3. Schau exakt

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„Das waren für euch mal wieder, die gut aussehenden, wohl riechenden und allseits potenten Spielleute von..." begann Lasterbalk ihren üblichen Abschiedsgruß.

„Saltatio!" riefen die acht Bandmitglieder gemeinsam und hoben auffordernd die Hände zum Himmel.

„Mortis!" echote es auch sogleich von dem feiernden Publikum. Immer noch klatschten die Fans begeistert, jubelten, sangen ihre Lieblingslieder und baten um eine Zugabe. Doch leider reichte die Zeit nicht mehr für eine weitere Songeinlage, auch wenn die Spielmänner sie natürlich gerne geboten hätten.

„Das war der Hammer", behauptete Till in einer Sing-Sang Stimme. Die Umstehenden nickten zustimmend.

Alea wippte ein wenig unentschlossen hin und her. Zum Einen war er noch aufgekratzt und das Adrenalin schoss durch seine Venen und wollte ihn dazu bringen, sich auf seinen Freund zu stürzen und dessen ungeteilte Aufmerksamkeit einzufordern. Aber zum Anderen waren sie immer noch in Sichtweite der Fans und er hatte seinem L ja versprochen, noch bis morgen mit der Offenbarung ihrer Beziehung zu warten.

„Hey..." riss Jeans Stimme ihn aus seinen Gedanken. „Hast du kurz Zeit?"

„Na klar", eigentlich hätten sie zur Autogrammstunde gehen müssen, aber ihnen blieb noch ein wenig Zeit. Darüber hinaus war die Stimme des Halbfranzosen angespannt gewesen, es musste sich also um eine wichtige Angelegenheit handeln. „Was ist denn los?"

„Lass uns unter vier Augen reden", forderte Jean und bedeutete Alea, dass er ihm folgen sollte. Dieser kam der Bitte natürlich sofort hinterher und folgte dem Schwarzhaarigen zu einem abgelegen Teil hinter der Bühne.

Fast schon paranoid sah sich der Trommler um und erst als er sicher war, dass Niemand sie hören würde, sprach er aus, was ihn plagte: „Luzi macht sich Sorgen."

Aleas Stirn legte sich in Falten. „Sorgen? Worüber?" er fragte sich obendrein, warum SEIN Freund, mit seinen Sorgen zu Jean ging und nicht zu ihm kam.

„Über dich", antwortete er. „Du benimmst dich in letzter Zeit wohl äußerst komisch, sagt Luzi."

Verwundert blinzelte der Sänger, doch sein Blick änderte sich schnell zu Unbehagen. Nervös fing er an auf den Fußballen hin und her zu wippen und seine Hände ballten sich immer wieder zu Fäusten, bevor sie sich wieder entspannten. Dabei mied er gekonnt den suchenden und wachsamen Blick seines Spielmannkollegen.

Schließlich entwich ihm ein schwerer Seufzer und er zwang sich dazu, Jean direkt anzusehen. „Ich habe... ein Geheimnis... sozusagen.", druckste er drum rum.

Ein schlechtes Gefühl machte sich in der Brust des Trommlers breit. Alea hatte ein Geheimnis vor Luzi, das war kein gutes Zeichen. Und nun, da er sich nicht hatte daraus halten können, musste er die Sache wohl mit ausbaden.

„Alea", sein Ton war warnend. „Geheimnisse in einer ernst gemeinten Beziehung sind niemals gut." Oft genug hatte er schon miterlebt, wie langjährige Beziehungen dadurch zu Bruch gegangen waren.

„Ich weiß", sagte Alea eine klitzekleine Spur zu hastig. „Ich weiß, aber das hier ist etwas Anderes, glaub mir."

„Alea..." er konnte nur ungläubig auf den Braunhaarigen blicken.

„Bitte, es ist nicht so, wie du denkst. Du musst mir vertrauen..." nun war es Alea, der sich zur Sicherheit einmal gründlich umsah. Dann trat er einen Schritt auf den misstrauischen Trommler zu, der ihn scharf beobachtete und nach dem kleinsten Anzeichen einer Lüge Ausschau hielt.

Der Sänger war ihm jetzt so nah, dass er dessen Atem an seinem Ohr spürte, als Alea anfing geheimnisvoll zu flüstern: „Okay, hör zu. Schau einfach in meine Tasche, die die im Bus in Luzis Koje liegt. Unter den Klamotten findest du einen kleinen Gegenstand, der in ein Tuch gewickelt ist... aber du musst zusehen, dass Luzi es nicht zu Gesicht bekommt, das ist ganz, ganz wichtig."

Jean gefiel das Alles gar nicht. Er mochte Geheimniskrämereien nicht. Aus seiner Sicht, sollte man immer offen und ehrlich zueinander sein, in einer festen Beziehung, wie Alea und Luzi sie hatten, aber auch in einer einfachen Freundschaft. Denn sobald Geheimnisse entstanden, bestand die Gefahr, dass sie ans Licht kommen und so das Vertrauen zwischen den beteiligten Personen zerstören konnte.

Trotzdem, etwas in Aleas Blick ließ ihn Schmunzeln und Aufhorchen. So hatte er den Sänger noch nie erlebt. Und da Jean von Natur aus ein sehr neugieriger Mensch war – er war Franzose, das war nur natürlich – konnte er nur ein schwaches: „Alles klar..." hinaus pressen.

„Danke", die Erleichterung war dem Ziegenbärtigen direkt ins Gesicht geschrieben und er trat nun auch wieder aus Jeans persönlichem Bereich.

„Wo bleibt ihr denn?" konnten sie die laute Stimme des anderen Trommlers vernehmen. Die beiden Spielmänner drehten sich natürlich zu dem Bandpapa um. „Autogrammstunde", rief er und winkte sie herbei.

„Dein kleines Geheimnis muss wohl noch warten", gab Jean von sich und zusammen schritt er mit dem immer noch recht aufgedrehten Sänger in Richtung der wartenden Fans.

Jean war froh, als er ohne schlechtes Gewissen, wieder zum Nightliner zurückgehen konnte. Er brauchte dringend eine Pause. Eigentlich hatte er schon nach der Autogrammstunde am Merchstand sich seinen Met holen und damit dann zum Bus gehen wollen, doch hatte ihn ein dringender Anruf erreicht, der nicht hatte warten können. Aber jetzt war ja Alles wieder gut und er konnte glücklich mit seinem Met in der Hand, zum Bus.

„Na... wo sind denn die Anderen?" wollte er wissen, als er nur Falk und einen schlafenden Lasterbalk vorfand. Die Tatsache des es der Lästerliche und nicht der Quotenadlige war, der ein Nickerchen hielt, war schon etwas Besonderes und müsste eigentlich festgehalten werden. Aber Jean war heute nicht mit dem Tourtagebuch dran und wusste auch nicht, wo die Kamera steckte.

„Till, Elsi und Frank wollten nochmal an die Schenke und sich auch was zu essen holen. Alea und Luzi laufen übers Gelände, wegen Aleas Tourtagebuch. Und Lasterbalk wandert friedlich im Reich der Träume." Er lächelte, zufrieden mit sich und der Welt.

„Verstehe", er blickte kurz auf die Titelseite des Buches, das der Mümmelstein in der Hand hielt, konnte aber nicht viel damit anfangen. Deswegen wandte er sich um, um in den Bus zu gehen, er hatte ja noch eine geheime Mission zu erledigen.

„Wohin gehst du?" wollte Falk wissen, neugierig wie immer.

„Ich muss nur rasch was nachschauen", antwortete der Halbfranzose wahrheitsgemäß. „Bin gleich wieder da."

Es traf sich ausgesprochen gut, dass fast alle seine Kollegen nicht anwesend waren, sondern sich irgendwo herumtrieben. So hatte der Trommler genug Zeit, um Luzis unbenutzte Koje aufzusuchen – es war ihm ein Rätsel, wie die beiden Verliebten es schafften, bei der Hitze und Enge gemeinsam in Einer zu schlafen – und fand auch sofort die Reisetasche, die nur Alea gehören konnte.

Ein wenig seltsam fand er es schon, dass er in fremden Sachen wühlte, aber man hatte es ihm ja befohlen. Und so dauerte es auch nicht lange, bis er schließlich fündig wurde.

Vorsichtig, er wusste ja nicht, womit er es hier zu tun hatte, nahm er das – in ein Tuch eingewickelte – Objekt heraus. Er machte ein nachdenkliches Geräusch und seine Stirn legte sich in Falten, als eine kleine, quadratische Schachtel zum Vorschein kam. Die schwarze Box war recht unscheinbar und neugierig wie der Franzose nun mal war, riskierte er einen Blick hinein.

Ein überraschtes Auflachen entwich Jean und er schüttelte baff den Kopf, bevor er die Schachtel wieder schloss und sorgfältig verstaute und versteckte. „Na dann." Erleichterung machte sich in ihm breit, das änderte natürlich so Einiges. Und zumindest er müsste sich keine weiteren Sorgen machen, Luzi hingegen, musste wohl noch eine kleine Weile leiden.

Auf Ewig VereintWo Geschichten leben. Entdecke jetzt