Das Ziel vor Augen

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"Wieso willst du das wissen? Willst du dich vielleicht freiwillig töten lassen? Bist du so wild darauf?", fragt sie mich irritiert und ich weiß selber nicht was ich mir davon erhoffe. Würde ich mich denn wirklich freiwillig töten lassen, wenn ich allem damit ein Ende bereiten könnte? Oder suche ich doch noch einen Weg, den Mörder meiner Mutter zu stoppen? Was war mein Ziel? Peter zu retten? Die Avengers? Diese Menschen? Oder doch nur mich selbst?
"Hallo? Ich rede mit dir!", schnippt sie mit dem Finger vor meiner Nase herum und ich erwache aus meiner kurzen Starre.
"Bitte, Caitlin. Vertrau mir einfach. Du kannst mir auch einfach nur den Weg beschreiben wenn du nicht an diesen Ort zurück willst. Mir eine Karte zeichnen oder mir einen Anhaltspunkt geben, mir einfach helfen.", versuche ich es erneut und diesmal scheinen meine Worte einen Schalter in ihrem Gehirn umzusetzen.
"Wer bist du?", meint sie überraschend und ich schrecke zurück. Sollte ich ihr die Wahrheit sagen? Spätestens wenn sie die Waffen unter meiner Jacke entdeckt , würde sie doch wissen was los war, wieso es ihr nicht gleich erzählen. Ich ziehe meine Kapuze vom Kopf. Ihr fällt es wie Schuppen von den Augen.
"Du! Du bist schuld! Ohne dich und deine Drecksfamilie wäre Eric noch am Leben! Und viele andere auch!", ruft sie, sodass jeder auf uns aufmerksam wird. Manche sehen mich wütend an, andere brechen in Tränen aus und wieder andere stehen  auf und starren mich einfach nur an. So auch Mel und ihr Großmutter. Was sie nun von mir denken?
"Du hast recht. Es ist die Schuld meiner Familie, doch ich will versuchen es wieder geradezubiegen. Nein, das ist nicht der richtige Ausdruck, ihr habt alle Menschen verloren und das kann man nicht einfach geradebiegen, aber ich bin hier, um Firekill zu stoppen. Auch wenn viele gestorben sind, müssen es nicht noch mehr werden.", rede ich auf die ein, doch sie wird immer wütender.
"Raus. Raus hier!", schreit sie mit entgegen und ich bin nicht enttäuscht. Ich kann sie verstehen, voll und ganz, also leiste ich keinen großen Widerstand.
"Ich werde gehen. Jetzt sofort. Aber ich bitte dich vorher um eine Sache. Pass bitte auf Peter auf, sorge für ihn und bring ihn mir wieder zurück. Er hat mit der ganzen Sache nichts zu tun. Er hat es nicht verdient, niemand hat das. Bitte. Er soll nicht für meine Fehler bezahlen.", bitte ich sie und Caitlins Blick wird, wenn auch nur kurz, weicher und ich erkenne ein unscheinbares nicken, bevor sie von ihrer Wut wieder eingefangen wird.
"Ich bitte dich nur darum, nur für Peter.", wiederhole ich, dann schnappe ich mir meinen abgestellten Rucksack, blicke noch ein letztes Mal zu meinem Helden und verlasse dann eilig den großen Raum. Hinter mir höre ich die Tür zuschlagen. Ich bleibe stehen und schließe die Augen. Komm runter Grace! Du kannst das schaffen. Du wirst das Richtige tun. Entschlossen öffne ich meine Lider wieder und renne los.
Ich irre eine gefühlte Ewigkeit durch die vielen Gänge des Krankenhauses, bis ich endlich den Ausgang finde und mich vorsichtig nach draußen begebe. Schnell setzte ich mir die Kapuze meiner Jacke wieder auf und ziehe sie mir tief ins Gesicht. So leise ich nur kann schleiche ich über den mit Trümmern übersäten Boden vorwärts und achte darauf, mich in Schatten der Häuser zu halten. Ich bin mir nicht sicher, wohin ich eigentlich will, doch ich vertraue auf meine Instinkte, auf mein Herz und so nähre ich mich immer weiter meinem alten Zuhause.
