1. Rot glühende Augen

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Eine eisige Gänsehaut glitt dem Mädchen über den Rücken, als der kalte Wind an ihr vorbei rauschte und dabei ein unheimliches Pfeifen hinterließ. Unruhig rieb Mona sich ihre nackten Arme, die aufgrund des himmelblauen Nachtkleides, welches sie trug, völlig ungeschützt der Kälte der Nacht ausgesetzt waren. Doch die niedrigen Temperaturen waren noch das geringste, was ihr Sorge bereitete. Die knochigen, leblosen Bäume, die von der Düsternis in tiefes Schwarz getränkt waren und der Vollmond, der einen schaurigen Glanz auf ihre Umgebung legte, waren der eigentliche Grund, warum ihr Puls vor Angst immer schneller pochte.

Zittrig drehte sie ihren Kopf zu allen Seiten. War denn wirklich niemand in der Nähe, der ihr aus dem ganzen Schlamassel heraushelfen konnte? Oder der ihr überhaupt zu erklären vermochte, wie und warum sie hierher gekommen war? Verzweifelt stieß das Mädchen ein tiefes Seufzen aus. Die Tatsache, dass sie absolut keine Ahnung hatte, wo sie war, war nicht nur das eine Problem. Auf der anderen Seite hatte sie nicht einmal den blassesten Schimmer, wie sie hierhin gelangt war. In dieses grässliche, modernd stinkende Moor, mitten in tiefster Nacht und das auch noch allein. Immerhin hatte sie kurz zuvor noch im hohen Gras unter strahlend blauem Himmel gelegen, während sie den majestätischen Drachen, welche ihre mächtige Erhabenheit am Himmel repräsentiert hatten, beim Umkreisen der Sonne zugesehen hatte. Nun hingegen steckte sie urplötzlich mit ihren bloßen Füßen tief in der Matsche des nebligen Untergrunds und hatte nicht die geringste Ahnung davon, was überhaupt passiert war.

Hilflos sah Mona sich ein weiteres Mal um, wobei ihr Herzschlag immer panischer gegen ihre Brust schlug. Dieser Ort machte ihr ziemlich Angst, und das, obwohl sie in ihrer Kindheit oft auf Nachtwanderungen im Waldunterwegs gewesen war. Doch das hier war anders. Dieser Ort hier kreischte förmlich vor lauter Gefahr, die wie eine schwarze Seuche den Wald aus toten Bäumen verpestete. Was auch immer geschehen sein musste, sodass ihr derzeitiges Umfeld so krankhaft zugerichtet, Mona mochte es sich im Traum nicht erklären wollen.

Lauf weg!, befahl die innere Stimme des Mädchens alarmiert, fast schon so schrill wie die gräßliche Sirene in ihrer Schule, welche die Schüler auf eine mögliche Brandsituation vorbereitete. Doch aus irgendeinem Grund konnte sie sich nicht bewegen. So sehr Mona auch versuchte, gegen das lähmende Gefühl der Angst anzukämpfen, es half einfach nichts. Die Furcht hatte ihren Körper wie eine Krankheit überfallen und fror dieses förmlich ein, sodass ihr nichts übrig blieb, als ihre eiskalten und undurchbluteten Hände zu ignorieren.

Zweige knackten, aufgescheuchte Rabenklänge hallten, begleitet von wilden Flügelschlägen, durch den Wald. Wie vom Blitz getroffen schrak das Mädchen zusammen und fuhr zu der Stelle herum, aus dessen Richtung der Laut gekommen war. Was war das bloß gewesen?Tausende Vorstellungen von unbeugsamen Bestien schossen ihr durch den Kopf, welche es in jener Sekunde, in der es nicht richtig aufpasste, mit messerscharfen Krallen attackieren könnten. Mona hielt den Atem an. Eisige Stille folgte. Schweratmend zählte sie gedanklich die Sekunden ab, die seither verstrichen waren und stieß zu allen möglichen Göttern, die ihr aus dem Religionsunterricht einfielen, ein Gebet aus, in der verzweifelten Hoffnung, sie würden ihr zu Hilfe eilen. Sofern sie überhaupt existierten.

Und dann sah sie es! Rot glühende Augen glommen in der Dunkelheit auf, begleitet von einem dröhnenden Knurren, das bedrohlicher als alles klang, was das Mädchen je gehört hatte. Mona wurde von blanker Panik ergriffen und ihr Atem setzte für einen kurzen Augenblick aus, während sich ihre Nackenhaare nervös aufstellten. Was sollte sie nun tun? Weglaufen? Egal was es war, das Monster würde sie bestimmt einholen, da war sich Mona sicher. Gegen es zu kämpfen war ohnehin ausgeschlossen, wo sie schließlich nicht zu der kräftigen Sorte von Mensch gehörte und nicht ansatzweise wusste, wie man sich überhaupt gegen sowas verteidigte.

Das Ungeheuer knurrte ein weiteres Mal, ehe schmatzende Laute von langsamen Tritten in die moorige Erde die Aufmerksamkeit des Mädchens erregten und die Augenlichter näher zu kommen schienen, umrandet von einer schwer erkennbaren Umrandung eines wolfsähnlichen Körperbaus. Ihr Atem stockte und sie riss entsetzt die Augen weiter auf. Das Biest bewegte sich geradewegsauf sie zu. Erneut ließ es einen hungrigen Ton erklingen und entblößte Mona eine Reihe von dolchartigen Zähnen, die im Mondlicht verheißungsvoll aufblitzten und einen Anschein von scharfen Messern verliehen, dessen Anblick Monas Magen komplett umdrehte. Das war zu viel! All ihre Furcht und ihre Panik trieben sie innerlich an den Rand des Wahnsinns, ihr Herz beschleunigte, als würde es einen Marathon laufen wollen und ihre Lunge schien so zugeschnürt, dass sie glaubte, keine Luft mehr zu bekommen.

Dream - Die Sage der TraumwandlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt