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Sie bedrängen mich von allen Seiten. Ich kann keinen Schritt machen, ohne, dass plötzlich eine andere Person mir persönlich gratulieren möchte.
Es waren banale Gratulationen, wie etwa was für ein schönes Kleid ich doch trug oder wie Elegant sie mein Auftreten fanden. Ihre Stimmen waren warm und ihr Lächeln so einladend, wie ich es von Poltikern erwartete.

Ich war mir jedoch nur allzu bewusst, dass, wenn diese Menschen mir außerhalb dieser Räume begegnet wären, ohne Ethan an meiner Seite, sie ähnlich reagiert hätten, wie Vater und Tochter vorhin, als ich Dupont verteidigt hatte. Einer der besten Beispiele war der Präsident der Vereinigten Staaten, der sogar mit beiden Händen meine Hand umschloss und sie freundschaftlich drückte. Vor einem Jahr hatte er noch gesagt, dass Frauen, im besonderen Ich, in Männerrunden nichts zusuchen hätten. Unterstützt wurde er dabei leidenschaftlich von seinem Ölgeschäftspartner, dem Saudiarabischen Prinzen höchstpersönlich, welcher gleich nach ihm vor mich trat und eine leichte Verbeugung andeutete. Alles, vom Kopfschmuck der Frauen und den glänzenden, italienischen Schuhen der Männer, war hier falsch.

Was mich dazu brachte, jedes Lächeln doppelt so strahlend zu erwidern und jeder Geste dreifach überschwänglich entgegenzukommen. Dafür zu sorgen, dass keinem dieser Menschen eine Gelegenheit blieb, mich länger in ein Gespräch zu verwickeln, als ich unbedingt ertragen musste. Bei manchen klappte es mehr, als bei anderen.

"Sie müssen unbedingt kommen!", sagte ein besonders hartnäckiges Exemplar, die Frau irgendeines wichtiges Senatoren, so weit ich mitbekommen hatte, gerade zu mir, nachdem ich mit Mühe und Not dem ehemals mächtigsten Mann der Welt entkommen war. "Sie müssen! Es ist der Geburtstag meiner süßen Stacy und sie würden sich ganz hervorragend verstehen, immerhin sind sie im selben Alter." Diese Aussage saß und hielt mich davon ein, sie mit einem weitern Lächeln abzuspeißen. Die meisten dieser Leute waren alle mindestens fünfzehn Jahre älter als ich. Ich war...so jung, im Vergleich zu ihren hartaufgebauten (oder vererbten) Erfolgen.

Es fühlte sich falsch an, dass sie mir den Hof machten und nicht umgekehrt, selbst wenn sie alle nur ein falscher Haufen waren. Ich...Ich hatte noch nicht mal einen Abschluss! Ich sollte jetzt eigentlich in der Universität sein. Ich- "Ich muss mich entschuldigen, aber hatten wir da nicht schon etwas vor, Darling?", unterbreche ich den unnötigen Gedankenstrom, welcher mich sowieso nicht weit bringen würde, und sehe zu Ethan auf, der sich gerade mit einem zwielichtig aussehenden Mann unterhielt. Ein typischer Mafioso, würde ich sagen, und stellte zum ersten Mal verwundert fest, dass das Narben besetzte Gesicht erstaunlich kompatibel mit der strahlenden Welt der Reichen und Schönen harmonierte. Es lag zwar eine eindeutige Spannung in der Luft, aber keiner der beiden Seiten schien sonderlich überrascht über die Anwesenheit der Anderen zu sein.

"Der sechste April?", fragt er zu meiner Überraschung. Er hatte ganz vertieft in seine Unterhaltung ausgesehen, als das er meiner gefolgt wäre. "Richtig, da sind wir bereits in Japan, ich wollte dir die Kirschblütenshow zeigen." Bei dem letzten Worten strich er mir sanft eine Strähne aus dem Gesicht, welche sich aus meiner Frisur gelöst hatte. Ich schenkte ihm strahlendes Lächeln, welches weniger echt ausfiel, als ich geplant hatte. Er hatte bereits Pläne für uns im April gemacht. Der Gedanke war seltsam ernüchternd und ich sah mich automatisch nach Dupont um. Weder er, noch seine Belgischen Mitbürger waren uns gefolgt. Auch Jaswinda war nirgends zu sehen, sie hatte ihn wahrscheinlich an einen Ort gebracht, wo er runterkommen würde. Er hatte nicht ausgesehen, als wäre er in der Lage noch länger zu stehen.

