Unsere Vergangenheit

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"Erzähl mir alles... "

Er trinkt einen Schluck Tee. "Vor acht Jahren kamt ihr zu mir, zwei kleine Waisenkinder, ohne Eltern, ohne Heim, ohne Geld und ohne eine Staatsbürgerschaft. Ihr beide hattet nichts. Deine Schwester konnte kaum Englisch und doch konnte sie sich verständigen. Sie machte das eben mit Händen und Füßen. Du hingegen konntest Englisch warst aber zu schüchtern und zu stur um es zu benutzen." er zeigte ein Bild. Auf dem Bild war ich zu erkennen, abgemagert und mit kaltem Blick in die Kamera. Meine Kleidung ist zerrissen und voller Schmutz. Meine Beine Voller Schrammen und blauer Flecken, meine Körper so dünn das es aussieht als könnte mich eine Windböe vom Fleck zerren. Meine Haare sind nicht wirklich blond eher schmutzig blond. Ich habe die Arme vor der Brust verschränkt. "Katie hat dich viel gelehrt. Auf dem Bild bist du sieben Jahre alt. Wir haben die Klamotten entsorgt die du auf dem Bild trägst, weißt du noch wie wir zusammen zur großen Tonne hinter dem Haus gegangen sind und ich dir erklärt habe, dass alle schlimmen Dinge die ihr erlebt habt, mit den alten Klamotten verschwinden? Und das ihr dann sicher seid wenn sie weg sind?" ich nicke, an die Geschichte kann ich mich erinnern. Ich schließe die Augen einen Moment und sehe ihn vor mir stehen. Der Mann der uns alles zum Leben gegeben hat. Damals noch so jung und doch so alt. Der Mann der mir die Angst vor der Freiheit und vor der Dunkelheit genommen hat. Der Mann der uns gezeigt hat, das alles schlechte sich zum guten wendet, wenn man nur lange genug durchhält und daran glaubt. Hitze steigt in mir auf. "Erzähl mir mehr..." flüstere ich mit zitternder Stimme. er drück wieder den Knopf. "Hier war ihr beiden das erste Mal in meiner Wohnung. Sie schien für euch so groß und ihr habt verloren gewirkt. Ihr wart noch so klein und zierlich. Du bist mir damals nur bis zur Hüfte gegangen, jetzt überagst du mich um einen Kopf." Ich mag es wenn er erzählt, seine Stimme erzählt von Geborgenheit, von Sicherheit, von Frieden und Ruhe. Jedes Wort das er sagt gibt Sinn. Jeder Atemzug den er macht vervollständigt die Geschichte. Denn nur wer Atmet, der lebt. "Ihr wart anfangs eingeschüchtert, ihr habt euch das Kleineste Zimmer ausgesucht und euch darin noch eine Höhle gebaut in der ihr euch dann schlafen gelegt habt oder gespielt habt. Wenn es Abendessen gab habt ihr es runtergeschlugen und was ihr gegessen habt war sehr wenig. Nicht mal eine Handvoll am Tag. Ich habe mir die Zeit genommen mich um euch beide zu kümmern, vielleicht erinnerst du dich noch an das Rothaarige Mädchen das früher im Cafe gearbeitet hat. Sie war meine Tochter, Emely. Emely hat euch das Lesen und das Schreiben unserer Sprache beigebracht. Und Das Cafe übernommen, als ich in der anfangs Zeit mit euch zum Artz oder aufs Amt gegangen bin. Es hat nicht lange gedauert da habt ihr mir vertraut. Vor allem deine Schwester, das hat dir damals ziemlich Angst gemacht. Es gibt ein kleines Video dazu... willst du es sehen?" ich starre auf das Bild von der Höhle in dem kleinen Zimmer neben dem Bad. Ich sitze neben Katie. Wir beide sind zusammen gekauert über einem Blatt, wir beide haben uns einen Stift rausgesucht. Auf dem Blatt sind irgenwelche Zeichen. Ich erkenne die Decke wieder die Wir als Zeltdach benutzt haben, diese Decke habe ich immer noch, sie ist als Tagesdecke immer über meinen normalen Bettsachen. "Zeig mir nur Bilder. Videos wann anders." ich bin immer noch abwesend. Er skippt weiter. Jetzt taucht ein Bild von Katie auf da ist sie schon etwas älter mindestens zwei Jahre. In ihrer Hand hat sie eine Schultasche, sie trägt eine kurze Hose und ein buntes T-Shirt. Eine kleine Kette hängt um Ihren Hals. Am Samstag hatte sie diese Kette nicht an. Sie behauptet