Eine Woche später saß Mycroft Holmes in seinem Büro in der City, als es an die Tür klopfte, die sofort darauf geöffnet wurde. Es war Anthea, Mycrofts unschätzbare Assistentin und somit auch die einzige, die sich ein derartiges Verhalten leisten konnte.
„Mr. Holmes?", sagte sie fragend.
„Was ist, Anthea?", Mycroft war alarmiert, denn auch wenn Anthea so hereinplatzen durfte, war das doch etwas, was sie selten tat, und es war im allgemeinen mit eher unangenehmen Nachrichten verbunden.
„Ist irgendetwas mit Sherlock?"
Ja, obwohl sich sein kleiner Bruder in der Zeit mit dem guten John sehr gefestigt hatte, war das immer noch der erste Gedanke, der ihn befiel, wenn es um zu erwartende Hiobsbotschaften ging.
Er konnte eben nicht aus seiner Haut als großer Bruder.
„Nein, Sir. Detektiv Inspector Lestrade hat angerufen. Er bittet Sie, nach Hause zu kommen. Es sei dringend."
Schon während ihrer Worte war Mycroft aufgesprungen und hatte zu seinem Mantel gegriffen. Wenn Gregory ihn auf der Arbeit anrief und nach Hause bat, musste etwas passiert sein. Gregory achtete seinen Job ebenso, wir er es umgekehrt auch tat. Die Arbeit ging einfach vor und keiner von beiden mischte sich bei dem anderen ein. Wenn doch einmal, so wie jetzt, dann musste es schwerwiegende Gründe geben.
„Bitte sagen Sie die Termine für den Rest des Tages ab", rief er Anthea noch im Hinausstürmen zu. „ Ich werde Sie auf dem laufenden halten. Ach, und Anthea, mein Wagen ..."
„Schon erledigt. Wartet bereits auf Sie in der Tiefgarage". sagte seine Assistentin. Sie schaute Mycroft hinterher, der sich nicht mehr nach ihr umdrehte. Daher entging ihm auch das feine Lächeln, dass um ihre Lippen spielte.
„Nach Hause, so schnell wie möglich", sagte er zu seinem Fahrer und lehnte sich zurück in die Polster des Fonds.
Er wusste, dass er den Mann nun nicht mehr würde antreiben müssen. Seine Leute waren alle hochprofessionell, so auch der Fahrer seines Wagens, der nun mit der größtmöglichen Geschwindigkeit, allerdings auch unter Einhaltung einer vernünftigen und somit nicht gesundheitsbedrohenden Fahrweise dem Ziel entgegen streben würde.
Trotzdem schien es ihm, als würden sie durch den nachmittäglichen Verkehr geradezu hindurch schleichen. Er tippte unruhig mit den Fingerspitzen auf seinen Unterarm. Herr Gott nochmal, warum fuhren die anderen auch wie die Schnecken!
Er atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe.
Gleichzeitig versuchte er, Gregory auf seinem Handy anzurufen. Der ging jedoch nicht dran. Das war nicht gerade beruhigend. Sicher, es kam durchaus vor, dass Greg nicht dran gehen konnte, wenn er auf Arbeit war. Da gab es immer mal wieder Konferenzen, Verhöre oder was auch immer, die es ihm unmöglich machten, ein Telefongespräch anzunehmen.
Aber jetzt, da er doch zu Hause war?
Mycroft beschlich wirtlich große Sorge, je länger die ganze Sache dauerte.
Da klingelte sein Telefon. Zu seiner Überraschung erkannte er Sherlocks Nummer.
Er ging dran.
„Ja?"
„Hallo Bruderherz", hörte er Sherlocks etwas spöttische Stimme.
„Ich nehme an, du bist inzwischen auf dem Weg nach Hause?"
Mycroft schnaufte.
„Woher weißt du ...?"
„Nun, dein DI hat mich angerufen. Und er hat mir gesagt, ich soll dich anrufen, um dich ein bisschen zu beruhigen."
Mycroft atmete aus.
„Und dann", sagte Sherlock, „ soll ich dir folgendes sagen, Moment, ich habe hier einen Zettel ... ah da ist er ja. Also. Erstens, mach dir keine Sorgen, es ist alles in Ordnung. Zweitens, sag deinem Fahrer, er soll vernünftig fahren. Drittens, keine Zigaretten im Auto! Und viertens, mach dir keine Sorgen, es ist alles in Ordnung."
Sherlock kicherte. „Wie es aussieht, kennt dein ... Darling dich ziemlich gut, was?"
„Sei bloß still", knurrte Mycroft, „dein Doktor hat dich auch ganz schön an der Kandare."
„Touchè", sagte Sherlock, „das hat er tatsächlich."
Und man hörte eine weiche Zärtlichkeit in seiner Stimme.
Mycroft musste schmunzeln.
„Nun, wie es aussieht, haben wir wohl beide unseren Goldfisch gefunden, was, Bruder?"
„Ja", antwortete der jüngere. „Lass sie uns gut füttern und pflegen, damit sie uns nicht davon schwimmen."
Nun musste Mycroft lachen, und er war Sherlock wirklich dankbar für den Anruf, denn nun fühlte er sich weit weniger beunruhigt.
„Also dann", sagte Sherlock, „ich habe zu tun. Halt mich auf dem laufenden, Bruder."
Und schon hatte er aufgelegt.
Mycroft schmunzelte.
Ja, dachte er, es fühlte sich einfach gut an, mit Sherlock eine Art brüderliches Verhältnis gefunden zu haben. Natürlich zickten und spotteten sie übereinander wie eh und je, aber ... sie versteckten es nicht mehr ganz so tief, dass sie einander im Grunde doch mochten.
John und Greg hatten daran sicher ihren entscheidenden Anteil.
Greg.
Was Gregory wohl von ihm wollte?
Dem Telefonat mit Sherlock nach war wohl nichts schlimmes passiert.
Aber was war es dann, was seinen Lebensgefährten veranlasst hatte, ihn mitten am Tag aus seinem Büro nach Hause zu rufen?
Er hatte nicht die geringste Ahnung. Auch etwas, was wieder nur Greg fertig brachte. Jeden anderen hätte er genügend durchschaut, dass er genau gewusst hätte, was anstand.
Aber Greg ...
Er lehnte sich erneut in den Fond des Wagens zurück und war erleichtert, als das Fahrzeug schließlich endlich in die Garagenauffahrt ihres gemeinsamen Hauses abbog.
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Bauchschmerzen
FanfictionMycroft und Greg lieben sich. Sie leben zusammen. Sie halten zusammen. Alles ist wunderbar. Nun ja. Bis auf eine Sache: Sie haben immer noch nicht miteinander geschlafen... (Dies ist die Fortsetzung zu "Fieber" und somit der zweite Teil der Liebeskr...