"Das Essen wird gleich aufgetischt", sagte Ethan plötzlich und, als hätte er einen nur für mich nicht hörbaren Befehl gegeben, teilte sich die Menge vor uns augenblicklich. "Überlegen sie es sich, My Lady", zwitscherte die Senatorin Gattin noch, bevor ihr Mann sie gewaltsam am Ärmel nach hinten zog. Den Blick dabei immer auf Ethan gerichtet. Es war mir... äußerst unangenehm, aber ich lächelte weiter. 
Ich wollte mich schon in Bewegung setzten, aber mein Mann hielt mich zögerlich zurück. Er zögerte und zögerte, bis er auf einmal seine Hand ausstreckte und- kurz vor meiner Hand eine kehrtwendung zu meiner Taille machte. Die Bewegung sah so gekonnt aus, dass es nach Außen hin so ausgesehen haben musste, als wäre es von Anfang an sein Plan gewesen, seinen Arm um meine Taille zu legen. Ich wusste jedoch, dass er eigentlich nach meiner Hand hatte greifen wollen. Es fiel mir nicht zum ersten Mal auf, dass Ethan anscheinend ein Problem hatte, unsere Hände ineinander zu verschränken, dass Stirnrunzeln sparrte ich mir jedoch für später auf.

Gemeinsam schritten wir die Gasse entlang auf den wohl luxuriösten Tisch in diesem Raum zu. Er stand im Zentrum, die niedrige Tischplatte eingerahmt mit Juwelen aller Art und das Besteck glänzte so elegant, dass es sich nur um echtes Silber handeln konnte. "Smaragde", flüsterte mir mein Mann aus dem Nichts zu. Er musste meinem Blick gefolgt sein. "Deine Lieblings Edelsteine." Ich sah schräg zu ihm hoch und hob eine Augenbraue. Das "Pompöser ging es wohl wirklich nicht", stand mir deutlich im Gesicht. Ich sah das leichte Kräuseln seiner vollen Lippen und das kurze funkeln seiner Augen. Kurz vor dem Tisch blieb er stehen und schnippste mit dem Finger. Ein Kellner mit einem Tablett Champagnergläser  kam angeflogen und Ethan nahm sich zwei, von denen er eines mir reichte. Seine Augen verließen dabei nie die meinen.

Aus den Augenwinkel sah ich, wie andere Kellner weitere Gläser unter den Gästen verteilten. Ethan hob sein Glas und ich, wie jeder andere auch, spiegelte seine Gäste. Es hätten genau so gut nur wir beide sein können. "Sie können gucken, aber niemals anfassen", murmelte er, so dass nur ich ihn hören konnte. Lauter sagte er: "Auf den Anfang eines unvergesslichen Abends."

Ich lächelte leise-
Und dann tat ich es nicht mehr.
Mir rutschte das Glas aus den plötzlich tauben Fingern.
Das Geräusch von splitternden Glas und herabrasselnden Scherben übertönt jedes folgende Geräusch, welches noch aus den vielen Politikern und Adligen und Wichtigtuern kommen mochte, die auf Ethans Toast einstimmig antworteten.

Nichts von all dem nahm ich auch noch ansatzweise wahr, als das delikate Konstrukt meines aufkeimenden Hoffnung Palastes aus Glas, in einem spektakulären Rums in sich zusammenfiel.

Da stand er. Der Mensch, der es, ohne überhaupt anwesend zu sein, mit geschafft hatte, mich aus meiner Depression zu ziehen, indem er mir das Ziel gegeben hatte, ihn zu finden. Der mir verdammt noch mal das Leben gerettet hatte und den ich anschließend, gezwungenerweise, mit Despektierlichkeit gestraft hatte. Der, ohne es zu ahnen, zu einer Stütze für mich geworden war, bis ich es geschafft hatte, selbst zu fliegen.

Halb verborgen in den Schatten einer der Säulen, stand meine Königin, der gefürchtetste Attentäter der weißen Seite.

Hades.

Schachmatt #3 Das Spiel der Könige Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt