Kapitel 14

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Helen:
Ich sah ihn unglaubwürdig an und fing dann an zu lachen.
"Du lachst aber das ist mein Ernst", er legte sich auf den Rücken und verschränkte seine Hände hinter dem Kopf.
"Ach ja? Wo hast du denn überall gesucht?", fragte ich sarkastisch.
"Hmm mal überlegen. Ich hab in unserem Café nachgesehen. War an unserem Geheimplatz. In deiner alten Schule. In der Uni", er amüsierte mich.
"Ach das war's?", ich legte mich ebenfalls auf den Rücken.
"Dann bin ich vor deiner Haustür gestanden", seine Stimme wurde rauer.
"Alle im Dorf haben gesagt, dass du nicht mehr zurückkommst, aber ich hab gewartet. Jeden Tag. Von 8 Uhr morgens bis 4 Uhr nachmittags. Ich bin auf den Treppen gesessen und bin jede Möglichkeit durchgegangen dich zu finden. Dilan hat jeden im Dorf gefragt. Niemand wusste wo du und deine Mam seid", er hielt inne.
"Es tut mir leid.. ich hab das gehört", ich hörte die Reue in seiner Stimme.
"Mhm..", ich spürte wie eine Träne meine Schläfen hinunterkullerte. Meine Mam hatte ihn immer gelobt. Er und ich waren damals nur Freunde aber meine Mam sagte immer, dass wir zwei füreinander bestimmt wären. Wir hatten beide damals darüber gelacht, weil es so albern klang, dass zwei beste Freunde mehr füreinander empfinden konnten als Freundschaft. Wir waren Freunde, nicht mehr und nicht weniger.
"Ich hab 1 Jahr lang auf dich vor deiner Haustür gewartet. In der Hoffnung, dass du etwas vergessen hast und zurückkommst. Aber..", er hielt wieder inne.
"Das bist du nicht. Du bist nicht.. zurückgekommen", er schluckte schwer.
"Das zweite Jahr bin ich herumgereist", er fing an zu lachen.
"Es ist paradox. Ich dachte ich finde dich überall auf der Welt. Ich war in China, Russland, Thailand, Türkei, Palästina und sogar in Afrika. Du wolltest immer dort hin um Leuten zu helfen und ich dachte", er überlegte für einen Moment.
"Ich dachte so find ich dich", es tat weh ihm zuzuhören ohne in Tränen auszubrechen.
"Du hast selbst gesagt, dass ich dich vergessen soll", ich versuchte stark zu wirken.
"Also hab ich das auch", ich seufzte.
"Schlechte Lügnerin", ich sah im Augenwinkel wie er grinste.
"Du hast mich nie vergessen", er sah mich von der Seite an. Sein Blick fiel wiedermal auf meinen Hals. Und ich wusste, dass er die Kette ansah.
"Und die ist der Beweis dafür", er zeigte mit dem Finger auf die Kette und zwinkerte mir zu. Ich verdrehte die Augen und stand auf.
"Okay genug jetzt. Selbst wenn das alles stimmt was du sagst", Ich drehte mich zur Tür und schloss die Augen. Es kostete mich eine Menge Überwindung das zu sagen. Ich drehte mich wieder zu ihm und sah ihn an.
"Selbst dann gehst du nach diesen 4 Wochen", ich verschränkte die Arme und ging in die Küche.

Das Gespräch von gestern ging mir noch immer durch den Kopf.
'2 Jahre', wunderte sich mein inneres Ich.
'Na und? Dafür hat er dich die restlichen Jahre leiden lassen', widersprach eine andere Stimme.
'Aber dennoch kannst du ihn nicht vergessen', neckte mich eine dritte Stimme. Die Letztere hatte auch Recht. Ich konnte ihn nicht vergessen. Ich war mittlerweile eine 27-jährige Frau, aber fühlte mich in seiner Gegenwart wie eine Teenagerin, die frisch verknallt war.
"Ist das so in Ordnung, Doktor?", zwei blaue Augen funkelten mich lächelnd an.
"Hm bitte?", ich war wohl komplett in Gedanken versunken ehe ich wahrnahm, dass ich in meinem Büro saß.
"Achso ja.. ja ist in Ordnung Susan. Danke Ihnen", lächelte ich zurück und nahm ihr die Akte ab. Es war komisch, dass hier fast jeder älter war als ich und mich dennoch mit 'Sie' ansprach. Das ließ mich 10 Jahre älter wirken.
Susan nickte mir freundlich zu und verließ mein Büro wieder.
Ich sah mir die Akte genauer an.
'Oh scheiße', ich griff mir an die Stirn. Er hatte fatale Knochenbrüche erlitten und musste wieder zusammengeflickt werden. Sein Herz schlug für seinen Zustand aber seltsamerweise sehr gut und..
"Doktor, hier ist jemand für sie", eine neue Krankenschwester, die um die 23/24 war, platzte in mein Büro und sah mich mit erröteten Wangen an.
"Kommen Sie herein", sie striff sich ihr kurzes dunkles Haar hinter die Ohren und schien sehr nervös zu sein. Ich stand auf und sah das mir ach so vertraute Gesicht. Ich ließ mich wieder auf meinen Stuhl fallen und verdrehte die Augen.
"Was willst du hier? Ich arbeite", ich blätterte weiter in der Akte. Ich sah von der Akte wieder rauf und sah wie die Krankenschwester noch immer hin und weg war. Er stand mit dem Rücken zu ihr und grinste mich an. Seine Hände hatte er in den Hosentaschen und ich konnte mir schon vorstellen, dass er das hier gerade genoss. Ihre Kinnlade war im Keller und ihre Augen funkelten ihn an. Das störte mich. Irgendwie. Oder doch nicht.
'Ist mir doch egal', flitzte es durch meinen Kopf. Ich schnipste mit den Fingern und tat so als wäre es an ihn gerichtet, dabei wollte ich nur, dass die Krankenschwester wieder hinaus ging.
"Oh sorry Mademoiselle. Wollte dich nicht bei der Arbeit stören", er kam zu meinem Arbeitstisch und zog einen Stuhl zu sich, auf den er sich breitbeinig, wie denn sonst, hinsetzte. Das schien der Krankenschwester noch mehr zu gefallen. Sie schien gar nicht zu bemerken, dass ich sie anstarrte. Ich hörte einige Schwestern kichern und wusste, dass hinter der Tür mindestens 3 von ihnen standen. Wie gerufen spähten sie auch herein. 2 waren Praktikantinnen und nicht für meinen Abteil zuständig. Also waren sie höchstwahrscheinlich wegen ihm hier.
"Schwester?", ich weckte sie aus ihren Tagträumen.
'Wie kann man so von einem Mann geblendet sein?', mein inneres Ich schlug sich auf die Stirn.
'Ahm bist du doch auch?', die fiese Stimme meldete sich zu Wort.
"Wollen Sie mir noch etwas sagen?", ich lehnte mich an den Tisch. Sie schüttelte grinsend den Kopf und schloss die Tür ab, nachdem sie den Raum verließ.
"Grins nicht so!", ich schlug mit einem Fuß unter dem Tisch nach ihm.
"Ich sag ja nichts", er hob unschuldig die Hände.

Aaron:
Es war süß wie sie sich über die Krankenschwester aufregte, die mehr als nur verknallt schien. Auch wenn sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen, war Helen ziemlich eifersüchtig. Ich verstand sowieso nicht wieso manche Frauen sich so leicht vom Aussehen eines Mannes täuschen ließen. Ich sah aus wie ein David Beckham aber benahm mich manchmal wie ein Caillou. Helen war eine ganz spezielle Sorte Frau. Sie hasste mich aber dennoch war ich der Einzige, den sie an sich ranließ. Seelisch und körperlich. Bei dem Gedanken musste ich grinsen.
"Musst du immer so behindert grinsen?", sie sah mich mit verengten Augen an.
"Hab ich von dir", hätte ich mich nicht geduckt würde der Stift, den sie nach mir geschleudert hatte, jetzt wohl in meiner Kehle stecken. Ich musste lachen.
"Leben am Limit", drohte sie. Ich zwinkerte ihr zu. Sie zu ärgern gehörte zu meiner Leidenschaft.
"Also wieso bist du hier", sie lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Akte zu.
"Ich weiß wo er ist", ich rückte näher an den Tisch und legte meine Hände drauf. Ihre Augen wanderten zu mir.
"Ich kenne seine Addresse. Und ich will, dass du mir dabei hilfst herauszufinden wie ich am besten dort hineinkomme".

Helen:
Er holte einen Zettel aus seiner Hosentasche heraus und entfaltete ihn.
"3040 Sunset Boulevard", las er.
"Er ist der Clubbesitzer von diesem Los Globos und sein Name ist Chuck Cooper", er reichte mir einige Fotos.
"Wie hast du das alles erfahren?", ich sah mir die Bilder an, die einen Mann mittleren Alters zeigten. Mollig und mit einem Ziegenbart.
"Kontakte", mehr sagte er dazu nicht.
"Das ist der Mistkerl?", ich sah ihn fragend an. Er nickte während er nervös mit dem Fuß wackelte.
"Er kennt mich. Also mein Gesicht, das ist das Problem. Und seine Männer kennen mich auch. Deshalb werd ich nicht so leicht da rein kommen", er stand auf und ging auf und ab.
"Okay. Ich schau was ich machen kann", ich schaute mir die Bilder weiter an.
"Danke Helen", er hob mich an und nahm mich in die Arme. Ich war zunächst wie gelähmt aber erwiderte dann halbwegs seine Umarmung und tippte ihm leicht auf den Rücken.
'Für Dilan'. Ich löste mich aus seinem Griff und setzte mich wieder hin.
"Bis heute Abend hab ich bestimmt ein paar Infos", ich lächelte ihn an und widmete mich wieder meiner Akte zu.
"Gut", er ging zur Tür und blieb davor stehen um sich wieder zu mir um zu drehen.
"Du hast mir echt gefehlt Helen", er lächelte mich halb an und verließ das Büro ehe ich antworten konnte. Wahrscheinlich kannte er die Antwort bereits.

Ripped heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt