Kapitel 17

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Erzähler:
Aaron war amüsiert darüber wie sie zusammengezuckt war.

"So angsteinflößend bin ich doch gar nicht Mademoiselle", er lächelte sie an und setzte sich ihr gegenüber mit dem Rücken zur Wand. Ein kleiner runder Tisch trennte sie. Seine Hände vergrub er in seinen Hosentaschen.

"Schöne Aussicht hast du hier", er atmete tief durch und verschränkte seine Arme hinter dem Kopf.

"Mhm", sie reichte ihm ihren Kaffee und ging sich einen neuen machen.

Nachdem sie sich wieder hingesetzt hatte, herrschte minutenlange Stille.

"Wieso bist du gegangen", er sah sie nicht an als er ihr diese Frage stellte.

Helen wusste was er meinte. Dennoch überlegte sie eine Weile, während sie an ihrem Kaffee nippte.

"Es war besser so", es flitzten tausende Erinnerungen durch ihren Kopf als sie diese paar Worte sagte.

Sie erinnerte sich an alles was damals geschehen war.
Erst jetzt wurde ihr richtig bewusst, dass sich alles verändert hatte. Ihre ganze Kindheit hatte sie in einem kleinen, friedlichen Dorf verbracht und jetzt lebte sie in einer der größten und gefährlichsten Städte Amerikas. Doch eines war gleich geblieben. Aber sie wagte nicht diese Worte auszusprechen.

"Nein war es nicht", er hatte die Augen verschlossen und hatte sich zurückgelehnt als er das feststellte.

Helen sah ihn musternd an. Er hatte sich nicht viel verändert. Er war nur muskulöser und männlicher geworden. Seine Haare hatte er mittlerweile etwas kürzer geschnitten aber dennoch waren sie eine volle Pracht. Sein Bart schmiegte sich perfekt um seine kräftige Kieferpartie. Sie spürte wie ihre Wangen erröteten als sie an den Tag zurückdachte wo er sie einfach ins Bett getragen hatte. Er öffnete die Augen und sah sie an. Zu spät riss sie ihren Blick von ihm und sah wieder in den nächtlichen Himmel. Ein leises Lachen entwich ihm.

'Idiot!'

"Früher warst du gesprächiger", stellte er enttäuscht fest.

"Früher ist vorbei", sie nippte weiter an ihrem Kaffee und spürte förmlich wie sein Blick auf ihr ruhte.

"Vielleicht", er nahm sich einen Keks aus dem Teller.

"Vielleicht aber auch nicht", er lächelte halb und sah in ihr verwirrtes Gesicht.

Sie schüttelte den Kopf während sie die Augen verdrehte.

"Du bist immer noch die alte Helen".

"Bin ich nicht", widersprach sie.

"Doch, das bist du", er streckte sich.

"Du verzichtest auf dein eigenes Glück um es anderen zu gönnen. Ich habe dir oft genug gesagt du sollst dich um dich kümmern und dich selbst glücklich machen".

"Ich bin glücklich!", unterbrach sie ihn streng.

"Nein bist du nicht", er sah sie immer noch lächelnd an.

"Ich kenn dich".

"Du kennst mich kein bisschen!", sie schluckte schwer.

"Du hast mich nie gekannt", ihre Stimme wurde leiser.

Er lachte kurz auf. Sein Blick ruhte auf ihr.

"Und ob ich dich kenne. Besser als du dich selbst", als sie damals Freunde waren, hatte er sie mit diesen Worten immer geärgert.

'Ich kenne dich besser, als du dich selbst'

Ihr Griff um die Tasse verstärkte sich.

"Ich bin glücklich! Und ich bin nicht die alte Helen! Hast du verstanden! Woher nimmst du dir überhaupt die Erlaubnis sowas zu behaupten?!", er hörte wie ihre Stimme immer fester wurde.

"Du warst die letzten Jahre nicht da also tu nicht so als würdest du mich noch kennen!", sie drehte sich drohend zu ihm um.

"Ach ja? Ich kenn dich nicht. Ist das so? Wieso hast du mir dann gerade deinen Kaffee gegeben? Und wieso wolltest du, dass ich in deinem angenehmen Bett schlafe anstatt auf der kleinen Couch? Und wieso tust du alles um mir zu helfen diesen Bast.. diesen Typen zu finden, der Dilan...", er unterbrach kurz, weil die Wut in ihm hochkam als er an Dilan dachte. Er atmete tief durch und fuhr sich durch das Haar ehe er fortfuhr.

"Und wieso bist du Ärztin geworden? In einer Stadt wo es mehr als nur gefährlich ist? Wo du jeden Tag dein eigenes Leben verlieren könntest, wenn du einen Patienten verlierst? Wenn du genau weißt, dass du Drohungen bekommen wirst und höchstwahrscheinlich auch jeden Tag welche bekommst? Wieso Helen? Du bist nicht die alte Helen? Die Helen, die ich von damals kenne. Die ich beim Fahrrad fahren kennengelernt hab.
'Weißt du, ich will einmal Ärztin werden. Deshalb hab ich immer Pflaster dabei um jetzt schon helfen zu können', erinnerst du dich an diese Worte?", er sah wie sich Tränen in ihren verzweifelten Augen sammelten. Sie wischte sie sofort weg und versuchte wieder ihren Blick zu verfinstern.

"Du hast Recht. Ich war die letzten Jahre nicht da", er biss die Zähne zusammen.

"Und ich kann mich nicht dafür rechtfertigen", er stellte seine Kaffeetasse auf den Tisch ab.

"Aber ich hab dir ein Versprechen gegeben", er atmete tief durch.

"Ich werde immer dein bester Freund sein. Ich werde immer für dich da sein. Das waren meine Worte. Aber als du gesagt hast, dass du mich liebst..", plötzlich flog ihre Tasse an ihm vorbei.

"Ich liebe dich nicht!", sie stand ruckartig auf und schlug auf den Tisch.

"Ich hab dich nie geliebt, hast du das verstanden!!", ihr Gesicht verfinsterte sich.

"Wage es niemals wieder diese Worte zu wiederholen!", sie drohte ihm mit dem Zeigefinger.

"Ich war ein Kind! Ich wusste nicht einmal was Liebe ist!", er hörte wie sie die Zähne zusammenrieb.

"Helen beruhig dich..", er war schockiert als diese plötzliche Reaktion von ihr kam.

"Sag mir nicht was ich zu tun hab", sie wurde wieder leiser.

"Dein Versprechen kannst du dir behalten! Ich mache das für Dilan. Er war mir wie ein kleiner Bruder. Allein für IHN helfe ich dir! Denke nicht, dass du einfach so in mein Leben zurückspazieren kannst. Du bist für mich gestorben, hast du verstanden!", sie ging wütend an ihm vorbei.

Aaron starrte in den Himmel aber gab kein Wort von sich. Breitbeinig saß er da und hatte seine Ellegnbogen an seinen Schenkeln abgestützt.

"Unsere Freundschaft ist schon lange zu Ende", sagte sie bevor sie die Tür aufriss und wieder in die Wohnung ging.

Minutenlang saß er da und starrte in die Leere. Er hätte ihr die Wahrheit sagen können, aber womöglich war es besser es nicht zu tun. Sie hatte Recht. Er war nicht da. Über 8 Jahre lang hatte er ihr das Gefühl gegeben gehabt sie zu meiden. In der Hoffnung sie würde ihn vergessen. Und nun musste er die Konsequenzen dafür tragen.

Ripped heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt