5. Für dich

240 19 27
                                    

Das Kleine L stand abseits seiner Kollegen und kontrollierte nun schon zum dritten Mal seinen Dudelsack. Er war nervös und brauchte irgendeine Tätigkeit, um sich abzulenken. Alea und er würden heute, während dieses Auftrittes, ihre Beziehung öffentlich machen. Und er machte sich tierisch Sorgen.

Er hatte einfach nur Angst, höllische Angst, vor der Reaktion der Fans, auch wenn er wusste, dass das eigentlich völliger Blödsinn war. Ihre Fans standen hinter ihnen, hatten sie schon immer und würden sie auch weiterhin. Natürlich würde es vereinzelt auch Aufschreie und lautstarke Proteste geben, aber homophobe Menschen gab es überall. Also, warum machte ihn die ganze Angelegenheit so stark zu schaffen?

Plötzlich schlangen sich zwei Arme von hinten um ihn und er wurde an eine nackte Brust gezogen. „Hey mein Kleiner, alles wird gut", murmelte Alea in sein Ohr und küsste die Haut direkt darunter.

„Ich hab Angst", Luzi drehte den Kopf gerade genug, dass er seinem Lieblingsmenschen aus dem Augenwinkel sehen konnte. Vorsichtig legte er sein Instrument zurück auf den dafür vorgesehenen Halter und er ergriff stattdessen die Arme, die ihn hielten.

„Ich weiß. Ich weiß." Die Tenorstimme wirkte beruhigend auf das Kleine L.

„Bist du sicher, dass wir das machen sollten?" fragte er.

„Ach Luzi", seine Stimme klang leicht amüsiert. „Denk immer daran, wir sind Spielmänner und können deswegen tun und lassen und sagen, was wir wollen. Das macht uns zu den wilden und freien Spielleuten, dir wir nun mal sind... Außerdem stehen die Band, unsere Freunde und unsere Familien immer hinter uns, egal was auch passiert."

Das stimmte. Aleas Familie hatte Luzi mit offenen Armen aufgenommen, obwohl sie ihn ja gar nicht richtig gekannt hatten. Auch Alea war herzlich begrüßt worden, wenn auch ein wenig zögerlich von Manchen, nachdem Luzi ihnen von dem Streit und der kurzen Trennung erzählt hatte. Er und sein Freund waren sich in diesem Punkt einig gewesen, ihre Familien hatten ein Recht darauf zu erfahren, was passiert war. Immerhin war Aleas Familie Zeuge von dieser unschönen Auseinandersetzung gewesen und bevor Luzis Familie es auf eine andere Weise erfahren würde, hatte das Paar es lieber selbst in Angriff genommen.

„Du hast Recht, trotzdem bin ich nervös. Als Spielmann soll man sich ja eigentlich nicht binden...", gab der Rotschopf kleinlaut von sich.

„Mach dir nicht so viele Gedanken, mein Schatz. Es wird Alles gut werden, ich weiß das."

Luzi drehte sich in den Armen des Anderen um. „Und du übernimmst das?" Er selbst hätte nicht den Mut dazu.

Alea nickte und lächelte ihn aufmunternd an. „Vertrau mir einfach."

„Mach ich doch immer", er schenkte dem Braunhaarigen mit den roten Akzenten nun auch ein Grinsen und stellte sich dann auf die Zehenspitzen um sich einen kurzen Kuss zu stehlen.

„Seid ihr dann auch mal so weit?" ein wenig genervt klang Lasterbalk schon, der auf einmal neben sie getreten war. Im Gegensatz zu Jean, hatte der langhaarige Trommler keine Ahnung von Aleas Plan.

Der Sänger tauschte einen flüchtigen Blick mit seinem Liebsten und antwortete dann für sie Beide: „Ja, kann los gehen."

Der Auftritt verlief relativ normal, jedenfalls ‚normal' nach ihren Maßstäben und Luzi verlor dann doch langsam aber sicher seine Furcht. Alea sah zwischendurch immer mal wieder zu ihm hinüber und fragte ihn stumm, nur mit seinem Blick, ob alles in Ordnung sei. Luzi nickte jede Mal zur Bestätigung.

