19. Die Suche nun zu Ende ist

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Lasterbalk besah sich seinen guten Freund und Bandkollegen mit einem heftigen Kopfschütteln. Wie ein verschrecktes Huhn, rannte der Sänger auf und ab und hin und her. Man könnte meinen, er stünde vor seinem Untergang und nicht vor seiner Hochzeit. Wobei es sicherlich schon genug Menschen gegeben hat, die keinen Unterschied zwischen den beiden Dingen sehen würden. Und nun musste der Lästerliche auch noch ein Schmunzeln verstecken, das wäre nämlich sicher nicht gut bei dem Aufgekratzten angekommen.

„Sollten wir nicht Etwas tun?" wurde er von der Brünette neben ihm gefragt.

Langsam blickte der Schlagzeuger zu Rebecca hinunter, die ihren Bruder mit einem mitleidigen Blick beobachtete. „Ich glaube bei dem sind Hopfen und Malz verloren." Wieso nur hatte er sich dazu überreden lassen, Trauzeuge zu sein? Er könnte jetzt schön entspannt mit seinen Bandkollegen die Zeit totschlagen, aber nein, stattdessen durfte er sich mit einem aufgekratzten Sänger rumquälen.

„Ich versuche es trotzdem mal", nickte die Kleinere und trat in den Laufweg ihres Bruders, der nur ganz knapp vor ihr zum Stehen kam. „Jetzt setz dich doch mal hin, du machst dich ganz verrückt. Und uns auch", der letzte Teil war so leise gemurmelt, dass Alea es nicht hörte.

„Verrückt? Ach Quatsch, ich bin die Ruhe selbst, siehst du doch. Ist ja nicht so, als würde ich mir Gedanken darüber machen, ob Luzi auch wirklich ‚Ja' sagt..." er nahm einen tiefen Atemzug nach dem schnellen Redeschwall.

„Luzi wird auf jeden Fall ‚Ja' sagen, sonst hätte er sich die ganze Vorbereitung gespart", mischte sich nun auch Lasterbalk ein, der die Schultern seines Bandkollegen griff und ihn bestimmt auf einen Stuhl drückte.

„Außerdem liebt er dich", Rebeccas Stimme hielt keinen Platz für irgendwelche Zweifel und es schien zu wirken. Alea schien sich tatsächlich zu beruhigen.

„Mein Gott... ich bin einfach nur so aufgeregt."

„Jetzt weißt du, wie es mir bei meiner Hochzeit ging", lachte seine Schwester. „Und DU hast dich über mich lustig gemacht... aber keine Sorge, das erspare ich dir heute ausnahmsweise."

„Zu gütig", grummelte der ältere der beiden Geschwister und wieder mal konnte Lasterbalk nur den Kopf schütteln. Das konnte ja was werden.

Währenddessen sah es bei Luzi ein wenig entspannter aus. Er lief wenigstens nicht wie ein Tiger in seinem Käfig auf und ab. Stattdessen stand er steif vor seinem Trauzeugen, kein anderer als der werte Herr Tambour höchst persönlich – dieser hatte Luzi in letzter Zeit immerhin oft genug geholfen und Mut gemacht und allgemein auch viel für die Hochzeit getan und vorbereitet – der ihm gerade auch mit seiner Fliege behilflich war, da seine eigenen Finger zu stark zitterten.

„Na, aufgeregt?" wollte der Halbfranzose wissen.

„Ich bin kurz davor, völlig durchzudrehen", gab Luzi wahrheitsgemäß von sich.

Dazu kam noch, dass er und Alea sich seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen hatten. Allgemein galt es ja als Tradition, dass Bräutigam und Braut sich vor der Hochzeit nicht mehr sehen durften und Aleas Mutter hatte auch darauf bestanden. Aber eher nicht um der Tradition gerecht zu werden, sondern weil sie die Beiden noch ein paar Tage quälen wollte. Jedenfalls interpretierte Luzi das so.

„Dann ist ja Alles gut", schmunzelte Jean. Dafür erhielt er einen zweifelnden und äußerst kritischen Blick des Kleineren, wodurch er Lachen musste. „Wenn du nicht aufgeregt wärst, würde ich mir ernsthafte Sorgen um dich machen. Immerhin ist das hier deine Hochzeit UND eine sehr große Veränderung, die sich nicht so einfach rückgängig machen lässt."

Nun musste auch der kleinere Dudelsackspieler schmunzeln, dessen Fliege nun endlich ordentlich gebunden war. „Sehr lustig..." grummelte er.

Der Halbfranzose schenkte ihm noch ein aufmunterndes Lächeln. „Bereit?" fragte er.

„Nein... aber lass uns trotzdem gehen." Es würde auch nicht besser werden, wenn er noch länger warten würde. Eher wäre das Gegenteil der Fall. Also, tief Luft holen, Augen zu und springen. Viel mehr blieb ihm jetzt auch nicht mehr übrig. Einen Rückzieher würde er auf jeden Fall nicht machen, das stand schon mal fest.

Viele standen schon vor der Kirche oder saßen schon drinnen, als Luzi mit seinem Trauzeugen ankam. Es waren wirklich fast Alle gekommen, abgesehen von ein, zwei Krankheitsfällen. Bei der eigentlichen Hochzeit würden nur ihre Familien und ihre Bandkollegen anwesend sein, bei der darauffolgenden Feier würden dann noch weitere Freunde dazu stoßen, die nicht mehr in die kleine Dorfkirche, die sie sich ausgesucht hatten, reinpassten. Das war Alles Taktik gewesen und zu einem ordentlichen Teil von Lasterbalk und Jean geplant und durchdacht.

„Du hast die Ringe?" fragte der Dudelsackspieler den Halbfranzosen, während er sich seinen Weg durch die Leute bahnte.

Manche gaben ihm die Hand, umarmten ihn kurz, flüsterten ihm aufmunternde Worte zu oder winkten zur Begrüßung. Wieder Andere, Leute aus Aleas Familie, die ihn bisher höchstens von Fotos oder Erzählungen kannten, musterten ihn leicht skeptisch und abschätzend. Er konnte es ihnen nicht einmal Übel nehmen, immerhin entsprach er nicht dem Durchschnittstypen, dafür hatte er die falsche Frisur und zu viele Piercings und Tattoos, wobei letztere durch seinen Anzug verdeckt waren.

„Natürlich, wo denkst du hin?" der Schwarzhaarige war die Ruhe selbst und hoffte innerlich, dass ein wenig von seiner Ruhe auf seinen Kumpel floss.

„Gut", erleichtert atmete Luzi auf. So hatte er doch gestern Nacht davon geträumt, dass die Ringe wie vom Erdboden verschluckt worden waren, die Hochzeit abgeblasen werden musste und Alea ihm dafür die Schuld gab und folglich nicht mehr mit ihm reden wollte. Völliger Quatsch im Nachhinein, aber es spiegelte ziemlich gut Luzis jetzigen Gefühlszustand wider. „Was kann jetzt noch schief gehen?"

Da der Kleinere leicht verzweifelt klang, beschloss Jean dass es besser war, nicht auf diese Frage zu antworten. Stattdessen bugsierte er den Bräutigam zielstrebig in die Kirche, vorbei an seinen Eltern und baldigen Schwiegereltern, die ihn aufmunternd ansahen während er zum Altar geführt wurde.

Die anderen Bandmitglieder waren auch schon eingetroffen. Frank hatte wie immer seine Kamera am Start und macht sie fertig zum Filmen. Es gab zwar auch einen engagierten Fotografen, aber doppelt hielt ja bekanntlich besser. Das und es wäre eine schöne Ergänzung zu dem Bandtagebuch und vielleicht würden einzelne Schnipsel auch veröffentlicht werden, je nachdem wie das Brautpaar sich entscheiden würde. Till und Elsi hatten derweil den Organisten in ein Gespräch verwickelt und Falk erklärte der kleinen Jenny, die mit ihrem Vater schon hier war, was sie denn als Blumenkind zu tun hatte.

Jean nickte zufrieden. So wie es jetzt aussah, lief Alles nach Plan. Es fehlt im Grunde nur noch Eins, die ‚Braut'.

Doch dann fiel sein Blick auf den zappelnden Luzi und insgeheim fragte sich der Halbfranzose, ob er zur Sicherheit nicht doch einen Notarzt kontaktieren sollte. Nicht, dass Einer noch umkippte...

Auf Ewig VereintWo Geschichten leben. Entdecke jetzt