es sei ein Geschenk unserer Eltern gewesen, doch ich kann mich ja so gut wie gar nicht an unsere Eltern erinnern. Aber auch ich habe so eine Kette, ich trage sie nur nie um sie nicht kaputt zu machen. Allein der Gedanke das sie von unseren leiblichen Eltern sind macht sie heilig. "Da ist deine Schwester, das ist ihr erster Schultag gewesen. Sie war gelangweilt, weil sie im Kopf schön sehr viel weiter war als man denken würde. Die Schule hat sie innerhalb von zwei Jahren durch gehabt und das obwohl sie kaum Englisch konnte. Sie hat jedes Fach einfach gemeistert. Doch statt weiter zur Schule zu gehen hat sie sich einen Job gesucht... einen Job der sie ins Gefängnis gebracht hat. Doch sie war gut in ihrem Geschäft. Man darf sagen sie war eine der besten und das im einen Alter von zehn Jahren. Sie hat Geld nach Hause gebracht das ich dir die Schule finanzieren kann, dass ich das Cafe nicht schließen muss. Wir haben sie nie gefragt was sie macht und wo sie sich herumtreibt selbst dann nicht wenn sie voller Blut und Dreck war, und Blutergüsse ihre Arme und Beine zierten. Du bist zur Schule gegangen Hast die Grundschule mit best Noten bestanden und hast deinen Weg weiter beschritten während sie uns beide mit allem unterstützt hat." er skippt wieder weiter. Ein Bild wo ich vor der Schule sitze, ich warte, neben mir sitzt ein Junge. Er ist etwas größer als ich und sieht gesund aus im Gegensatz zu mir. Er hat ein breites Lächeln im Gesicht und hebt mir seine Vesperdose hin. Das erste Bild von dir und Taemin. Das war der Tag wo Katie wegen einem Unfall nicht kommen konnte. Man hat mich angerufen und gefragt ob ich dich stattdessen abholen kann. Ich habe nicht Nein gesagt und habe mir erlaubt ein Bild von euch zu machen. Taemin war begeistert als ich vorgeschlagen habe ob er mit uns mitkommt und bei uns Mittag isst. Seine Mutter kam auch vorbei und besuchte uns. Ihr beiden wart beschäftigt hinterm Haus auf den Spielplatz zu spielen, während dessen habe ich uns erwachsenen einen Tee gekocht und Obst geholt das ich während dem Gespräch mit Taemin's Mutter geschnitten habe. Deine Schwester kam dann gegen Nachmittag nach Hause, sie sah nicht sehr gut aus. Wieder voller Blut Blauerflecken und in zerissenen Klamotten. Sie hat sich an uns vorbei geschlichen damit es Taemin's Mutter nicht merkt. Doch am Abend nachdem sie gegangen sind ist sie aus eurem Zimmer gekommen um mit mir zu sprechen. Du hättest eigentlich schon im Bett sein sollen, doch wie du warst hast Du dir Sorgen um sie gemacht. Und als du sie dann gesehen hast in ihren zerrissenen blutigen Sachen, da hast du angefangen zu weinen und sie zu drücken." Das nächste Bild zeigte genau die Szene die er mir gerade erzählt hat. Zuerst der Spielplatz mit mir und Taemin und dann wie ich Katie zu erdrücken drohe. Auf dem Bild kleben ihre Haare zusammen voller Blut und ihre Klamotten sind wirklich sehr kaputt. Ich habe sie trotzdem im Arm. Unter dem ganzen Blut kann man ein Lächeln sehen. Ihre Hand liegt auf meinem Kopf. "Sie hat sich in den Arm genommen und einfach stumm festgehalten. So lange bis du aufgehört hast zu weinen." Ich starre das Bild an, Tränen fließen über meine Wangen. Meine Hände zittern. Allein deshalb als mir bewusst wird, wie schön sie mir meine Kindheit gemacht hat und ich ihr nicht mal sagen konnte wie dankbar ich ihr deshalb bin. Was noch mehr weh tut, der Gedanke sie eventuell jetzt ganz verloren zu haben. Als ich erfahren habe das sie im Gefängnis ist war das für mich deshalb okay, weil ich eine Hoffnung hatte, die Hoffnung und das Wissen das sie in ein paar Jahren wieder an meiner Seite ist. Diesen Halt habe ich jetzt nicht mehr. "Renji..." Er will etwas sagen, doch ihm scheinen die richtigen Worte zu fehlen. Ich starre das Bild immer noch an. "Ich glaube wir lassen das für heute.." sagt er milde. Er geht zu den Fenstern und zieht die Vorhänge wieder auf. Sonne flutet den Raum. Das Bild an der Wand wird blass. Wie eine vergessene Erinnerung. Er schaltet den Projektor aus, packt ihn wieder in einen Karton und dann wieder auf den Schrank. "Trink etwas..." Er schenkt mir Tee nach. "Ich habe Angst..." flüstere ich. Meine eigenen Worte machen mir Sorgen, obwohl ich genau das fühle: Angst. Angst vor der Einsamkeit. Angst bald niemand mehr zu haben. "Du musst keine Angst haben. Leben ist ein Spiel für jeden, und jeder hat Höhen und Tiefen, bei jedem gehen und kommen die Menschen. Du wirst nicht alleine sein. Niemand ist je alleine. Selbst dann nicht wenn du denkst das es so ist." Er geht in die Küche. Dann kommt er wieder mit etwas in der Hand. "Hier, das macht gute Laune." Er drückt mir einen kleinen Teller in die Hand, darauf steht ein Schokoladenmuffin ich wische mir die Tränen weg "Gute Laune sagst du...?" Ich schaue skeptisch vom Muffin zu dem Alten. "Ja. Gute Laune vertrau mir." Ich muss etwas grinsen "Nicht das das jetzt ein Hasch-Muffin ist" der Alte lacht. Er lacht mit Leib und Seele, eine Sache die ich bei ihm selten gesehen habe. Ich muss mit lachen "Nein so etwas backe ich nicht, aber ich muss zugeben bei meiner Aussage gerade klang das wirklich so." Er beruhigte sich wieder. "Nein das ist mein momentaniges Monats Dessert im Cafe. Iss es mit der Gabel das ist besser." Ich grinse immer noch vor mich hin. Dann steche ich meine Gabel in den Muffin und mir fällt die Kinnlade herunter, ein Muffin mit Schokoladencreme Füllung! Sowas macht in der Tat Glücklich. Ich stecke mir den ersten Bissen gierig in den Mund. Das war der leckerste Muffin der mir je untergekommen ist. Man muss dazusagen ich bin nicht gut im kochen und backen, Jackson auch nicht und Katie fackelt eher die Küche ab statt was essbares zu machen. Deswegen ist alles besser als das was ich mache. "Ren. Willst du die vielleicht etwas nebenher verdienen? Du könntest bei mir Kellnern." Ich schaue von meinem Muffin auf "Wieff viel wüffest Du mir fahlen?" Er schaut mich amüsiert an. "Du könntest vierhundert im Monat bekommen..." Ich überlege. "Zu weniff" antworte ich ihm wieder mit vollem Mund. "Darf verdiene iff auff jeff fon" der Alte stützt sich auf den Tisch ab. "Was sagst du zu fünfhundert?" Ich schlucke runter "Ich glaube wir haben einen Deal." Er lächelt und nimmt meine Hand entgegen. Ich esse meinen vermeintlichen Hasch-Muffin auf und schaue dem Alten Mann zu, wie er Papiere zusammen sammelt und ordnet. Dokumente unterschreibt und beiseite legt. "Hier ist ein Vertrag. Du musst nur unterschreiben." Ich nicke und lese den Vertrag durch. Es hat alles seinen Rechtlichen Bestand. "Darf ich einen Stift haben sonst kann ich den Vertrag nicht rechtsgültig machen." Informiere ich ihn. Er gibt mir einen Kugelschreiber und beobachtet mich beim unterzeichnen. Dann gebe ich ihm Kugelschreiber, sowie Den Vertrag zurück. "Anfang nächsten Monats tritt der Vertrag in Kraft. Also noch zwei Wochen." Ich nicke. Es klopft gegen die Wohnungstür. Er begibt sich in Richtung der Tür und öffnet. "Ja bitte? Sara, was gibt es denn?" Ich höre die gedämpfte Stimme der jungen Frau von vorher. Ich stehe auf un etwas hin und her zu laufen, es ist lange her das ich hier war. Und mir tut mein Hintern weh vom Sitzen. Ich gehe die kurzen Gänge durch die Wohnung, früher kamen sie uns ewig lang vor. Als Kind empfindet man das alles als größer und länger, weil man kleiner war. Jetzt sind es zwei große Schritte zwischen unserem Alten Kinderzimmer und dem Bad. Das Zimmer sieht immer noch so aus wie damals als ich dann ausgezogen bin. Es hat sich nichts verändert. Der Alte hat auch nichts verändert. Ich gehe an das Fenster und schaue auf die Straße raus. Die Sonne scheint, Kinder spielen hinter dem Haus auf dem Alten Spielplatz, ihr kreischen, schreien und lachen dringt durch die undichten Fenster. "Er hat nichts verändert..." flüstere ich zu mir selbst. Ich schaue noch etwas nach draußen. "Ren? Gib mir den Krankenbescheid, dann unterschreiben ich ihn dir." Ich folge ihn wieder ins Wohnzimmer und hole den Block mit dem Krankenbescheid heraus. Er unterschreibt ihn und gibt als Grund Übelkeit und Kopfschmerzen an. "Was machst du jetzt noch?" Fragt er als er mir den Block übergibt. "Ich wollte Frühstücken und vielleicht Stephanie besuchen gehen." Er mustert mich noch einmal, dann klopft er mir auf die Schulter. "Mach das. Und erhol dich gut." Er begleitet mich zur Tür und lässt mir an einen freien Tisch am Fenster ein Frühstück bringen. Die Junge Frau von vorher bringt es mir. "Tut mir leid wegen der Sache von vorhin." sagt sie beschämt. "Alles gut, war ja eher meine Schuld." Sie lächelt mich an wünscht mir einen guten Appetit und geht wieder. Ich hätte mein Handy doch mitnehmen sollen. Dann hätte ich Stephanie fragen können ob sie in der Stadt ist. Egal. Ich schaue später einfach nach, entweder sie ist da oder nicht. Ich esse mein kostenloses Frühstück auf und begebe mich dann wieder nach draußen. Die Sonne hat die Luft aufgewärmt. Mittlerweile ist es warm genug um im T-Shirt herum zu laufen. Ich ziehe meine Jacke aus und trage sie so herum. Jetzt verdeckt zwar nichts mein Gesicht, aber gerade ist mir das echt egal. Gedankenverloren schlendere ich durch den Park der sich hier erstreckt. Es ist der selbe Park den ich mit Jaehyung durchquert habe als wir zu mir gegangen sind. Doch jetzt sind außer ein paar Alten Menschen und Hundebesitzern keinerlei gestalten zu sehen. Wenn ich den Park über die andere Straße überquere komme ich zu der Bar in der Stephanie immer haust wenn sie gerade mal nicht arbeitet. Aber ich schaue erstmal in ihrer 'Firma' vorbei. Ich gehe in Richtung Bar. Vor der Bar biege ich in eine Seitengasse ein, am Ende der Gasse ist eine große Straße, diese wiederum ist verlassen und wirkt wie in einer Geisterstadt. Ich laufe mit entschlossenen Schritten die Straße entlang und komme dann an ein riesiges Gebäude. Der Haupttrakt der Firma die Stephanie gegründet hat. Ich drücke die Klingel am Eingangstor. "Ja wer ist da?" Meldet sich eine krächzende Stimme. "Hier ist Ren Choi, ich möchte zu Stephanie." Mir fällt gerade auf das ich ihren Nachnamen gar nicht kenne... "Einen Moment Mr. Ich muss schauen ob die Chefin im Haus ist." Die Gegensprechanlage knackt. Ich warte einige Minuten. "Sie ist im Haus, es ist gewünscht das sie direkt in Ihr Büro kommen. Man holt sie am Tor ab, einen Moment Geduld bitte." Ich nicke nur kurz auch für mich als Bestätigung, dann warte ich. "Renji?" Fragt eine verdutzte Stimme. Ich gebe meinen Blick von Boden und starre in das Gesicht von Kai. "Renji bist du es wirklich?" Sie öffnet das Tor und drückt mich Brüderlich an sich. "Du bist groß geworden" sagt sie dann und mustert mich. Dann schließt sie das Tor gibt Er uns. "Dann komm mal mit die Chefin will dich für sich allein im Büro haben." Sie grinst eines ihrer frechen Grinsen und führt mich über das Gelände in den Haupttrakt, durch den Haupttrakt folgen wir einigen verzweigten Gängen bis wir vor einer knall roten Tür halt machen. Kai klopft an die Tür. Erst tut sich nichts dann sagt eine abgesenkte Stimme "Herein" Kai öffnet und tritt vor mir in den Raum. "Danke Kai du kannst gehen und vergiss bitte nicht die Briefe zur Post zu bringen, die müssen heute raus." Kai nickt dreht sich zur Tür und zwinkert mir noch zu. Dann ist sie weg. "Ren. Alles okay bei dir?" Sie zeigt auf den Stuhl ihr gegenüber am Schreibtisch. "Okay würde ich nicht sagen... Hast du was neues über Katie gehört?" Sie zögert. "Nun ja..."

Fake Love - Lost forever?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt