7. Geheimniskrämerei

81 14 27
                                    

,,Mona!" Entgeistert starrte Mrs. Peterson ihre am Boden liegende Schülerin an, wobei sie das im Sterben liegende und qualvoll jaulende Ungeheuer völlig außer Acht ließ. Mit Mona schien sie alles andere als gerechnet zu haben, denn sie starrte das Mädchen so perplex und entsetzt an, als hätte diese sich in einen Geist verwandelt. Mona wiederum war nicht weniger über das brutale Auftreten ihrer Lehrerin überrascht. Mit offenem Mund blickte sie die sonst so liebe, hilfsbereite Frau an, die gerade eben so gelassen ein Monster getötet hatte, als wäre dies ihr gewöhnlicher Tagesablauf. Tausende von Fragen schwirrten durch ihren Kopf, während sie immer noch am überlegen war, ob das alles gerade wirklich passiert war. Ihre eigene Lehrerin mit den goldenen Engelshaaren, die hilflosen Schülern wie ihr unter die Arme griff und jeden Tag mit einem sonnigen Lächeln durch das Tor der Schule trat, hatte gerade gemordet. Und dann auch noch ein Wesen, das eigentlich nicht einmal existieren durfte und mindestens hundertmal so gefährlich wie ein blutrünstiger Tiger war! Wie konnte das nur sein? Wie konnte das alles hier nur so real sein? Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Sie verstand die Welt nicht mehr, nicht einmal ein ganz kleines bisschen.

,,M... Mrs. Peterson?", stieß sie fassungslos hervor. ,,Wie... wie... was zur Hölle..." Mona fehlten sämtliche Worte. Sie war so zerstreut, dass all ihre Fragen wie ein dicker Kloß im Hals stecken blieben, während sie ungläubig von dem leidenden Ungeheuer zu ihrer Lehrerin hin und zurück blickte. Ihr war bewusst, dass sie ihr nun eigentlich dankbar und glücklich dafür sein sollte, dass sie Dank ihr noch am Leben war, doch ihre Sprachlosigkeit überwucherten ihre Dankbarkeit gerade wie derbes Unkraut. Es waren Mona bereits zu viele ungewöhnliche Ereignisse an einem Tag gewesen. Erst das aus ihren Träumen zum Leben erwachte Ungeheuer, dann Roland, der auf einmal über übermenschliche Superkräfte verfügte und nun musste sie auch noch feststellen, dass Mrs. Peterson eine Monsterkillerin war. Monas Gehirn gab sich kaum noch Mühe, eine Antwort darauf zu finden und so lag sie einfach nur da und starrte ihre Lehrerin sprachlos an.

,,Amelia!" Krächzend und nach Luft schnappend hob Roland vom Boden aus schwach den Arm. Er war immer noch völlig außer Atem und rang mit aller Kraft nach dem Sauerstoff, dem ihm das Monster vorhin noch aus der Lunge gepresst hatte. Doch anstatt ihm ihre Sorge zu vermitteln, wie sie es sonst eigentlich tun würde, starrte sie ihn bloß verdutzt an. Amelia? Hatte er ihre Lehrerin gerade etwa tatsächlich mit ihrem Vornahmen angesprochen? Seit kann kennt er sie denn bitte?, schoss es ihr verwirrt durch den Kopf. Das kann doch nicht sein! Er hat mir nie wirklich erzählt, dass er Mrs. Peterson so persönlich kennt, dass er sie nicht einmal mit dem Nachnamen anspricht! Erwartungsvoll richteten sich ihre Augen wieder auf die Frau, in dem Glauben, dass diese von Rolands Begrüßung verwundet sein und ihre gemeinsame Bekanntschaft abstreiten würde. Doch zu ihrer Überraschung wurde Mrs. Petersons Miene umso bleicher, als sie den atemlosen Jungen auf dem Bordstein liegen sah.

,,Große Güte, Roland!", entfuhr es ihr fast genauso entsetzt, wie, als ihr Mona aufgefallen war und sprang eilig von der Erde auf. ,,Ist alles in Ordnung? Also ich meine, mit euch beiden natürlich!" Klar!, dachte Mona sarkastisch und unterband das Bedürfnis, die Augen zu verdrehen. Wir liegen hier, weil es uns Spaß macht! Es ist ja so lustig von einer Bestie fast in Stücke gerissen und am Boden erdrückt zu werden! Sie verkniff sich jedoch eine patzige Antwort und schüttelte bloß einstimmig mit Roland den Kopf. ,,Sieht es etwa danach aus?", brummte Roland, während er seine Finger in den unebenen Asphalt grub und keuchend um Atem rang. ,,Herr Gott, wie wurden gerade beinahe getötet! Und du fragst noch, ob alles in Ordnung ist? Verdammte Scheiße nochmal, das war eine Schattenbestie!" Schattenbestie? Verwirrt legte Mona ihre Stirn in Falten. Das wurde ihr allmählich alles zu seltsam. Kannte ihr bester Freund etwa tatsächlich den Oberbegriff des Wesens, das aus ihren Albträumen stammte und eigentlich nicht einmal existieren sollte? Oder benutzte er diesen Ausdruck einfach nur, weil er ihm soeben eingefallen war und er ihn als passend empfunden hatte? Zerstreut seufzte das Mädchen. Ihr Gehirn explodierte fast von all den seltsamen Informationen, die sie in den letzten fünf Minuten erfahren hatte.

Dream - Die Sage der TraumwandlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt