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P.o.V. Julien 

"VIK! ATME, VERDAMMT ATME!"

Immer wieder hörte ich diesen Satz. Immer wieder kreiste er in meinem Kopf, wurde mal leiser, mal lauter, kam immer wieder. Ich weinte, konnte nicht aufhören. Nia hatte es geschrien, bevor ich bewusstlos wurde und ich konnte ihn nicht aus meiner Gedankenwelt verbannen. Ich wollte Viktor nicht verlieren! Er durfte nicht sterben! Ein neuer Schwall Tränen bahnte sich seinen Weg und rann meine Wange hinunter, wurde plötzlich weggewischt. Leicht öffnete ich die Augen, sah eine verschwommene Gestalt. Sie beugte sich über mich und legte ihre Hand auf meine Stirn. "Viktor?"krächzte ich. Die Person schüttelte den Kopf. "Nein, mein Schatz. Ich bins, deine Mutter." Meine Sicht wurde klarer, ich erkannte das Gesicht und setzte mich ruckartig auf. "Mama!" Sie saß an meinem Bett und sah verweint aus. Erleichtert umarmte ich sie. Vik hatte recht gehabt. "Dir geht es gut."murmelte ich und mir traten die Tränen aus den Augen. Sie lebte noch. Ich war gerade unfassbar glücklich, aber gleichzeitig am Boden zerstört. Meiner Mutter ging es gut, aber Viktor nicht. "Ja, mir gehts gut..." Ihr mitleidiger Blick traf mich und sie wuschelte mir durch die Haare. Wir schwiegen eine Weile und es wurde unangenehm still im Raum. "Wo bin ich eigentlich?"fragte ich, um die eingetretene Stille zu durchbrechen. "Im St. Elisabeth Krankenhaus." Ich stockte. "Aber das ist ja..." "An der Oberfläche."sie lächelte mich an. "Sie haben dich hierher gebracht, weil du so schnell wie möglich behandelt werden musstest. Alle waren damit einverstanden. Im übrigen warst du eine ganze Zeit bewusstlos. Einanhalb Wochen." "Und Vik? Wie gehts ihm?" Ihr leichtes Lächeln verschwand und sie schwieg. "Wie geht es Viktor?" Immer noch keine Antwort. "Mama...wie geht es ihm?!"flüsterte ich nachdrücklich, da meine Stimme versagte. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und ich musste wieder gegen die Tränen ankämpfen. Meine Mutter schüttelte nur den Kopf, rang eine Weile mit sich selbst bis sie leise sagte: "Er liegt auf der Intensivstation und in der Zeit, in der du  bewusstlos warst, hat sich sein Zustand nicht wirklich verbessert. Er... Julien!" rief sie mir noch hinterher, als ich aus dem Zimmer stürmte. Ein paar mal legte ich mich lang, weil ich zu lange gelegen hatte. Nachdem ich durch zwei Stationen gehechtet war, wurde ich von einem Arzt aufgehalten, der sich mir in den Weg stellte. Ich erkannte nach einem kurzen Moment Fred. "Ju, was machst du hier? Du solltest im Bett bleiben. Du bist noch nicht so fit, wie du vielleicht denkst!" Er versuchte, mich wieder zu meinem Zimmer zu schieben, doch ich wandte mich aus seinem Griff. "Fred, bitte! Wo ist Viktor? Ich...ich will ihn sehen!"flehte ich, aber er schüttelte nur den Kopf. "Geht nicht, Ju. Leg dich wieder hin." "Nein!"schrie ich und Fred wich zurück. "Frédéric. Ich will ihn nur sehen. Ich will wissen, wie es ihm geht. Ich höre immer wieder, wie ihr schreit, dass er atmen soll. Ich...bitte!" Meine Stimme wurde immer leiser und Fred sah mich zweifelnd an, führte mich dann aber auf eine anliegende Station und schob mich sanft in ein Zimmer. "Halbe Stunde."murmelte er noch und zog ab.

Ich drehte mich um und sah ihn. Viktor lag auf einem Bett. Beatmungsmaske im Gesicht. Schläuche, die ihm aus dem Arm kamen, ein piependes Ding neben seinem Bett. Langsam ging ich auf das Bett zu und kniete mich daneben. Seine Lieder waren leicht geöffnet und ich sah seine orangenen Augen. Nur leuchteten sie nicht so wie sie es sonst taten, sondern waren matt und glanzlos. "Vik..." Ich brachte nicht mehr als ein klägliches Wimmern zustande, krallte mich in das Laken und strich ihm die Haare aus der blassen Stirn. Den Atem anhaltend beugte ich mich über ihn und küsste sie. Eine heiße Träne tropfte auf sein Gesicht und ich zog meinem Freund kurz die Maske vom Gesicht, um meine Lippen auf die seinen zu legen. Ich spürte, wie Viktor kurz erwiderte, doch ich entschied,dass es nur Einbildung gewesen sein muss. Ich beobachtete ihn noch eine Weile, weinte lautlos vor mich hin, verließ fluchtartig sein Zimmer. Es war meine Schuld! Allein meine! Wegen mir war er in diesem Zustand! Kraftlos lehnte ich mich gegen eine Wand und ließ mich auf den kalten Boden sinken. Alles verschwamm, aber es waren keine Tränen, die meine Sicht verschleierten, sondern was anderes. Alles klang dumpf. Und als eine gewisse Übelkeit einsetzte, wusste ich, was mit mir los war. 

Das M-Tox wirkte wieder. 

Mutant-City [Jublali]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt