7 ›› stones

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"Passt mal bitte auf!", rief Yoongi, um das laut rauschende Wasser hinter sich zu übertönen. Es war ein anderes Geräusch als der ruhig plätschernde Bach heute früh, es klang wilder und musste sich um einen etwas größeren Fluss handeln. Aber noch immer war es kalt und meine Lust, baden zu gehen, hielt sich in Grenzen. "Wir sind bei der ersten Station angekommen. Wie ihr seh- ähm, hier ist ein Fluss. Mit Hilfe der Steinen und den Seilen, welche gespannt sind, sollt ihr versuchen, darüber zu kommen." Ein Wunder, dass wir es überhaupt erst hier her geschafft hatten, da Min Yoongi gemeint hatte, dass er nicht seine Zeit damit verschwenden wolle, während des Laufens auf ein Blatt Papier zu starren.

"Hyuna, du kannst die Brücke nehmen da hinten."
"Darf ich au-"
"Nein, Jimin, darfst du nicht. Wir sind nicht hier, um einen angenehmen Spaziergang zu machen, verstanden?" Genervt knirschte ich mit den Zähnen und lauschte den anderen, die sich respektvoll dem Gewässer näherten. "Was ist, wenn ich da rein falle oder mich verletzte?", quietschte Eunji ängstlich. "Dann musst du dich wenigstens nicht um den Formularkram kümmern, also los jetzt, sonst kommen die anderen und schubsen euch ins Wasser!", gab Yoongi zurück. Tatsächlich war sein Verhalten ungewohnt, wenn er alleine die Aufsicht trug. Eigentlich hatte ich ihn nett und schleimerisch kennengelern.

"Ich kann mich nur rechts an dem Seil festhalten, falls du schon einmal meine linke Hand gesehen hast."
"Ich schwöre dir, wenn du mich schubst oder ein Stein wackelt, dann bin ich weg", antwortete Eunji darauf gereizt, weshalb das andere Mädchen nur lachte. "Oder du liegst irgendwo im Wasser."
Durch die laute Diskussion, wer als ersten gehen und wo sie sich am besten festhalten sollten, schloss ich, dass auch ich wohl keine andere Chance hatte.

Noch immer stand ich ein paar Meter abseits an exakt der Stelle, an welcher Yoongi meine Hand losgelassen und mich somit bewegungsunfähig gemacht hatte. Nun hörte ich wieder Schritte auf mich zukommen, bis ein genervt seufzender Yoongi dicht neben mir stand und seinen Blick offensichtlich auf die beiden Mädchen gerichtet hatte. Ob er mit mir jetzt auch in dem Ton sprechen würde?

"Solltest du ihnen nicht helfen?", fragte ich vorsichtig nach. "Nein. Im echten Leben haben sie auch keinen Yoongi zum Mitnehmen."
"Aber da haben sie auch keinen Fluss, den sie überqueren müssen", gab ich skeptisch zurück. "Ich mache das nicht."

Yoongi legte einen Arm um meine Schultern und bewegte mich ein Stück näher zum Ufer, woraufhin ich mich leicht verspannte und versuchte, stehen zu bleiben. "Du kommst nicht drum herum, Jiminie. Du schaffst das, da sind echt viele Steine und außrdem eine Art Geländer aus den Seilen", sprach Yoongi mir ruhig Mut zu, seine abgestumpfte Art war wie verflogen. "Aber ich sehe doch nichts, ich kann da nicht alleine dr-"
"Denkst du, ich lasse dich das alleine machen? Idiot. Außerdem sind die zwei Schnatterenten auch schon fast drüben."

Verwirrt ließ ich meine nach oben gezogenen Schultern sinken. "I-ich dachte, du hilfst niemandem?"
"Ruhe, Park Jimin!", grinste Yoongi nur und zog mich auch schon an das Ufer. Beim nächsten Schritt stand ich schon auf einem anderen Untergrund, ich spürte die leichten Schwankungen und das an die Steine schwappende Gewässer.

Die leichten Bewegungen des Steines, das laute Rauschen und das Wassers, nicht zu sehen wo genau ich mich befand und wie tief das Wasser war, trieb schon die Angsttränen in meine Augen. Meine Beine wurden wackelig, so wie mein Untergrund und auch meine Hände begannen zu zittern.

"Oh Gott! I-ich, bitte nicht!", panisch tastete ich meine Umgebung ab, fand aber nur Halt an der Jacke meines Betreuers, weshalb ich mich einfach an diese klammerte. Ich könnte jeden Moment, mit jeder Bewegung die ich tat, abrutschen und nichts dagegen tun können. Ich könnte noch nicht einmal an Land schwimmen, da ich die Umgebung nicht kannte und nicht einmal mein Gehör, welches erfüllt mit dem dauerhaften Rauschen war, konnte mich dann noch leiten. "Ich kann das nicht!", wimmerte ich auf und drückte meinen Kopf an seine Schulter.

"Hey, ich bin doch da.", sprach Yoongi ruhig und erwiderte den festen Druck, mit welchem meine Hand die seine fast zerquetschte. Schluckend nickte ich und versuchte, die Panik in mir herunterzuschlucken. "Ich lasse dich da nicht rein fallen. Eher schubse ich diese Eunji ins das Wasser und ziehe sie dann wieder raus, als deine Hand loszulassen, verstanden?" Erneut nickte ich, mir dabei auf die zitternde Unterlippe beißend. "Ob du mich verstanden hast?", zischte Yoongi ernst und legte seine andere Hand an meine Wange. "J-ja. Ja, habe ich!", gab ich halbwegs standfest zurück, als ich tief eingeatmet hatte.

Wäre dies unter anderen Umständen passiert, würde mein Verstand und meine Gefühle wieder komische Dinge mit mir anstellen, doch im Moment wollte ich nichts lieber, als dass mich dieser junge Mann lebendig an die andere Seite brachte.

"Okay, pass gut auf, Jimin, ja? Mache am besten große Schritte, die Lücken zwischen den Steinen sind anfangs noch recht klein. Halt dich rechts neben dir an dem Seil fest." Ich umklammerte also das raue Seil, nahm allen Mut zusammen und hob mein zitterndes Bein an, um es einen Schritt weiter wieder vorsichtig abzusetzten, nachdem mir Yoongi das Okay gegeben hatte. "Geht doch!", freute er sich und etwas selbstsicherer führten wir den Weg fort, bis Yoongi anhielt und beruhigend über meinen Handrücken strich. