Kapitel 1

32 0 0
                                    


Es regnete und da es schon nach den Öffnungszeiten des Friedhofes war stand das Mädchen auch ganz alleine vor dem Grab. Der Boden war aufgeweicht, genauso wie ihre Kleidung. Das Wasser fiel in dicken Tropfen vom Himmel und platschte gegen die Steine und Kreuze, nur um in tausend kleineren Tropfen weiter durch die Gegend zu spritzen. In der Ferne läutete eine Glocke zwölf Mal.

Mitternacht.

Das Mädchen hätte schon längst zurück sein sollen doch es war ihr egal. Heute war ihr alles egal.

Das Grab, vor dem Hope stand, war ein einfacher Stein aus rotem Marmor. Sie hatte rot geliebt. Dadurch hatte man sie von ihrer Schwester unterscheiden können.

Zwei Löcher waren im Stein. In der Mitte untereinander. Von hinten konnte man nachts Kerzen hinter die Fensterchen stellen und am Tage fiel das Licht der Sonne hindurch und malte bunte Muster auf den Weg. Man konnte die Scheiben der Fenster für Buntglas halten, doch nur die Angehörigen und die Hersteller wussten, dass es kein Glas war, sondern geschliffene Diamanten und Edelsteine. Das obere zeigte einen Regenbogen in sieben wunderschönen Farben, das Andere ein Herz. Dessen eine Seite schwarz und die Andere rot gestaltet wurde. Darunter wurde nur ein einzelner Name eingraviert.

Trust.

Man konnte ein tiefes Seufzen und dann ein Schniefen hören. Nach einer Weile ging das Mädchen in die Hocke und legte ein Sträußchen Gänseblümchen auf das Grab.

„Sie hätte mehr verdient als das hier, doch sie hätte bestimmt nicht in der Familiengruft begraben werden wollen. Nur zusammen mit Marrik in einem Sarg."

Im Schatten an einem anderen Grabstein gelehnt stand plötzlich eine mondblonde Gestalt in einem langen Ledermantel, der sie vor dem Regen schützte. Hope hob den Kopf und sah hinüber.

Die Kapuze ihrer Jacke schützte ihren Kopf schon lange nicht mehr vor dem Regen und so rann ihr das Wasser von den Haaren über das ganze Gesicht und vermischte sich mit ihren Tränen.

„Du bist hier", mehr sagte Hope nicht. Eine Weile herrschte Schweigen. „Gänseblümchen also. Hätte es an ihrem Todestag nicht eine anderen Blumen sein sollen?", fragte die Blonde und rührte sich nicht. Hope sah sie weiterhin an und blickte dann wieder zum Grab.

„Nein, andere Blumen hätte sie nicht gewollt."

Ein Seufzen erklang in der Dunkelheit.

„Ich finde wir waren lange genug im Regen und du wirst schon genug Ärger bekommen. Gehen wir? Lassen wir Andere auch noch hier her." Endlich bewegte sich die Gestalt und ging zum Eisenzaun, in dem eine Tür eingelassen war. Hope setzte sich ebenfalls in Bewegung.

„Heute wird keiner mehr kommen. Die Zeit ist um."
Die Blonde zog nur die Augenbrauen hoch und wurde ernst.

„Stimmt."
Sie ließ Hope voraus gehen und warf einen kurzen Blick auf sie. Die dünne Jacke mit der Kapuze war so nass, dass sie ihr an der Haut klebte. Die Jeans war ebenfalls durchnässt und alles bis zum Knöchel mit Schlamm bedeckt. Death würde wieder einen Anfall bekommen, wenn er Hope so sah, doch das war Hope heute gleichgültig. Mit zwei Schritten hatte sie das Mädchen wieder eingeholt und lief einen halben Schritt voraus neben ihr. Da der Friedhof abgelegen war und die Uhrzeit und das Wetter nicht gerade die bestmöglichsten waren, trafen sie erst in der Innenstadt wieder auf Menschen. Der Regen schien stärker zu werden und so sahen nicht einmal die Menschen unter ihren Schirmen nach den Beiden.
Die Blonde zog den Kopf etwas ein da sie den Regen nicht gerade mochte. Sie fühlte sich wie eine ersoffene Katze obwohl große Katzen das Wasser nicht scheuten.

hope & trust IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt