Friedlich

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Friedliches häusliches Glück.

Das war es, was Mycroft empfand, als er am nächsten Morgen mit Gregory am Frühstückstisch saß. Sie hatten Rühreier mit Bacon auf ihren Tellern, was Mycroft mit einem Seufzen quittierte:

Ein Seufzer der Sorge, wenn er an die Kalorien dachte und doch ein Seufzer des Genusses. Bacon und Rührei waren nun mal köstlich, zumal wenn sie von Gregory zubereitet wurden.

Gregory war der unangefochtene Herr in ihrer Küche. Mycroft war jederzeit gerne bereit, ihm zu helfen und Handreichungen zu leisten. Aber dass er selber sich in der Küche versuchte, das hatte schon zu ein paar Situationen geführt, die man in späteren Jahren zu den „weißt du noch wie du fast die Küche abgefackelt hast?" -Stories zählen und auf Familienfeiern nach ein paar Gläsern Alkohol zum besten geben konnte. Von daher war dieses Thema im gegenseitigen Einverständnis zu den Akten gelegt worden und wenn Mycroft Gregory einmal mit gutem Essen verwöhnen wollte, ließ er es von einem exquisiten Restaurant liefern.

Im allgemeinen jedoch genoss er es wesentlich mehr, wenn Gregory kochte; der wiederum tat das gern und so war ihm die Küche, die auf Mycrofts Betreiben hin geradezu luxuriös ausgestattet worden war, komplett überlassen.

Als Gregory nach dem Frühstück darum bat, gemeinsam mit Mycroft über den nahegelegenen Wochenmarkt zu schlendern, denn er liebte das, war Mycroft auch sofort dazu bereit.

„Was soll ich uns heute kochen?", fragte Greg. „Hast du einen Wunsch?"

Mycroft wurde ein wenig rot – das war etwas, was auch nur Gregory bei ihm hervorrufen konnte – und sagte:

„Dieses Pastagericht, das du für uns gekocht hast, bei unserem ersten Date."

„Du meinst Spaghetti alla Puttanesca?"

„Ja, genau."

Greg schmunzelte. Ja, das war eine gute Idee. Das Gericht war nicht nur lecker, sondern auch voller schöner Erinnerungen für sie beide. Also bestens geeignet für einen schönen Abend...

Nun wurde er selber auch ein wenig rot.

Also schlenderten sie los, nachdem Mycroft die Küche aufgeräumt hatte. Das war seine Aufgabe. Er bestand darauf, da Gregory kochte, den Aufwasch zu übernehmen und nach den Mahlzeiten für Ordnung zu sorgen. Früher hatte das alles sein Personal erledigt, aber seit er mit Gregory zusammen in ihrem Haus lebte, gab es dieses Personal nicht mehr. Greg hatte sich schlichtweg geweigert, Leute im Hause zu haben, „die jedem meiner Schritte hinterherschnüffeln", so hatte er es ausgedrückt.

Nun, erstaunlicherweise hatte Mycroft festgestellt, dass er für Gregory zu einer Menge Kompromisse bereit war und dass es ihm nicht fehlte. Im Gegenteil, er genoss diese ungestörte Zweisamkeit mehr, als er je für möglich gehalten hatte.

Der Wochenmarkt war der gleiche, den Gregory schon aufgesucht hatte, als er noch allein in seiner Wohnung gelebt hatte.

Mycroft erinnerte sich noch genau an jenen Tag, als Greg ihn das erste mal dorthin mitgenommen hatte.

Greg war auf dem Markt bekannt und beliebt; er hielt hier ein Schwätzchen und dort einen kurzen Plausch; er hatte seine Lieblingsmarktstände und pflegte einen freundschaftlichen Umgang mit den Besitzern.

Sein Gesicht hatte an jenem Tag gestrahlt wie die Morgensonne und er schien vor Stolz geradezu zu platzen, als er ihn, Mycroft, überall liebevoll als seinen Partner vorstellte. Man hatte ihn auch gleich ins Herz geschlossen, weil er Gregs Partner war und man allgemein der Meinung war, der Freund eines so freundlichen, hilfsbereiten Mannes wie Greg musste ein ebenso gutes Herz haben.

Als sie das Haus verlassen wollten, um sich auf den Weg zum Markt zu machen, zog Greg die Augenbrauen hoch.

„Was ist?", fragte Mycroft.

„Nun ... ich denke, vielleicht ... könntest du diesmal versuchen, etwas lockerer mit mir loszugehen?"

Mycroft wusste nicht, was sein Freund meinte.

„Der Anzug!", sagte Gregory. „Ich würde es ziemlich gut finden, wenn du die Jeans und den Pullover von gestern Abend ..."

„Nein, Gregory!", Mycroft schüttelte den Kopf. „Das kommt ja überhaupt nicht in Frage!"

Gregory seufzte. Er setzte den als äußerst wirksam erprobten Hundewelpenblick auf, dem Mycroft normalerweise nicht widerstehen konnte.

„Aber, Gregory, das ist doch Bekleidung für zu Hause, so kann ich doch nicht auf die Straße!"

„Ach komm schon! Es ist Wochenende, wir haben Freizeit. Keine politische Konferenz oder so, sondern nur mit deinem Lebensgefährten bummeln gehen. Bitte, Myke!"

Gregory legte noch eine kleine Portion mehr „Bitte, bitte!" in den Blick aus seinen kaffeebraunen Augen.

Mycroft seufzte.

„Ach Greg, was machst du nur mit mir."

Und dann, nach einigem Zögern:

„Gut, aber dann wird mein Lebensgefährte noch einen Augenblick warten müssen, bis ich umgezogen bin."

Gregory strahlte. Er schenkte ihm einen schnellen, kleinen Kuss und flüsterte ihm ins ein Ohr:

„Ich könnte mir vorstellen, dass dein äußerst erfreuter Lebensgefährte dich dafür später noch belohnt, und ich bin mir sicher, dass er dabei nicht an eine Portion Zuckerwatte denkt ..."

Mycroft schnaubte amüsiert, und dann machte er sich auf den Weg zurück ins Ankleidezimmer.

Wenig später schlenderten sie Hand in Hand an den Marktständen vorbei.

Greg prüfte sorgfältig die Waren, bevor er sich entschied. Er war dafür, lieber weniger einzukaufen, dafür aber von erstklassiger Qualität. Gerade bei frischem Gemüse legte er großen Wert darauf. So besorgten sie gemeinsam alles, was sie für das heutige Pastagericht und für ein würziges Curry für den morgigen Tag benötigten. Greg bezahlte alles aus dem gemeinsamen Haushaltsportemonnaie. Das war auch so eine Sache, auf die Greg bestand. Natürlich war Mycrofts Einkommen um ein vielfaches höher als seines, und er hätte mit Freuden alle Kosten, die für ihr gemeinsames Leben anfielen, bestritten. Aber das hatte Greg von Anfang an nicht zugelassen. Er verdiente selber nicht schlecht, und es war ihm wichtig, seine Unabhängigkeit zu wahren. Er wollte, dass für jedermann jederzeit klar war, dass er mit Mycroft ausschließlich deswegen zusammen war, weil er ihn liebte. Und nicht, weil er von ihm profitierte. Er hatte seine Selbstachtung, und die war ihm wichtig. Und Mycroft respektierte das.

Sie tranken einen Espresso, während sie den anderen Menschen beim Einkauf zusahen.

„Danke", sagte Greg.

„Danke? Wofür?"

„Dafür, dass du das alles ...", und Greg ließ seine Hand eine weit schweifende Gesten vollführen, „ ... mit mir gemeinsam machst."

„Gregory ... dafür musst du nicht danken. Ich möchte dir danken, dass du mir all diese Dinge zeigst. All das, was eine Beziehung ausmacht. All diese ganz gewöhnlichen Dinge, die für mich doch etwas besonderes sind, weil ich sie vorher nie getan habe und weil ich sie mit dir tue. Und alles, was ich mit dir gemeinsam tue, ist etwas besonderes."

Gregory strahlte erneut und neigte sich zu Mycroft, um ihn zu küssen.

Sie versanken in einen langen, zärtlichen Kuss, der nach süßem Espresso, Herbstluft und Liebe schmeckte. Es war wunderschön.

Es war der perfekte Abschluss für einen wunderbaren Vormittag.

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