6. Der Kampf um Leben und Tod

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Entsetzt wirbelte Mona herum. Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt, als das pelzige Monster langsam auf sie zu schritt und angriffslustig mit dem pelzigen Schwanz peitschte. Zum ersten Mal trat ihr die Bestie in voller Montur entgegen, was dem Mädchen einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte. Es wirkte noch unheimlicher und gefährlicher als je zuvor, denn bisher hatte sie es schließlich noch nie in seiner vollen Größe gesehen. Das pelzige Wesen hatte die Form eines ungepflegten Wolfes, mit dem Unterschied, dass es fast so groß war wie sie selbst und seine Pranken viel imposanter waren, sodass Mona vor Angst schluckte. Gierig schleckte es sich mit der Zunge über die abgewetzten Lippen, wobei seine messerscharfen Zähne drohend im Sonnenlicht aufblitzten. Ein tiefes Knurren stieg zum wiederholten Male aus seiner Kehle hinauf, während es mit seinen entsetzlichen Krallen begleitet von hässlichen Lauten tiefe Kratzer in den Bordstein einritzte und das Mädchen dabei hungrig mit seinen roten Augen fixierte. Mona war wie gelähmt vor Schreck. Am liebsten hätte sie geschrieen und wäre augenblicklich über alle Berge davon gerannt, doch irgendwie konnte sie sich keinen Zentimeter rühren. Die maßlose Furcht, die wie ein tobendes Feuer in ihr brannte, ließ ihren gesamten Körper gnadenlos einfrieren, sodass sie stocksteif da stand und mit weit aufgerissenen Augen das Monster anstarrte. ,,Mona!", schrie Roland sie derweil entsetzt an und riss ungeduldig an ihren Schultern. ,,Bist du von allen guten Geistern verlassen? Verdammt, lauf doch endlich! Es wird dich erbarmungslos in Stücke reißen, wenn du weiter so da stehst und es wie eine verwirrte Kuh anglotzt!" Doch seine panischen Worte drangen bloß wie aus weiter Ferne an Monas Ohren heran, die sich dementsprechend immer noch kein Stück rührte und wie in Trance mit ansah, wie dem gefräßigen Wesen lange Fäden von schäumendem Sabber vor sich auf die Erde trieften. Sie wusste, dass sie dem Tod geradewegs in die feurigen Augen blickte und doch fühlte sie sich, als würde ihre Angst all ihre Besinnung vernebeln. Das einzige, was sie noch spürte, war ihr rasender Herzschlag und ihr schlotternder Körper, während ihr der feuchte Schweiß literweise übers Gesicht rann.

Plötzlich wurde sie von hinten erneut an den Schultern gepackt und so grob zurück gezogen, dass sie beinahe zu Boden gestürzt wäre. Als hätte man ihr einen Eimer voll von eiskaltem Wasser über ihrem Kopf ausgegoßen schrak das Mädchen ruckartig aus ihrer Trance und taumelte hilflos zur Seite, wobei es ihr gerade eben noch gelang, sich mit ihren schwachen Beinen aufrecht zu halten. ,,Herr Gott nochmal, jetzt lauf doch endlich, verdammte Scheiße!", fuhr Roland sie so aufgebracht an, dass sie erschrocken in sein zugleich wütendes und panisches Gesicht blickte. ,,Willst du etwa, dass dich dieses Biest umbringt? Jetzt lauf gefälligst weg, so schnell du kannst!"

Kaum hatte der Junge dies gesagt schnappte das Wesen aggressiv mit dem Maul und knickte knurrend seine Beine ein, während es Mona mit seinen feurigen Augen gierig fixierte. Nur wenige Sekunden noch und es würde blitzschnell vom Boden auf sie zu springen und ihren Körper auf das harte Pflaster des Bordsteines heften. Vor lauter Entsetzten brach endlich das Eis, dass sie und ihre Regung einfror und noch ehe das Monster sie attackieren konnte, setzten sich ihre Beine schlagartig in Bewegung. Wie ein aufgeschrecktes Reh sprinteten ihre Füße wie von allein den Weg an der Straße hinunter, ohne sich ein weiteres Mal nach Roland oder dem Biest umzusehen. Das empörte Fauchen drang an ihre Ohren, gefolgt von dem schnellen Tappen von vier Pfoten, die von Sekunde zu Sekunde rasanter auf den Boden schlugen. Es nahm die Verfolgung seiner hilflosen, kleinen Beute auf, die verzweifelt versuchte, davonzukommen. Monas Atem überschlug sich förmlich, während ihre Beine sie die Straße hinunter trugen. In ihrem Kopf schwirrten die vermeintlichen Gedanken nur so umher und ihr Herz pumpte derweil so enorm, als würde es jeden Moment explodieren. Wie war das nur möglich? Wie konnte das nur die Realität sein? Verzweiflung bahnte sich zu den Ängsten, von denen sie beinahe verschlungen wurde. Es muss die Wahrheit sein!, schoss es ihr mehrmals durch den Kopf. Roland konnte es sehen! Es war keine Einbildung! Es ist die Realität! Als hätte man ihr einen Überschuss Adrenalin in die Adern gepumpt, nahm sie all ihre sämtliche Kraft zusammen und hetzte so schnell wie noch nie davon. Sie wusste, dass sie dem Tier um einiges unterlegen war und mit ihrer Flucht nur wenig Erfolg haben würde, doch anzuhalten und direkt aufzugeben kam für sie noch weniger in Frage. Lieber bemühte sie sich ansatzweise, etwas für ihr bedrohtes Leben zu tun, als sich direkt von der Bestie in Stücke reißen zu lassen.

Dream - Die Sage der TraumwandlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt