erzählte mir alles, was passiert war. Seitdem habe ich mich nie wieder getraut, meine Eltern zu besuchen. Der Schmerz war zu groß. Doch jetzt im Moment, wusste ich einfach nicht weiter.
Ich fuhr mit meiner Hand über den nassen Grabstein. "Tut mit leid, dass ich euch solange nicht besucht habe." Der kalte Regen auf meiner Haut, vermischte sich mit meinen warmen Tränen.
"Ich hoffe, ihr seid mir nicht allzu böse. Aber ich weiß ja jetzt, dass es euch dort oben gut geht." Ich schluckte und dachte an die erste Unterhaltung mit Killian. Seitdem war vieles passiert.
"Wisst ihr", begann ich mit zitternder Stimme. "Ich könnte jetzt echt gut euren Rat gebrauchen. Den Rat von Eltern. Ich weiß einfach nicht weiter. Zum Einen die Sache mit Dean. Oh Mum, wir hatten nie die Gelegenheit, über Jungs und Liebe zu quatschen", schluchzte ich.
"Wahrscheinlich bin ich deshalb so schlecht darin." Dieser Gedanke ließ mich auflachen. "Ich hätte gerne gesehen, Dad, wie du ausgerastet wärst, wenn ich meinen ersten Freund angeschleppt hätte. Einfach die normalen Dinge des Lebens."
Ein Knacken ließ mich aufhorchen. Ich schaute mich um, die Hand an der Waffe, bereit zum Schießen. Allerdings war es nur ein Eichhörnchen, welches Schutz vor dem Regen suchte.
Ich wandte mich wieder dem Grab zu. "Ihr habt meinetwegen euer Leben gelassen. Wie kann ich das nur je wieder gut machen?" Kurz hielt ich inne, vielleicht darauf wartend, eine Antwort zu bekommen. Natürlich würde mir niemand antworten.
"Wusstet ihr das eigentlich? Das wir mit Jesus verwandt sind?"
Flügelschlag erklang und ich musste mich nichtmal umdrehen, um zu wissen, wer gekommen war. "Ja, sie wussten es."
"Sind sie deshalb gestorben?", fragte ich, den Blick immernoch auf die Schrif des Grabsteins geheftet.
"Sie wollten dich beschützen, sie wurden von den Dämonen überrascht. Keiner konnte ahnen, dass die Anhänger Judas' so brutal vorgehen würden, oder gar überhaupt eingreifen würden. Eigentlich herrschte sowas wie Frieden."
"Warte, was hast du gesagt?" Nun drehte ich mich doch völlig verwundert um und erschrak beim Anblick Killians. Sein eigentlich weißer Anzug war überseht mit roten und braunen Flecken, an einigen Stellen hingen Fetzen hinunter. Das Haar war zerzaust und im Gesicht hatte er Beulen und blaue Flecken. "Was ist passiert?", presste ich erschrocken hervor und machte einen Schritt auf den Engel zu.
"Das ist meine Bestrafung gewesen." Er schaute an sich hinab. "Doch hielt der Folter stand und sie haben mich gehen lassen."
Ich nickte verstehend. "Und wieso will der Himmel nicht, dass ich das alles weiß?"
"Doch, doch. Sie wollen es, aber noch nicht jetzt. Es ist eigentlich noch zu früh. Die Umstände haben mich dazu veranlasst, mit der Sprache rauszurücken. Die Dämonen unter Judas' werden von Stunde zu Stunde stärker."
Mir schwirrte der Kopf. Die Engel wollen es, sie wollen es nicht. Wissen die überhaupt noch, was sie wollen?
"Jetzt mal langsam zum Mitschreiben. Du redest die ganze Zeit von Judas-"
"Genau", unterbrach mit der Engel sofort. "Judas, der Verräter von Jesus, war ein Dämon. Oder besser gesagt, ist es noch. Damals schwor er, seine gesamte Linie auszulöschen, denn für ihn war Jesus natürlich ein Dorn im Auge. Lange hielt er sich im Verborgenen, sodass wir Annahmen, die Gefahr sei gebannt. Bis zum Todestag deiner Eltern."
Ich krallte meine Hände in die Haare. Hört das denn nie auf? "Und meine Eltern wussten das alles?" Meine Klamotten waren mittlerweile komplett durchnässt und ich fing an zu frieren.
Killian schüttelte den Kopf. "Als deine Mutter schwanger wurde, erzählten wir ihr, dass du etwas Besonderes bist. Übrigens hast du die Gene von ihr vererbt bekommen. Dein Vater wurde einfach nur in die Sache mitreingezogen. Er blieb trotzdem bei euch."
Ich atmete schwer, mein Herz pochte schnell. Das alles wieder aufleben zu lassen, fiel mir sehr schwer. Ich kniff die Augen zusammen, um die erneuten Tränen zu unterdrücken.
"Wieso erzählst du mir das alles?"
"Weil du darum gebeten hast."
"Hab' ich nicht", fuhr ich den Engel etwas zu harsch an.
Killian blieb davon unbeeindruckt. "In deinem tiefsten Inneren wolltest du das wissen. Und ich sage dir noch eins. Geh' wieder zurück."
Fragend musterte ich ihn. Seine Mundwinkel glitten nach oben. "Zu den Winchesters."
Heftig schüttelte ich den Kopf. "So ist es besser. Sie würden nur verletzt werden."
"Das denkst du", meinte mein Gegenüber. "Ihr beschützt euch gegenseitig. Und du brauchst den Halt der Beiden."
Es musste erst ein Engel kommen, um mir das zu sagen, was ich eigentlich schon die ganze Zeit über wusste. Aber wie würden die Brüder reagieren, wenn ich aufeinmal wieder auftauche, als wäre nichts gewesen. Und würde ich die Sache mit Dean händeln können? Gefühle waren in unserem Job einfach hinderlich.
Killian bemerkte, wie ich mit mir haderte und begann erneut zu lächeln. "Na los, geh' schon." Mit den Händen machte er eine Bewegung, die mir zeigte, ich solle abzischen.
Wie mechanisch bewegte ich mich verunsichert wieder in Richtung Auto. Ein, zweimal wandte ich mich nochmal zum Engel um, der mir hinterher grinste. Beim dritten Mal war er verschwunden.
Ich war durchgefroren, sodass ich froh war, endlich im Warmen zu sitzen. Erst jetzt, bei der Stille im Auto und ganz alleine, wurde mir klar, dass meine Eltern ebenfalls Kontakt mit dem Übernatürlichen hatten. So oder so, wäre ich in diese Welt hineingezogen worden. Ich hätte nie ein normales Leben führen können.
Ich lehnte meine Stirn auf das Lenkrad und ließ meinen Tränen freien Lauf. Es brannte auf der Haut wie Feuer, doch das war mir egal. Dieser Schmerz war nichts im Vergleich zu dem, was all die Informationen bewirkten.
Minute um Minute verstrich, bis ich mich wieder aufrappelte. Mein Blick fiel auf das Handy, welches immernoch auf dem Sitz lag. Vorsichtig nahm ich es in die Hand. Natürlich waren neue verpasste Anrufe drauf. Mit zitternder Hand wählte ich die Nummer.
Bereits nach dem ersten Läuten, ertönte Sams Stimme. "Vardammt, Jenna Winchester!" Ich zuckte zusammen. Sam schrie regelrecht in den Hörer und ich wurde immer nur mit meinem vollen Namen angesprochen, wenn ich was verbrochen hatte.
"Es tut mit leid. Bitte, du musst mir glauben. Ich komme zurück, jetzt. Versprochen", flehte ich ins Telefon. Am anderen Ende hörte ich Sam deutlich ausatmen.
"Wir hatten übers Abhauen geredet!"
"Ich weiß", gab ich klein bei. "Es kommt nie wieder vor, Killian hat mir die Augen geöffnet." Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, das beim Klauen erwischt wurde.
"Darüber werden wir noch sprechen, nur nicht übers Telefon. Komm' erstmal nach Loneside, Virginia. Da sind wir gerade", erklärte der Winchester etwas weicher.
"Gut. Ich bin nur 6 Autostunden entfernt. Bis dann!"
"Fahr vorsichtig", war das letzte, was ich hörte, ehe ich den roten Hörer betätigte. Ich schmiss mein Handy wieder auf den Beifahrersitz und startete den Wagen. Ich war froh und hatte zugleich Angst, was mich bei meiner Rückkehr erwarten würde.

Ich glaub, ich hab noch nie 2 Kapitel an einem Wochenende geschrieben😂 Aber dieses Kapitel zu schreiben, darauf hatte ich mich schon lange gefreut. So, here it is.
Und ja, ihr hattet recht, die drei können einfach nicht lange ohne einander😂

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