Je weniger Schritte ich zwischen mich und den Tower bringe, desto mehr Soldaten patrouillieren durch die Straßen, was meine Vermutung zu bestätigen scheint. Hier sieht die Lage nicht besser aus. Die Häuser bombardiert, es brennen einige Feuer und der sich immer weiter verdunkelnde Himmel schwebt über dem ganzen wie eine Abschirmung zur Außenwelt. Mein Blick wandert weiter, durch die Fenster der verlassenen Häuser, bis er auf einer vier Mann Patrouille hängen bleibt, die gegenüber von mir auf der anderen Straßenseite in Bereitschaft steht. An ihnen komme ich nicht vorbei. Schnell verbärge ich mich weiter hinter dem Trümmerberg, hinter dem ich Deckung gesucht habe. Vorsichtig ziehe ich meine Pistolen aus den Halterungen, entsichere sie und schiele hinter meinem Versteck hervor. Zum Glück haben sie das Geräusch meiner Waffen nicht gehört und unterhalten sich lautstark weiter. Ich muss meine Augen stark verengen um erkennen zu können, dass sie schwer bewaffnete sind und in schwarzen Anzügen stecken, die sie an den angekohlten Hauswänden wie Geister erscheinen lässt.
"Nein, hab schon lange keinen mehr hier gesehen. Keine Ahnung warum wir noch hier draußen sind. Ich hätte auch gerne mal meinen Spaß bei den Opferungen.", höre ich aus ihrem Gespräch heraus, doch ich bin zu weit weg um mehr zu verstehen. Liebend gerne würde ich sie jetzt einfach ausschalten, aber würde jemand die Schüsse hören, dann wäre mein Überraschungsmoment vorbei und im Angesicht dessen, dass ich alleine bin, wäre das für mich reiner Selbstmord. Also wiege ich weiter meine Chancen ab. Ich überlege wie ich an den Truppen vorbeikommen soll. Es dauert eine Weile, doch dann fällt mir ein Hinterhalt ein, der eigentlich funktionieren sollte. Mit einem siegessicheren Lächeln stecke ich meine Waffen wieder weg und renne in der Dunkelheit verborgen geduckt über die Straße auf die andere Seite. Dort angekommen beziehe ich hinter einem furchtbar stinkenden Müllcontainer Stellung und sehe erneut zu meinen Gegnern. Leise stelle ich meinen Rucksack ab. Sie haben mich nicht bemerkt und stehen weiter herum und reden miteinander. Das was ich jetzt tue ist zwar gewagt, aber meine einzige Chance. In einem unbemerkten Moment ziehe ich einen der Soldaten zu mir, presse ihm die Hand auf den Mund und drücke ihm die Luft ab, wie ich es gelernt habe. Kaum hört er auf sich zu wehren höre ich seine Kollegen sich schon nach ihm rufen. Jetzt kommt der schwierige Teil meines Plans. Noch ein letztes Mal atme ich tief durch, dann trete ich in das Sichtfeld meiner Feinde.
"Hallo auch.", grinst der eine mich blöd an und ich lächle zurück. Alle drei erheben wie auf Knopfdruck gleichzeitig ihre Waffen und ich renne die wenigen Schritte auf sie zu. Dem einen reiße ich die Waffe aus der Hand, während ich sie einem anderen mit meinem Fuß wegtrete. Der dritte starrt mich kurz irritiert an, doch als er abdrücken will bin ich schon bei ihm, nehme ihm die Waffe ab und schlage ihm damit mehrfach auf den Kopf, bis er bewusstlos zu Boden geht. Ich werfe sie Pistole weg und widme mich den zwei verbliebenen. Sie ziehen beide ein Messer aus einer Tasche und halten es bedrohlich hoch.
"Miststück!", ruft der eine und rennt auf mich zu. Ich trete ihm gegen den Oberschenkel, er knickt mit dem Bein weg und landet am Boden. Ich reiße ihn wieder hoch und halte ihn wie einen Schild über mich und keine Sekunde später höre ich das Geräusch der Klinge, die sich soeben in die Stirn des Mannes gebohrt hat. Der Überlebende Soldat wirkt geschockt, wollte mit dem Messer, das er geworfen hat, mich treffen und nicht seinen Kollegen, vermutlich seinen Freund. Angewidert stoße ich den leblosen Körper von mir und widme mich dem letzten der Runde. Mit einem Schlag quetsche ich ihm den Kehlkopf, mit einem weiteren treffe ich ihn in der Magengrube. Er stößt stark die Luft aus und krümmt sich zusammen während er sich den Bauch hält. Ein tritt an die Kniescheibe und noch einen Schlag ins Gesicht meinerseits und mein Angreifer taucht in die Bewusstlosigkeit. Schwer atmend richte ich mich wieder auf, dann Klappe ich nach kurzem überlegen den Müllcontainer auf. Sofort weiche ich zurück. Er ist bis oben hin mit Leichen gefüllt. Verbrannt, erschossen, verprügelt, alles ist dabei. Es versetzt mir einen Schlag und ich halte mir die Hand vor den Mund. Ich brauche eine ganze Weile, bis ich wieder klar denken kann und schließlich einen nach dem anderen der vier Männer mit letzter Kraft in den Container zerre. Erschöpft greife ich meinen Rucksack vom Boden und laufe weiter. Doch weit komme ich nicht. Denn jetzt spüre ich die Schmerzen der aufgeplatzten Naht an meinem Arm und das Blut, welches von meiner Fingerspitze stumm auf den Staub trifft. Ich ziehe mich in den Schatten zurück und sehe mir die Wunde genauer an.
"Oh scheiße.", ist meine zusammenfassende Meinung und ich lehne mich an eine Hauswand. Schnell ziehe ich meinen Rucksack hervor und krame darin herum. Ich hole das Verbandszeug, das wir aufgeteilt haben raus und wickle er provisorisch um meinen blutenden Arm, doch immer wieder geht es auf und hält nicht richtig. So langsam werde ich ungeduldig und ich scheitere immer wieder daran. Es macht mich wütend das ich so eine einfach Aufgabe nicht hinbekomme und ich schleudere den Verband in hohem Bogen von mir. Was soll ich nur tun?
Da höre ich plötzlich ein leises Geräusch und drehe mich lauschend in diese Richtung, während ich vorsichtig nach einer Pistole greife. In der Dunkelheit erkenne ich einen Umriss, ziemlich nah bei mir und ich will schon schießen, als ich begreife zu wem dieser Schatten gehört.
"Mel! Was machst du denn hier? Wieso bist du nicht bei den anderen geblieben?", frage ich das kleine Mädchen aufgebracht und stecke die Waffe wieder weg. Die letzten Meter rennt sie zu mir und umarmt mich stürmisch.
"I..ich wollte mit dir kommen. Ich will dir helfen.", meint sie und spielt unschuldig mit etwas weißem in ihrer Hand, meinem Verband.
"Du weißt wie gefährlich das ist. Du hättest dort bleiben sollen.", rede ich weiter auf sie ein, doch es scheint sie gar nicht zu interessieren und sie sieht nur neugierig auf meinen Arm.
"Ich kann dir helfen.", wiederholt sie und zeigt auf mein dunkles Blut. Ich sehe ihr in die Augen, allerdings macht sie mir mit ihrem Blick klar, dass ich sie davon nicht abbringen kann, also gebe ich ihr doch widerwillig meinen Arm und sie fängt an, mit einer außerordentlichen Präzision den Verband anzulegen. Es dauert nicht lange, dann ist sie auch schon fertig.
"Jetzt musst du aber zurück zu den anderen.", versuche ich sie doch noch einmal zu überreden.
"Nein. Ich bleibe bei dir.", gibt sie mir nochmals zu verstehen und nimmt meine Hand in ihre.
"Ich werde es nicht schaffen dich umzustimmen oder?", frage ich sie und sie nickt mir hastig zu. Mit einem tiefen Seufzer stimme ich also zu, gebe ihr dennoch zu verstehen, dass sie sich leise verhalten soll. So schleichen wir weiter schweigend durch die Straßen und Mel lässt meine Hand keine Sekunde los. Leider kommen wir nur langsam voran und ich werde immer unruhiger, habe Angst um das Mädchen, das sich zitternd an mir festhält. Als ich mir sicher bin das wir keine Zuhörer haben spucke ich endlich die Frage aus, die mir die ganze Zeit auf der Zunge liegt.
"Mel wieso bist du wirklich hier?", frage ich sie schließlich leise und bleibe stehen.
"Als du weg warst gab es Streit wegen dir. Caitlin meinte du wärst der Grund wieso das alles hier passiert. Aber mir ist das egal. Ich bin mir sicher es war nicht deine Absicht und finde jeder verdient eine zweite Chance.", meint sie nach kurzem überlegen und erneut bin ich überrascht wie mutig die Kleine doch ist. Ich kann nicht anders und umarme das Mädchen. Ihre Worte geben mir Hoffnung. Hoffnung auf Vergebung...und eine zweite Chance. "Danke.", flüstere ich ihr zu und sie lächelt mich an. Zufrieden setzen wir unseren Weg fort, doch schon nach wenigen Metern bleibt Mel wieder stehen. "Du? Grace? Können wir kurz eine Pause machen? Mir tun die Füße weh.", sagt sie mir, doch ich schüttele mitfühlend den Kopf. "Nein können wir nicht, aber ich kann dich tragen.", schlage ich vor und begeistert von der Idee setzt sie meinen Rucksack auf und springt dann auf meinen Rücken. "Schaffst du das?", erkundigt sie sich, doch ich lächle nur, denn sie ist leicht wie eine Feder. Erneut setze ich einen Fuß vor den anderen, jetzt geht es endlich weiter.
Nach einer langen Stunde Fußmarsch, den wir die ganze Zeit nur stillschweigend zurückgelegt haben, erreichen wir unser ersehntes Ziel. Man kann nicht behaupten das man sich über den Anblick des Platzes vor dem Tower freut. Das Mondlicht, das uns unseren Weg hierher erleuchtet hat, wird hier von vielen Scheinwerfern und Feuern fern gehalten. Die Luft ist kühl und stinkt nach Tod. Die freie Fläche ist umrundet von Trümmern, auf denen in gleichmäßigem Abstand schwer bewaffnete Soldaten stehen, die alles ganz genau im Blick haben. "Caitlin sagt sie nennen es die Grube.", höre ich Mel von meinem Rücken her sagen, doch ich nehme es nicht richtig wahr. Mein Blick ist starr auf das Geschehen im inneren dieses Loches gerichtet. Es sieht nicht besser aus als der Rest. In einigen Ecken verteilt und auf Stofffetzen gebettet liegen oder sitzen wenige Überlebende, die sichtlich abgehungert und blutig sind. Schnell verstecken wir uns hinter einer dicken Wand und ich lass Melanie von meinen Schultern auf den Boden gleiten. "Was machen wir jetzt?", fragt Mel mich unsicher, doch ich kann ihr darauf keine Antwort geben. Ich weiß nur, ich muss da irgendwie rein und die Menschen da raus holen. Vielleicht kann ich ja wenigstens sie noch retten. Verzweifelt blicke ich um die Ecke. Meine Augen fokussieren sich neugierig auf eine Gruppe Soldaten, die einige Leute zur Grube führen und sie reinbringen. "Hey Mel! Du weißt nicht zufällig was die da machen oder?", überlege ich und sie folgt vorsichtig meinem Blick. "Sie...sie bringen die Menschen zusammen. Firekill kommt bald wieder.", antwortet sie mir mit zitternder Stimme und ich spüre wie sie näher zu mir rutscht. Das heißt also eine Opferung steht bevor und die Leute werden dafür zusammengepfercht, denke ich mir und im nächsten Augenblick kommt mir eine Idee. Grinsend warte ich auf unsere Chance. Dann, als erneut eine Gruppe abgemagerter, weinender Menschen herangeführt wird packe ich Mel beim Arm und ziehe sie mit mir mit. "Was hast du vor?", flüstert sie, doch da sind wir schon bei der Gruppe und es gelingt mir, uns unbemerkt dort einzuschleusen. Zusammen mit einer hochschwangeren Frau, ihrem Mann und drei anderen Frauen in unterschiedlichem Alter werden wir auf den freien Platz gestoßen, der sich immer weiter füllt. Viele weinen, andere sitzen nur da, scheinen ihr Schicksal akzeptiert zu haben und dann nach weiteren zehn Minuten landet ein Quinjet wie aus dem nichts vor uns. Die Menge wird panisch, drängt in alle Richtungen davon, doch wird durch Soldaten und ihre Waffen aufgehalten. Doch ich stehe ganz still und während ich immer wieder angerempelt werde entfernt sich mein Blick keine Sekunde von dem Jet. Die Triebwerke werden ausgeschaltet, doch die Scheinwerfer leuchten weiter ihr sonnenlichthelles Licht auf uns. Dann öffnet sich die Luke. Mit einem breiten Grinsen tritt der Mörder meiner Mutter und der Mörder dieser Menschen aus dem inneren des Schiffes heraus und in mir zieht sich alles zusammen. Vor Wut balle ich die Fäuste. Meine Mutter getötet, Peter vergiftet, Menschen getötet, meine Familie zu Flüchtigen gemacht, dass alles war er, er und er steht dort oben und es macht ihm auch noch Spaß. Eine kleine Hand schließt sich um meine und mein Blick trifft den des kleinen mutigen Mädchens. "Grace ich will nicht sterben.", meint sie und stellt sich schützend hinter mich. "Das lasse ich auch nicht zu.", versichere ich ihr und ein Fünkchen Hoffnung leuchtet in ihren Augen auf. Doch dann beginnt Firekill zu sprechen und meine Aufmerksamkeit landet ganz auf ihm.

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