Sie waren gerade mit der Cantiga Alhambra durch – zu Beginn ihrer Beziehung war es dem Paar sehr schwer gefallen, gerade bei diesen intimen Berührungen nicht den Verstand zu verlieren – da trat Lasterbalk sicher nach vorne, um die nächste Anekdote zu erzählen und so das nächste Lied anzusagen. Doch Alea kam ihm, zur Überraschung Aller, zuvor.

„Duuuu, Lasterbalk?"

Das war Jeans Stichwort der Franks Blick suchte um ihm klarzumachen, dass jetzt UNBEDINGT die Kamera laufen musste. Der Asiate ließ sich das nicht zweimal sagen und bewegte sich unauffällig nach vorne, um das Gerät am vorderen Bühnenrand aufzustellen. Nur so konnte er spielen und gleichzeitig alles filmen.

„Oje, wenn der Sänger schon so anfängt, kann das eigentlich nichts Gutes bedeuten." Die Menge lachte auf Lasterbalks Kommentar hin und er selbst warf einen belustigten Blick zu dem Kleineren.

„Also ich würde gerne ein ganz bestimmtes Lied spielen... es steht zwar nicht auf der Set-Liste, ist aber ungeheuer wichtig." Wieder traf sein Blick auf den rothaarigen Dudelsackspieler, der inzwischen doch etwas blass um die Nase war.

Der Lästerliche hob eine Augenbraue und wandte sich zum Publikum. „Wollt ihr hören, was unser Sänger sich ausgedacht hat?" Jubel und Applaus waren seine Antworten. „Na gut... aber nur, weil ich heute gute Laune habe."

Ein Grinsen machte sich auf Aleas Gesicht breit, als er sich zum Publikum wandte. „Das Lied, das ich jetzt spielen möchte, ist einer ganz besonderen Person gewidmet. Einer Person, die mir sehr, sehr viel bedeutet."

Wieder jubelten die Fans. Sie fühlten mit und freuten sich auf die persönliche Einlage.

Jean hatte ihm währenddessen netterweise eine Gitarre überreicht, die Alea natürlich auch dankend annahm. Der Halbfranzose spielte den Takt an, die ersten Töne erklangen auf den Seiten und während Alea begann „Für Dich" zu singen, sprangen die restlichen Spielleute langsam aber sicher mit ein.

Als das Lied dann verstummte, zeugte die Menge den Saltaten tosenden Beifall, einige sangen sogar noch ein wenig weiter. Alea atmete tief durch und auch ohne hinzusehen, wusste er, dass Luzi gerade dasselbe getan hatte.

Lasterbalk machte wieder einen Schritt nach vorne. „Das war noch nicht Alles", sagte Alea schnell.

„Oje, was hast du denn jetzt noch vor?" wollte der Größere gespielt schockiert wissen. Aber als er sich wieder zu Alea drehte, funkelten seine Augen verräterisch, er hatte da so eine Ahnung, der Schuft.

„Die Person, die ich eben erwähnt habe..." er nahm das Mikro, drehte sich zu Jean und gab dem Trommler seine Gitarre. Zum Tausch bekam er dafür die kleine, schwarze Schachtel, die der Tambour für ihn versteckt und aufbewahrt hatte. Er hatte nämlich Taschen an seinem Bühnenoutfit, Alea nicht. Davon abgesehen, hätte Luzi oder einer der Anderen wahrscheinlich bemerkt, wenn er den Gegenstand mit auf die Bühne geschmuggelt hätte.

Der gesamte Austausch geschah so, dass keiner außer Sänger und Schlagzeuger die Schachtel sah. Selbst Lasterbalk nicht, der den Braunhaarigen mit Adleraugen beobachtete.

„Auf jetzt", nuschelte Jean in seinen Bart, sodass Keiner ihn hörte. Er fieberte fast genauso stark mit, wie Alea selbst.

„Ich kann mir mein Leben nicht mehr ohne ihn vorstellen und will es auch gar nicht. Und deshalb...", er drehte sich zu Luzi und kniete sich in einer eleganten und fließenden Bewegung vor ihm nieder und sah ihn aus treuen, rehbraunen Augen an. „Luzi, willst du mich heiraten?"

Auf Ewig VereintWo Geschichten leben. Entdecke jetzt