"Du... du... bist..."
Ethan stockte. Sah vom zusammengeschlagenen Bündel alias Jayden am Boden zu mir. "Sie hat dich umgebracht." Seine Hände ballten sich zu Fäusten und öffneten sich wieder. Er wiederholte diese Prozedur einige Male, sah immer wieder von Jayden zu mir.Ich wollte den Mund öffnen, etwas sagen, irgendetwas. Aber... zugegeben, ich war überwältigt. Ethan hatte stark abgenommen. Seine Wangen waren eingefallen und dunkle Ringe zeichneten sich unter seinen Augen ab. Er trug ein Hemd, dessen Ärmel allerdings hochgekrempelt waren, und so einen perfekten Blick auf eine wulstige Narbe boten, die sich seinen rechten Unterarm hinauf zog. Eine Narbe, die mit Sicherheit vorher noch nicht dort gewesen war.
Am schlimmsten jedoch waren seine Augen. Waren sie vorher schon von Dunkelheit durchzogen gewesen, so ertranken sie jetzt in ihnen.
Plötzlich verzogen sich Ethans Mundwinkel zu einem breiten Lächeln. Er schüttelte den Kopf, während er langsam eine Waffe aus seinem hinteren Hosenbund zog. "Wie Paps immer gesagt hat", grinste, ja, grinste er. "Drogen sind Gift, sie lassen dich Dinge sehen, die gar nicht da sind."
Drogen? Meine Augen verengten sich. Eine von Ethans eisernen Regeln war es gewesen, die Finger von dem Zeug zu lassen.Selbst in seinen dunkelsten Momenten war er, was diesen Beschluss anging, mit beiden Füßen auf dem Boden geblieben.
Meine Augen zuckten zur Waffe. Sie lag ungewohnt schlaff in seiner Hand. Als wäre er nur halbherzig bei der Sache.
Wie in Trance blinzelte Ethan, hob schließlich den Lauf und zielte in meine Richtung. Das Lächeln diesmal so breit, dass seine Zähne aufblitzten.
Er drückte ab. Ich zuckte zusammen, als die Kugel in die Matratze, kaum zehn Zentimeter neben mir, einschlug. Aber ich schrie nicht. Oder duckte mich. Ich sah nur schweren Herzens dabei zu, wie Ethans Augen sich weiter verdunkelten.
"Ahhhh", er deutete träge auf den Herzmonitor, "da! Es hat aufgehört." Als hätte es nicht schon die ganze Zeit davor gestoppt.
"Ethan" sagte der mir bekannte Mann. Die Hände hielt er beschwichtigend erhoben, während sein schreckgeweiteter Blick immer wieder zu mir glitt.
Mein Mann drehte sich mit Schwung von mir weg und zu den umstehenden Menschen hin. Die Waffe hielt er dabei weiterhin nach oben gerichtet. "Ich habe sie angefleht, Dean", sagte er jetzt zu dem Mann. "Ich habe sie angefleht. Sie angefleht! Der Arzt sagte, es läge an ihr, ob sie jetzt noch zurückkommen werde. Sie hat mich im Stich gelassen."
Ich konnte zwar sein Gesicht nicht sehen, aber nach den Blicken der anderen zu urteilen, stand es um sie nicht gut. "Wer sagt mir nicht, dass ihr mich nicht auch im Stich lassen werdet... halt", er neigte seinen Kopf, "eigentlich... wäre mir das sogar völlig egal."Damit hob er die Waffe und feuerte. Einer der Männer ging sofort zu Boden, sein Blut und Gehirn überall auf dem glänzenden Mamorboden verteilt. Die anderen warfen sich fast im selben Moment in Deckung.
Dean fluchte, als eine Kugel haarscharf an ihm vorbei flog.All das beobachtete ich mit einer geradezu abartigen Ruhe. Als würde ich gerade lediglich einen Horrorfilm sehen.
Nur, dass das kein Film war.
Ich hätte weinen können.Der Boden war eiskalt und meine Beine wackeliger als Wackelpudding. Ein weiterer Schub Wärme aus meinem Ring sorgte dafür, dass ich mich aufrecht halten konnte.
Ethan gab einen weiteren Schuss ab. Diesmal streifte die Kugel die Wade einer der Frauen. Sie schrie, taumelte und fiel. Bevor sie den Boden berührte, fuhr bereits eine weitere Kugel durch ihre Brust. Und noch eine in ihren Bauch. Blut spritzte und landete auf Ethans Hosenbein.
"Ethan!", brüllte Dean aus einem der Büsche heraus. "Dreh dich um!" Als Antwort darauf schoss Ethan in einen der Büsche, in dem sich exotische Blumen rankten. Ein lauter Fluch, dann sprintete Dean mit gesenkten Kopf weiter in den Tropenwald.
Ich hatte währenddessen zwei Schritte gemeistert, mit zusammengebissenen Zähnen nur darauf fokussiert, zu Ethan zu gelangen. Was war nur in ihn gefahren!? Seine gesamte Art schien sich um 180 Grad gewendetzu haben.
"E...Ethan." Meine Stimme war ein Hauch, der im nicht vorhandenen Wind davon getragen wurde. Mein Hals kratzte und schmerzte fürchterlich. Aber ich musste etwas tun!
Ethan hob erneut die Pistole und zielte diesmal auf einen Baum. Ein besonders Verzweifelter hatte es doch tatsächlich geschafft, wie ein Affen die Palme am Stamm hochzuklettern. Die Kugel fuhr ihm direkt durch den Rücken. Wie ein Sack voll Zement fiel er auf den Boden zurück. Ethan stieß ein leises Lachen aus. Ein Lachen, welches mir einen Schauer über den Rücken jagte.
Ich schnaubte. Wütend und frustriert zugleich. Ich sammelte alle verbliebene Kraft in mir zusammen und schickte sie in meine Beine. Mehr humpelnd als wirklich gehend, streckte ich die Hand nach Ethans Rücken aus. Je näher ich kam, desto ferner schien er mir. Meine Fingerspitzen brannten und als sie endlich über seinen Rücken strichen, hatte ich das Gefühl, meine Fingerkuppen würden verätzen. Mein ganzer Körper zitterte und ich hatte das Gefühl, jeden Moment zu Boden zu gleiten.
"Ethan."
Ich legte all meine aufgestauten Gefühle, all meine Albträume und alles, was ich sonst noch so in mir trug, in dieses eine Wort. Es war nicht viel, aber es reichte, dass sich Ethans gesamter Körper unter meinen Fingerspitzen anspannte. Es reichte, damit Ethan langsam die Waffe sinken ließ. Zunächst nur zögerlich, aber immerhin schoss er auf niemanden mehr.
"Du bist nicht echt", seine Stimme war heiser. Er hörte sich an, als hätte er seit einer Ewigkeit nicht mehr richtig gesprochen. Er hörte sich an, als würde er mitten in seinem eigenen Albtraum stecken. "Du bist ein Traum."
Ich kniff die Augen zusammen, wollte nicht weinen. Wollte dieses Mal stark bleiben. Ich fühlte mich wie in einer Seifenoper und es würde jeden Moment die Werbung eingeblendet werden. Damit der Zuschauer das eben Geschehene verdauen könnte. Aber ich bekam keine Werbepause, keine Zeit, als Ethan sich umdrehte und seine von Dunkelheit durchfluteten Augen direkt auf meine trafen.
B
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Schachmatt #3 Das Spiel der Könige
RomanceKann man jemanden lieben, der bereits innerlich gestorben ist? Kann man jemanden lieben, der im Grunde seines Herzens Böse ist? Ich kann Ich tue es Die Frage ist nur, wie weit ich für ihn gehen würde, ohne mich selbst dabei zu verlieren. **** Ein...