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2016

"Hey Len, hast du Lust auf einen Kaffee? Wir könnten in das Café gehen, wo du gearbeitet hast.", schlug Tess vor. Ich hatte nach dem Abendessen vor zwei Tagen nicht mehr mit meiner Mutter darüber gesprochen, wer an der Tür war. Vielleicht würde ich ja aus Tess etwas herausquetschen können, vorausgesetzt sie wusste, wer an der Tür war.

"Klar, warum nicht.", entgegnete ich daher auf ihren Vorschlag. Tess fing an zu lächeln und verließ mein Zimmer.

"Dad, Kate, Lenny und ich gehen Kaffee trinken!", rief sie durch das Haus, was mich zum lachen brachte. Sie brüllte immer durch das Haus, wenn sie etwas von einem der beiden wollte. Ich erhob mich von meinem Bett und ging zum Kleiderschrank hinüber, wo ich mir noch eine dünne Strickjacke holte und überzog.

"Na komm schon!", meinte Tess und steckte ihren Kopf mit den roten Haare erneut ins Zimmer.

"Ich komme ja!", erwiderte ich und ging zu meiner Stiefschwester. Ich konnte nun einmal nicht so schnell laufen durch die vielen Prellungen. Als ich unten im Flur in meine Schuhe schlüpfte, bemerkte ich dass Mum zu uns in den Flur getreten war.

"Sicher, dass du ausgehen willst?", fragte sie mich. Mit verschränkten Armen lehnte sie sich gegen die Kommode und warf mir einen besorgten Blick zu.

"Ja, mir geht es gut! Ich habe nur mein Gedächtnis verloren und nicht ein Bein.", antwortete ich ihr. Ja, man könnte schon sagen, dass ich seit vorgestern Abend, etwas abwesend und zickig zu meiner Mutter war, aber irgendwie trug sie die Schuld an diesem Verhalten, da sie mir ins Gesicht gelogen hatte, obwohl ich das Gespräch gehört hatte.

"Lenny,", seufzte meine Mutter, "Du weißt, dass-"

"Ich weiß, dass du dir nur Sorgen machst, aber falls etwas passieren sollte, ist Tess ja bei mir und ich habe auch die Nummer von Dr. Andrews falls ich Schmerzen bekommen sollte.", unterbrach ich sie und wandte mich von ihr ab. Ich öffnete die Haustür und trat heraus in die Junisonne. Tess folgte mir und zog die Tür hinter sich zu. Kurz gingen wir schweigend nebeneinander her, bis Tess sich zu Wort meldete.

"Ich möchte dir ja nicht zu Nahe treten, aber warum bist du so abwertend zu Kate? Sie möchte dir nur helfen und für mich sieht es so aus als würdest du sie immer wegstoßen.", Tess sah mich bedrückt mit ihren grünen Augen an. Seufzend wich ich dem Blick meiner Stiefschwester aus.

"Ich habe vorgestern ein Gespräch von Mum und jemandem gehört, dessen Stimme mir so unglaublich bekannt vorkam, aber als ich sie gefragt habe, wer an der Tür war, meinte sie es wäre nicht so wichtig und hat mich damit direkt angelogen. Also tut mir Leid, wenn ich mich meiner Mutter gegenüber nicht respektabel verhalte, aber ich fühle mich hintergangen von ihr.", erklärte ich Tess und hoffte, dass sie es nachvollziehen könnte.

"Das kann ich verstehen.", meinte sie. Erneut seufzte ich. Es herrschte wieder Schweigen zwischen uns, bis wir am Café ankamen.

"Ich weiß zwar nicht, wie so etwas abläuft wenn jemand seine Erinnerungen wiedererlangt, aber wenn du dich an etwas erinnern solltest, wenn wir da drin sitzen, sollten wir so etwas wie ein Code-Wort vereinbaren.", sagte Tess als wir vor dem Café standen.

"Ein Code-Wort?", harkte ich etwas skeptisch nach.

"Ja!", bestätigte Tess und nickte. "Wie wäre es mit 'Schokokuchen' oder 'Torte'?"

"'Schokokuchen' ist gut.", entgegnete ich auch wenn ich bezweifelte, dass meine Erinnerungen wiederkommen würden, nur weil wir an meinem alten Arbeitsplatz einen Kaffee trinken würden.

Tess lächelte und hielt mir dann die Eingangstür zum Café auf. Ich erwiderte ihr Lächeln und trat in den Laden. Sofort nahm ich den Geruch von frischem Kaffee und Kuchen war. Ich ließ den Blick durch den Laden schweifen. Sofort fühlte ich mich hier wohl.

Memories || C.H.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt