Kapitel 31

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"Wie schön, dass du es geschafft hast", begrüßte Lorenzo Hall Victor Benedict. Ein Lächeln lag auf seinem alten, faltigen Gesicht, seine kleinen Augen leuchteten.
Victor erwiderte nichts. Obwohl er sich äußerlich nichts anmerken ließ, ging ich davon aus, dass er unbemerkt nach Informationen im Kopf des alten Mannes suchte. Ich ging nicht davon aus, dass ich ihn gut genug kannte, um das herauszufinden. Allerdings lag es auch nicht an der vermeintlichen Tatsache, dass ich durch unseren Kontakt irgendetwas herausfand. Ich wusste nicht, woran es lag. Es war keine der beiden Optionen.
Vielleicht war es das erste, das ich getan hätte. Oder vielleicht lag es daran, dass es das war, was für mich und Rahel am besten war. Er musste das tun, was für mich am besten war. Für mich und meine kleine Schwester.
"Ich habe so viele Geschichten über dich gehört." Hall legte den Kopf schief. Sein Lächeln nahm einen fast schon krankhaften Zug an. "Als ich ein kleines Kind war, hat mir eine Tante mütterlicherseits von euch erzählt. Menschen, die mehr Macht haben, als ihnen guttut. Sie selbst war einer und hat es verabscheut. Sie hat ihre Kräfte nie benutzt, niemals. Sie sagte, es sei eine Krankheit und es gehörte ausgemerzt. Aber ich habe immer gewusst, dass es mir bestimmt war, über eben solche Kräfte zu verfügen. Ich war kein Savant, aber ich wusste, ich würde einen Weg finden."
Mustaf sah aus, als müsste er sich ein Lachen verkneifen. Er folgte Lorenzo Hall, der folglich über eine bestimmte Art von Überzeugungskraft verfügen musste. Doch dem Mann fiel es sichtlich schwer, über das Erzählen eines alten, halb senilen Mannes nicht in Gelächter auszubrechen.
"Fast mein ganzes Leben habe ich darauf hingearbeitet. Und dann hörte ich zum ersten Mal die Erzählung von dir. Einem Mann, der Menschen kontrollieren kann. Das war alles, was ich jemals wollte, und dir wurde es in den Schoß gelegt, dir wurde es angeboren. Ich habe so lange gewartet."
Mustaf flüsterte Doug etwas ins Ohr, der zustimmend nickte. Kurz darauf verließ Mustaf eilig den Raum, und noch bevor die Tür zufiel, war ein schnaubendes Lachen zu hören.
"Was wollen Sie mit Kontrolle?", fragte Victor skeptisch.
Hall rieb sich die faltigen Hände. Er blinzelte, und als er die Augen wieder aufmachte, war ein Blick in ihnen, der jedes Irrenhaus dazu bewegt hätte, ihn mit offenen Armen bei sich aufzunehmen.
"Ich dachte, das hättest du herausgefunden." Seine Stimme klang, als würde er mit seinem Sohn sprechen, der ihn bei einer Aufgabe enttäuscht hatte. "Meine Tante hatte Unrecht. Menschen werden nicht ohne Grund mit besonderen Fähigkeiten geboren. Wenn ein Mensch mehr Macht hat als ein anderer, dann sollte dieser Mensch die Herrschaft haben."
Auf Dougs Gesicht zeichnete sich inbrünstige Zustimmung ab. Er glaubte an das, was Hall von sich gab.
"Ich will eine bessere Welt", verkündete Hall. "Eine Welt, die von den Menschen angeführt wird, denen Allah die Kraft dazu gegeben wird. Und ich, ich und meine Mitstreiter, werden euch zu diesem Punkt führen, wir werden euch die Ressourcen und die Möglichkeit geben, damit ihr unter unserer Führung Allahs Willen durchsetzen könnt."
Für das saß Rahel also in der Schlucht. Das Leben meiner Schwester stand auf dem Spiel, weil die Organisation sich in den Kopf gesetzt hatte, dass Allah die Welt verändern wollte, in dem er Menschen Macht über andere gab.
"Meine Schwester", sagte ich. "Sie hatten gesagt, Sie lassen mich und meine Schwester gehen."
Mich interessierte es nicht, ob der alte Mann wirklich glaubte, in seinen letzten Tagen noch die Welt verändern zu können. Es interessierte mich nicht, ob er eine Elite erschaffen wollte, ob er Menschen mit Kräften fatalerweise als etwas Besseres ansah, es interessierte mich noch nicht einmal, dass er sein Tun im Namen Gottes rechtfertigte.
Es interessierte mich, dass Victor, Rahel und ich es lebend aus dieser Situation schafften.
Lorenzo Hall richtete seinen Blick auf mich. "Ich würde dich gehen lassen", sagte er. "Aber du bist immer noch nicht davon überzeugt. Ich habe dir so viel Gelegenheit gegeben, um herausfinden zu können, wie viele wunderbare Dinge du tun könntest, aber du bist immer noch der Meinung, ein normales, bürgerliches Leben würde genug für dich sein. Du, Reva, du gehörst zur Elite. Eine Gabe wie deine- das gab es seit Jahrhunderten nicht mehr! Du bist etwas Besonderes, und wenn ich dich zwingen muss, es anzuerkennen, dann werde ich das tun."
Victor warf mir einen Seitenblick zu. >Denk an Lake.<
Ich konnte mir ziemlich gut vorstellen, wie die rothaarige Frau vor Lachen auf dem Boden wälzen würde, wenn sie das hörte. >Wirst du es ihr erzählen?<
>Lake wird alles für mich tun, damit ich ihr das erzähle.<
Ich hatte nachgefragt. Zwar nicht aus Interesse, doch ich hatte es getan. Und er hatte gestanden, dass seine und Lakes Beziehung nicht auf Umarmen und Kaffeekränzen aufbaute. Victor musste hier lebend rauskommen. Wenn Victor und Rahel zusammen in der Schlucht saßen und ich ein Seil hätte, dass ich von der Klippe hinunterlassen könnte, würde ich es zuerst Victor geben.
"Was haben Sie vor?", fragte Victor. Er versuchte nicht einmal, seinen Argwohn zu verbergen. "Wie wollen Sie sich durchsetzen?"
Hall schürzte die Lippen. "Mich durchsetzen? Was glaubst du, warum ihr hier seid? Du, Victor, du und Reva, ihr werdet euch leiten. Ihr werdet mit unserer Unterstützung eine Revolution starten. Dank Reva sammeln wir immer mehr Geld, auch wenn sie an Mara Andelier gescheitert ist. Reva wird die Söhne des amerikanischen Botschafters in unsere Gewalt bringen. Die Amerikaner werden genug zahlen. Und du wirst anfangen, deine Leute auf unsere Seite zu bringen. Wer sich nicht von deiner Argumentation überzeugen lässt, wird dazu gezwungen. Irgendwann werden sie schon sehen, dass es richtig war. Wir handeln in Allahs Willen. Der Zweck heiligt die Mittel. Sie werden es verstehen, sobald sie die Neue Welt mit eigenen Augen sehen."
"Wie viele haben Sie schon? Wie viele Savants unterstützen Sie?" Victor schaffte es, seine Frage klingen zu lassen, als ob er zumindest darüber nachdenken würde, die Organisation und deren Vorhaben freiwillig zu unterstützen.
Lorenzo Hall war ein kluger Mann. Ich wusste nicht, ob er ernsthafte psychische Probleme hatte, ob es nur das Alter war, doch er war wie in einem Wahn. Er nahm nicht wahr, dass Victor ihn aushorchte anstatt sein Vorhaben zu unterstützen. Er nahm noch nicht einmal wahr, dass seine Zukunftspläne ein fanatischer Irrsinn war.
"Ihr seid mein Anfang", erklärte Hall und breitete die Arme aus. "Als Bohrak dich fand, Reva, hat er mir sofort berichtet. Er hat dein Potential sofort erkannt."
"Meines Wissens nach hat Bohrak Leddison Reva misshandelt", schoss Victor ruppig zurück.
Der alte Mann kniff die Augen zusammen. "Der Mittel heiligt die Zwecke, Victor Benedict. Bohrak hatte Größeres im Blick als Schmerzen. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Reva auf das Leben vorzubereiten. Diese Misshandlung sollte ihr zeigen, welches Leid sie beenden kann, wenn sie mit uns zusammenarbeitet. Das, Reva, das kannst du in der Neuen Welt beenden. Nie wieder müssen die Menschen unter eurer Herrschaft solche Schmerzen erdulden. Es ist eine Schande, dass du Bohrak umgebracht hast. Er hat der Sache so viel geopfert."
Victor trat einen Schritt vor. "Wie könnte ich Ihnen vertrauen, nachdem Sie Reva etwas Derartiges angetan haben?"
Er verhandelte um Rahels Freiheit.
Halls dunkle Augen huschten zwischen uns hin und her. "Etwas Derartiges...? Victor, denk doch mal nach. Alles, was ich tue, ist für euch. Ihr mögt es jetzt noch nicht sehen können, aber alles, was ich jemals angeordnet habe, sollte Reva nur zeigen, dass Allah sie mit der Macht gesegnet hat, solches zu beenden."
"Ich sehe das. Ich sehe, dass Ihre Taten einen Sinn haben, einen höheren Sinn. Aber wie kann ich Ihnen unser beider Leben in die Hände legen, das Leben so vieler anderer Menschen, wenn mir das Vertrauen fehlt? Sie haben Reva schon zu häufig angelogen. Über die Freilassung von ihr und ihrer Schwester, beispielsweise."
Hall betrachtete Victor mit einem fast schon ehrfürchtigen Wohlwollen. "Ich werde die sofortige Entlassung von Rahel anordnen, wenn das dazu führt, dass sie beide mir einen Vertrauensvorschuss schenken können."
Ich konnte Victors Gesicht aus meiner Perspektive nicht sehen, aber seine Haltung veränderte sich kaum merklich. Er spielte mit dem alten Mann. Er spielte verdammt gut.
"Das wäre hilfreich", antwortete er. >Tiger.<
"Bitte." Meine Stimme war kalt, fast schon hochmütig. Victor mochte ein besserer Verhandler sein als ich, doch was das Schauspiel betraf, würde er niemals in meiner Liga spielen.
>Ich werde das beenden.< Ausdruckslos gesagt. Doch alleine die Wortwahl verriet mir, dass es Victor zum persönlichen Anliegen geworden war, die Organisation, Lorenzo Hall im Besonderen, zu vernichten. Es war ihm zum persönlichen Anliegen geworden, denn der Mann hatte es gerechtfertigt, dass er mich ein Jahr lang Vergewaltigung, Prügel, Erniedrigung und Sklaverei ausgesetzt hatte, bis ich mich selbst hatte befreien können.
"Wie kann ich mir sicher sein, dass meine Schwester freikommt?", hakte ich nach.
"Ich kann dir ein Foto zeigen", bot Hall an.
Das war mir nicht genug. "Lassen Sie es mich anders formulieren; wie kann ich mir sicher sein, dass meine Schwester freibleibt?"
"Du kannst mit ihr sprechen. Jeden Tag, wenn es nötig ist."
>Lügt er? Wird er sie freilassen oder nicht?<
Victor streifte meine Taille mit der Hand und ich drückte seinen Finger flüchtig, zu schnell, als das Hall es mitbekommen könnte.
"Ihr habt mich schon einmal mit Rahel erpresst. Als ich mit Victor telefoniert habe, habt ihr das Telefon abgehört. Oder etwa nicht? Woher weiß ich, dass Sie sie nicht bedrohen? Dass Sie ihr nicht vorgeben, was sie zu sagen hat?"
"Sie mal, Reva, ich kann dich nicht freilassen. Nicht, solange du nicht von unserer Sache überzeugt bist. Sobald du sehen kannst, was Victor schon sieht, kannst du woanders leben. Dann kannst du dich jeden Tag versichern, dass es Rahel gut geht, solange du mit uns gemeinsam arbeitest. Ich hoffe, das ist zumindest ein Ansporn für dich, darüber nachzudenken. Wir arbeiten im Willen Gottes, Reva. Du wirst die Menschheit zur Reinheit führen, du wirst das beste aus ihnen holen. Du, du und Victor, ihr werdet ein neues Zeitalter einläuten. Und wir werden dabei eure leitende Hand sein, so wie Allah die unsere ist."
>Ich bin nicht Misty, ich kann dir nicht sagen, ob er lügt oder nicht. Aber er glaubt wirklich an das, was er sagt. Welchen Sinn hätte es für ihn, Rahel jetzt noch gefangen zu halten? Solltest du es herausfinden, hätten sie dich verloren. Andererseits liegt er nicht falsch - wenn sie dich gehen lassen, sobald du wirklich daran glaubst, könntest du bei Rahel sein.<
"Lasst sie frei. Zeigt mir ein Foto. Ich will sie jeden Tag sprechen."
Hall nickte zustimmend. "Das lässt sich einrichten. Doug, wenn ich bitten dürfte."
Doug verschwand wortlos durch die gleiche Tür, durch die Mustaf zuvor den Raum verlassen hatte.
"Wie viele Menschen sind überzeugt? Außer Ihnen, wie viele haben sich Allahs Willen verschrieben?", fragte Victor. Ich konnte keinen Spott in seiner Stimme hören, kein sarkastisches Funkeln in seinen Augen sehen. Er klang neutral, sein Gesicht war offen und interessiert.
Trotzdem fühlte ich nicht die kleinste Andeutung von Zweifel in mir.
Ich vertraute ihm.
Es war mir nicht möglich, Angst vor dem wachsenden Vertrauen zu empfinden, das ich ihm gegenüber aufbaute. Das einzige, das ich fühlen konnte, waren Vertrauen und der Anflug von Dankbarkeit, dass ich ihn noch nicht einmal hatte fragen müssen, für Rahels Freilassung zu kämpfen.
Lorenzo Hall zögerte. Auch er hatte also eine Vertrauensgrenze, auch ihm viel auf, dass Victor essenzielle Fragen stellte. Er wollte Zahlen wissen, Zahlen, die für einen Angriff relevant wären. Doch obwohl der alte Mann klug war, gewann seine Frömmigkeit. Warum sollten Allahs Gesandte sich gegen ihn wenden, der ihnen zum Sieg helfen wollte, der eine Neue Welt erschaffen wollte?
"Wir sind der Anfang. Wir haben auf euch gewartet, auf dich und Tiger. Jemanden, der Kontrolle über Menschen ausüben kann, und jemanden, der Menschen dazu bringen kann, das beste in ihnen zu zeigen. Es gab seit Jahrhunderten keine Identitätswandler mehr. Allah hat uns das Zeichen gesendet, dass die Menschheit bereit ist, in eine bessere Welt geführt zu werden."
>Hat dein Team die Koordinaten?<
>Deshalb habe ich dich angerufen. Wir haben das Telefon geordnet und den Ort getrackt, von dem das Gespräch abgehört wurde. Sie haben es hier in diesem Haus getan.<
"Wie sollen wir die Botschaft verbreiten? Victor kann nicht mit jedem Savant auf dieser Welt reden." Für einen kurzen Moment kam mir die Frage in den Sinn, ob Victor mir gegenüber mit Vertrauensproblemen zu kämpfen hatte. Ob ich selbst ihn mit meiner Darbietung als kritische, aber nicht abgewandte Gläubige überzeugte.
Hall ließ sich schwerfällig auf einen der Stühle am Tisch fallen. Als er seine Beine mit einem Stöhnen auf einen anderen Stuhl verlagerte, sah er weniger wie ein psychisch Kranker aus als einfach wie ein sehr alter Mann, der sich auf seinen Tod vorbereitete.
"Victor wird sich vorarbeiten, bis er einen Ruf erlangt. Alles hat klein angefangen. Aber die Botschaft wird sich verbreiten, du wirst schon sehen. Wenn wir erst mindestens zwanzig Anhänger versammelt haben, können diese mit unserer Botschaft um die Welt fliegen. Selbst das Netzwerk ist nutzbar."
Ich sah, wie ein Muskel an Victors Arm zuckte. Das Netzwerk wurde von seiner Familie gesteuert. Und auch wenn er jedes Mal, wenn er sich in der Nähe seiner Brüder, Eltern und Schwängerinnen befand, abseits und vorsichtig wirkte, wusste ich, dass sie ihm etwas bedeuteten.
"Wie soll ich Liam und Joseph erklären, warum ich sie versetzt habe?"
Hall musste zumindest den Eindruck bekommen, dass ich mir Gedanken darüber machte, wie wir am besten vorgehen sollten. Solange er sich sicher war, dass sowohl Victor als auch ich mit der Idee wärmer wurden, eine Neue Welt zu kreieren, würden sowohl eine Flucht als auch ein Angriff auf das Quartier leichter sein.
"Lass dir was einfallen." Hall lachte. "Dir steht die ganze Welt der Ausreden offen, Reva. Dir wird die ganze Welt offen stehen, sobald ihr erst einmal angefangen habt. Etwas Gutes zu verrichten, sieht am Anfang immer aussichtslos an, aber wenn man sich einfach durch die anfänglichen Jahre durchbeißt, sieht man, was man wirklich bewirken kann. Ihr werdet diese Welt verändern, ihr werdet der Menschheit endlich Frieden bringen."
Victor nahm meine Hand. "Können wir darüber nachdenken?"
Hall nickte. "Freilich, freilich." Nicht eine Sekunde schien er darüber nachzudenken, warum Victor und ich dicht beieinander standen, nachdem er gerade erfahren hatte, dass ich ihn verraten hatte.
"Ich werde dich auf dein Zimmer bringen lassen."
Victor schüttelte den Kopf. "Ich möchte bei Reva bleiben."
Für einen Moment stutzte Hall. Sein Blick fiel auf unsere verschlungenen Finger. "Ich-", fing er an, doch Victor unterbrach ihn. "Sehen Sie, was Sie von uns wollen, bedarf viel Vertrauen von unserer Seite. Wir müssen alles verraten, an das wir geglaubt haben. Als Gegenleistung wäre es das Mindeste, wenn Sie uns das zusammen durchstehen lassen."
Hall blinzelte und glaubte Victor jedes Wort. Er erhob sich ebenso schwerfällig wie er sich niedergelassen hatte, offenbar in Angesicht der Tatsache, dass er all seine Handlanger fortgeschickt hatte. Er verdeckte das Tastenfeld von unseren Blicken, tippte die Zahlen ein und öffnete die Tür. Während Victor und ich ihm den Gang hinunter zu meiner Zelle folgten, ließ ich seine Hand nicht los.
Hall ließ uns zusammen in der Zelle zurück, mit einem weiteren seiner breiten, verrücktem Lächeln. Victor musterte den Raum schnell - die Bücher, die überall herumlagen, die Aufzeichnungen, ein paar vereinzelte Zeichnungen.
"Weiß deine Familie, wo du bist?", fragte ich und schob eine Zeichnung mit dem Fuß unters Bett.
"Lake hatte die Aufgabe, es ihnen zu sagen, sobald ich angekommen bin. Einer meiner Teamkameraden hat sie benachrichtigt." Er drehte sich zu mir um. "Wusstest du von irgendetwas, das er uns gerade erzählt hat, schon vorher?"
Ich schüttelte den Kopf. "Ich war mir sicher, dass ich dich ausliefern soll, damit er dich umbringen kann. Er hat mir versprochen, Rahel und ich kommen so frei. Mehr war für mich nicht wichtig."
"War?"
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, legte meine Arme um seinen Nacken und zog seinen Kopf zu mir heran. Victor küsste mich. Anders als in seinem Aparment ging es nicht darum, ihn von mir zu überzeugen. Ich wusste nicht einmal genau, warum ich ihn küsste. Es war keine Liebe. Vielleicht war es ein Danke dafür, dass er Rahels Freiheit erkauft hatte. Vielleicht war es auch pure Lust.
Die Sonne fiel direkt durch das schräge Dachfenster in den Raum und durch meine geschlossenen Lider fiel rotes Licht. Ich fühlte eine harte Wand in meinem Rücken, aber ich achtete nicht wirklich darauf.
Sein Gewicht lehnte gegen mich, seine Hände waren in meinen Haaren vergraben und sein Mund traf immer wieder hart auf meinen. Mit jedem Kuss kam das Versprechen, dass wir hier rauskommen würden. Dass wir das hier überleben würden.
"Wirst du mir erzählen, was dein Team plant?", wollte ich wissen, lehnte meinen Kopf in den Nacken und spähte ihn unter halbgeschlossenen Lidern an.
Victor verteilte Küsse auf meinem Kinn. In mir stiegen keine Erinnerungen an Bohrak auf, ich bekam keine Panik. Ich genoss es nicht, nicht auf die Art, auf die ich es genießen sollte, aber ich küsste ihn wieder und wieder, ohne darüber nachzudenken, ohne Hintergedanken zu haben.
"Wir arbeiten zusammen. Lügst du mich noch an?", murmelte er an meine Wange. Sein heißer Atem streifte mein Ohr, ich schlang ein Bein um seine Hüften und presste ihn an meinen Körper. Wieder küssten wir uns, atemlos und heftig.
"Nein."
Ich log ihn nicht mehr an. Für mich ergab es keinen Sinn mehr. Victor war zu dem wichtigsten Menschen in meinem Leben geworden, denn auf Rahel konnte ich nicht mehr setzen. Ich war nicht sauer, nicht beleidigt und ich konnte ihre Handlungen nachvollziehen. Doch mein Gehirn war zu sehr darauf trainiert, rational zu denken, als dass ich auf meine Schwester setzen könnte, wenn diese mich im Stich lassen könnte. Victor hingegen hatte mir seinen Wert unter Beweis gestellt.
Und außerdem fühlte ich mich zum ersten Mal seit Ginas Tod sicher.
"Ich werde dir erzählen, was du für wichtig hältst", bestätigte er.
Ich fuhr langsam die Konturen seines Kiefers nach. Ich vertraute ihm. Er war die Person, für die ich alles tun würde, denn ich brauchte eine solche Person. Ohne jemanden, für den ich selbst mich opfern würde, würde ich verloren gehen. Vielleicht würde es mir in den ersten Monaten besser gehen, vielleicht würde ich sogar einige Jahre gut leben können, wenn ich nur für mich lebte, abgeschottet von allem und jedem, doch irgendwann würde es mir zum Verhängnis werden.
Ich setzte also auf Victor Benedict statt auf meine eigene Schwester.
Ich bereute meine Wahl keine Sekunde lang.

Ich wurde von @ylimey04 nominiert, nachdem ich mir ewig lang eingeredet habe, das würde mir niemals wieder passieren. Leider doch.

Regeln:
- Alle Regeln veröffentlichen
- Schreibe 13 Fakten über dich
- Veröffentliche dies innerhalb einer Woche
- Markiere 15 Leute

Fakt 1: Ich kenne keine 15 Leute auf Wattpad - im echten Leben zu meinem Leidwesen schon.
Fakt 2: I'm already running out of facts.
Fakt 3: Ich rede eindeutig zu viel auf Englisch.
Fakt 4: Ich mache zu viel Sport und beschäftige mich zu wenig mit menschlichen Wesen.
Fakt 5: Ich hasse Tiere und alles, was mit ihnen zusammenhängt - Verantwortung, Abhängigkeit, Gestank, Lärm noch vieles mehr.
Fakt 6: Ich habe leider deutlich zu wenig Zeit - hätte der Tag mindestens 3 Stunden mehr, wäre ich mit meinem Leben deutlich zufriedener. (Wobei, das hängt davon ab, ob ich in den 3 Stunden dann auch entsprechend müder sein würde.)
Fakt 7: Ich breche jetzt hier ab, oder? Das interessiert doch eh keine Sau.
Fakt 8: Ich habe den Fakt 7 nur geschrieben, damit ich diesen Fakt 8 schreiben kann und schon zwei Fakten weniger zu schreiben habe.
Fakt 9: Selbst wenn ich 15 Leute auf Wattpad kennen würde, würde ich es diesen Menschen nicht antun, sie zu nominieren - so weit reicht meine Sozialkompetenz noch.
Fakt 10: Ich arbeite an meiner Sozialkompetenz. Es dauert. Und es ist schwer. Aber ich tu's.
Fakt 11: Ich bin mir nicht ganz sicher, wie sich eine harmonische Umgebung anfühlt.
Fakt 12: Eine Freundin von mir, die ich nicht namentlich erwähnen werde, sagt, dass Lake mir in gewissermaßen ähnlich ist. Das ist während des Schreibens von Relieving Lake nicht beabsichtigt gewesen, ich habe nur keine Lust gehabt, meine Meinungen oder Launen grob zu verändern.
Fakt 13: ICH BIN DURCH! ICH HABE ES GESCHAFFT!

Nominierungen gibt's nicht. Wer unbedingt 15 Fakten über das eigene Leben veröffentlichen will, kann das meinetwegen tun.
Neue Regel: Nicht zurückmarkieren.

Reaching Tiger (Die Macht der Seelen-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt