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2016

Am nächsten Morgen fühlte ich mich wirklich alles andere als ausgeschlafen, dennoch stand ich früh auf und begegnete meiner Stiefschwester auf dem Flur, als sie in das Badezimmer lief.

"Bist du immer so spät dran?", fragte ich sie mit einem Grinsen im Gesicht und lehnte mich gegen den Türrahmen der Badezimmertür.

"Ja und wenn ich spät dran bin, scheuche ich auch gerne alle Anderen, die noch nicht fertig sind aus dem Bad!", rief Tess und knallte mir die Tür vor der Nase zu. Ich hätte ja darüber gelacht, wenn sich nicht schon wieder etwas in meinem Kopf abgespielt hätte.

Ich stieg gerade aus der Dusche und griff nach einem Handtuch, als es an der Tür klopfte. Schnell band ich mir das Handtuch um und schloss die Tür zum Badezimmer auf. Tess drückte sich an mir vorbei ins Badezimmer.

"Ich war noch nicht fertig!", beschwerte ich mich bei ihr und strich meine nassen Haare über die Schulter, sodass sie mir nicht ins Gesicht fielen.

"Du musst aber auch nicht in die Schule! Ich schon und ich bin spät dran!", entgegnete sie gehetzt.

"Du solltest weniger singen, dann würdest du dich auch nicht verspäten.", meinte ich, griff nach einem zweiten Handtuch, welches ich mir um den Kopf wickelte und ging dann in mein Zimmer. Kopfschüttelnd suchte ich mir Klamotten aus meinem Kleiderschrank und dachte erneut an das Konzert Freitagabend. Warum konnte Tess nicht allein hingehen? Kurz darauf hätte ich mich selber schlagen können, schließlich war meine Stiefschwester erst vierzehn und somit durfte sie noch nicht alleine hin. Mir blieb also nichts anderes übrig, als sie übermorgen zu begleiten.

Ich blinzelte verwirrt und hämmerte gegen die Badezimmertür, da ich nicht mitbekommen hatte, ob Tess die Tür abgeschlossen hatte oder nicht.

"Was hast du denn jetzt?", fragte mich Tess nachdem sie die Tür geöffnet hatte und ich ihr quasi in die Arme gefallen war.

"Schokokuchen!", brachte ich keuchend hervor und blickte meiner Stiefschwester in ihre grünen Augen.

Erst zog sie verwirrt die Augenbrauen zusammen, doch dann öffnete sie überrascht die Augen und zog mich mit sich ins Bad.

"Woran hast du dich erinnert?", fragte sie mich neugierig, während sie nach ihrer Zahnbürste griff und sich begann fertig zu machen.

"Ein ziemliches kurzes Gespräch zwischen uns beiden. Ich bin gerade aus der Dusche gekommen, als du ins Bad gestürmt kamst, weil du zu spät dran warst und dann bin ich in mein Zimmer gegangen und meinte, du solltest weniger singen, denn dann würdest du auch pünktlich kommen und dann-", nun zog ich verwirrt meine Augenbrauen zusammen, "Auf wessen Konzert sollte ich dich begleiten?"

Tess hörte auf ihre Zahnbürste zubewegen und sah mich mit steinernden Miene an. Sie hielt sich mit einer Hand ihre roten Haare aus dem Gesicht und spuckte den Zahnpastaschaum in das Waschbecken.

"Tess! Bist du fertig? Wir müssen los!", rief Mum von unten. Natürlich musste es jetzte sein! Stöhnend verdrehte ich die Augen, da ich noch auf eine Antwort von Tess gehofft hatte, doch meine Stiefschwester war noch schneller aus dem Badezimmer verschwunden, als dass ich erneut 'Schokokuchen' hätte sagen können. So blieb ich also alleine im Badezimmer zurück. Seufzend schloss ich die Tür hinter mir, zog meinen Schlafanzug aus und stellte mich unter die Dusche.

Ich wischte den Wasserdampf von dem großen Spiegel und sah mir selbst in meine blauen Augen. Ich dachte eigentlich es würde mich glücklich machen, wenn ich mich an etwas aus den letzten fünf Jahren erinnern könnte, aber im Moment war ich noch verwirrter, als an dem Tag, als ich im Krankenhaus aufgewacht war. Mir schwirrten so viele Fragen durch den Kopf. Fragen, die sich nur um diese kleinen Erinnerungsfetzen drehten. Fragen auf die ich keine Antworten von meiner Familie bekam.

Memories || C.H.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt