14. Die Götter des Sternenhimmels

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Ungläubig starrte Mona ihrer Lehrerin ins Gesicht. ,,Ähm... wie... wie meinst du das?", stotterte sie völlig neben der Spur und zog so irritiert die Stirn kraus, dass Amelia ein wenig zu schmunzeln begann. ,,Es hätte mich gewundert, wenn du anders reagiert hättest!", sagte sie lächelnd und zwinkerte ihrer Schülerin verständnisvoll zu, welche ihren Blick allerdings mit bloßer Fassungslosigkeit erwiderte. Am liebsten hätte sie irgendetwas von sich gegeben, irgendetwas, damit sie nicht die ganze Zeit so dreinblickte, als wäre ihr ein Geist begegnet. Doch sie fühlte sich, als hätte man ihr erbarmungslos die Kehle zugeschnürt und gleichzeitig den gesamten Verstand geraubt, sodass sie weder den winzigsten Ton zustande brachte, noch irgendeinen klaren Gedanken zu fassen bekam. Sie war einzig und allein den hunderten Gedanken ausgeliefert, die ihr Gehirn wie Mardern zu zerfressen und ihr bisheriges Wissen zum Nachthimmel gehörig auf den Kopf zu stellen begonnen, weswegen sie sich schließlich mit spitzen Fingern verzweifelt die Schläfen massierte und die Augen schloss. Die Sternbilder waren also echte Götter... wie konnte das nur ansatzweise möglich sein? Schön, sie hatte heute so einige Dinge bereits erlebt, die keinen Sinn ergaben und trotzdem existierten, das musste sie sich eingestehen. Aber wie um Himmels Willen sollten eine Hand voll von Sonnen, die zusammen ein Symbol mit einer seltsamen Bezeichnung bildeten, echte Lebewesen verkörpern, die sie wirklich bei jeder Kleinigkeit im Auge behielten?

Mona konnte sich ihre Logik nicht einmal selbst erklären, warum ihr Einhörner aus Zuckerwatte normaler vorkamen als gottesähnliche Himmelskörper, doch die Tatsache, dass es angeblich mehr als einen Gott gab, wollte in ihrem Kopf einfach keinen Sinn ergeben. Sie gehörte zwar nicht zu den religiösesten Menschen und konnte sich auch nicht vorstellen, dass alles, was in der Bibel stand, stimmte, allerdings war sie dennoch von ihrem evangelischen Glauben geprägt und glaubte tatsächlich daran, dass der eine Herr ihres Christentums existierte. Dass es stattdessen mehrere und vollständig andere Gottheiten gab, erklang ihr aus diesem Grund einfach viel surrealer, als dass sie gerade auf einem echten Drachen flog.

Verwirrt schüttelte das Mädchen den Kopf und öffnete erneut die Augen. ,,Sei mir bitte nicht böse, Amelia!", begann sie skeptisch, wobei sie die Frau entschuldigend anblickte. ,,Okay, ich gebe zu, ich hätte auch nicht damit gerechnet, dass es Drachen und essbare Einhören gibt, aber so gerne ich auch würde, ich kann es mir leider beim besten Willen nicht vorstellen, dass unsere Sternbilder in Wirklichkeit Götter sind! Ich meine, wie soll das denn bitte möglich sein? Es sind verdammt nochmal Symbole, die irgendwelche verrückten Typen vor mehreren Jahrhunderten im Himmel gesehen haben, weil sie gerade nichts besseres zu tun hatten! Und sie bestehen alle aus Sternen! Sag mir jetzt bitte nicht noch, dass auch die in Wahrheit Lebewesen sind, die uns jede Nacht stalken!" Erwartungsvoll hob sie die Augenbraunen und würdigte Amelia eines wenig überzeugten Blickes, während Roland sich sichtbar darum bemühte, nicht augenblicklich in schallendes Gelächter zu verfallen. Sein Gesicht war hochrot angelaufen und sein Mund zu einem zusammengepressten Grinsen verzogen, wobei seine Augen vor Belustigung bereits einige Tränen absonderten. Ihre sarkastische Bemerkung schien ihn viel mehr zu amüsieren, als dass er sie tatsächlich ernst nahm, weswegen das Mädchen genervt mit den Augen rollte. Normalerweise hätte sie mit ihm zusammen darüber gelacht und gescherzt wie in alten Zeiten, doch diesmal war ihr sonderlich wenig zum Spaßen zumute, weshalb sie sein albernes Verhalten letztendlich ignorierte und ihre Aufmerksamkeit erneut auf Amelia richtete, die sich allerdings auch kein belustigtes Lächeln entgehen ließ.

,,Es mag durchaus unglaubwürdig klingen, das gebe ich zu!", schmunzelte sie, ehe sich plötzlich wieder der kühne Ernst auf ihre Gesichtszüge legte. ,,Aber auch, wenn du darüber noch zu scherzen vermagst, steckt viel mehr Wahrheit und Vermächtnis dahinter, als du dir bislang vorstellen kannst! Denn nur, weil du etwas noch nie gesehen hast, heißt es nicht, dass es nicht da ist! Und auch, wenn du dir das Ganze noch nicht vorstellen magst, so solltest du trotzdem darauf achten, was du über sie zu sagen pflegst! Sie reagieren nämlich nicht auf jedes deiner Worte gut, die du über sie in den Mund nimmst, weshalb ich dich darum bitten möchte, sie mit Respekt zu behandeln!" ,,Und wie möchtest du mir das so glaubhaft darstellen, dass ich es akzeptieren kann?", stellte Mona seufzend infrage, ohne sonderlich beeindruckt zu klingen. ,,Machen wir jetzt auch noch eine Reise zum Mond und fliegen Star Wars - like durch die Galaxis, nur damit ich endlich wahrnehme, dass ich vom Nachthimmel dauerhaft gestalkt werde?" Nun war es endgültig um Roland geschehen. Prustend gab er schließlich seinem Gelächter, das er schon die ganze Zeit sichtlich zurückgehalten hatte, freien Raum und neigte lachend sein Haupt, während er Brutus vor lauter Belustigung auf den Rücken klopfte. ,,Sorry, nehmt's mir bitte nicht übel!", brachte er amüsiert zustande und rang stoßweise nach Atem, wobei er pausenlos weiter kicherte. ,,Aber manchmal kann ich dich und deine Sprüche einfach nicht ernst nehmen, besonders, da du nicht einmal Ahnung hast, worüber du dich lustig machst!"

Dream - Die Sage der TraumwandlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt