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2019

Am nächsten Tag versuchte ich einige Male Tess auf ihrem Handy zu erreichen. Auch während der Arbeit im Restaurant, doch ich landete immer sofort auf der Mailbox. Nachdem fünften Versuch innerhalb von sechs Stunden legte ich mein Handy auf den Schreibtisch und lehnte mich seufzend in meinem Stuhl zurück. Tess ignorierte mich eindeutig, sonst hätte sie ihr Handy nicht ausgemacht. Allerdings fragte ich mich warum sie mich ignorierte. Seitdem sie mir die Bilder und Videos von dem Konzert geschickt hatte, herrschte Funkstille.

Simon war gestern Abend nicht mehr lang geblieben, schließlich konnte ich ihm auch nicht mehr erzählen und Vermutungen aufzustellen, half auch nicht wirklich weiter.

Als mein Handy einige Minuten später klingelte, ging ich sofort dran. Ich sah nicht nach, wer anrief, sondern nahm den Anruf direkt entgegen.

"Hallo?", sagte ich und wartete auf eine Reaktion des Anrufers.

"Elena, wie geht es dir?", hörte ich die Stimme meiner Mutter. Etwas enttäuscht sackte ich zusammen. Ich hatte gehofft, dass es Tess wäre, die mich anrief.

"Mir geht es gut, Mum. Wie geht es dir? Ist Tess gut in London angekommen?", fragte ich sie und blickte auf den Computerbildschirm, auf dem der Entwurf für die neuen Speisekarten abgebildet war. Tobys Burger hat es auf die Karte geschafft, weswegen nun neue bestellt werden mussten.

"Tess ist gut angekommen,", Mum machte eine Pause und ich konnte hören, wie sie Luft holte, "Aber ich bin etwas besorgt."

Verwirrt zog ich die Stirn kraus. "Warum? Ist etwas passiert?"

"Tess hat heute morgen angedeutet, dass du dich an etwas erinnerst. Ich mache mir Sorgen um dich, Lenny. Der Arzt hat gesagt, dass-"

"Ich weiß, was der Arzt gesagt hat Mum!", ich biss mir auf die Unterlippe. Kurz schwiegen Mum und ich, bis ich das Wort wieder ergriff.

"Es ist ... mir geht es wirklich gut. Die Erinnerungen haben mich etwas überfordert und ich habe Kopfschmerzen bekommen. Aber jetzt ist wieder alles gut, Mum. Simon hat mich gestern nach Hause gebracht und ich bin jetzt schon wieder bei der Arbeit. Du musst dir keine Sorgen machen.", versuchte ich meine Mutter zu beruhigen. Doch ich hörte ihr Seufzen durch das Telefon.

"Hast du dich an den Unfall erinnert?", fragte Mum zögernd. Ich schüttelte den Kopf. Es war nicht geplant, dass ich meiner Mutter von den Erinnerungen erzählen würde.

"Nein, ich habe mich an das Konzert, dass was ich mit Tess besucht habe, erinnert, naja an Bruchstücke davon.", erzählte ich.

"Tess hat noch Wochen danach von dem Abend geschwärmt.", meinte Mum.

"Und ich habe mich an Calum erinnert.", fügte ich hinzu. "Ich weiß auch, dass Tess und du nach dem Unfall versucht habt, ihn von mir fernzuhalten."

Mir stiegen Tränen in die Augen, als Mum nichts sagte. Ich hörte sie atmen, aber sie schwieg. Das war ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ich recht hatte.

"Warum habt ihr das gemacht? An Tess und Jim konnte ich mich auch nicht erinnern, aber die beiden hats du nicht von mir ferngehalten.", sagte ich und war in diesem Moment froh, dass ich die Tür zum Büro geschlossen hatte.

"Lenny, es tut mir Leid. Ich wollte ihn nicht von dir fernhalten.", entschuldigte sich Mum, aber das beantwortete nicht meine Frage.

"Warum hast du es getan?", fragte ich deshalb erneut und versuchte nicht anzufangen zu weinen.

"Dein Unfall. Du warst auf dem Weg zu ihm. Er war in einem Hotel und wollte sich dort mit dir treffen. Du wurdest an der Straße angefahren, wo auch das Hotel ist. Calum hat es alles mit angesehen,", Mum machte wieder eine Pause, "Vielleicht habe ich ihn deswegen von dir ferngehalten, weil ich ihm die Schuld daran gegeben habe, obwohl es gar nicht stimmt. Er kann an dem Unfall nicht die Schuld tragen, die liegt allein bei dem Fahrer des Autos. Trotzdem habe ich ihn dafür verantwortlich gemacht."

Memories || C.H.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt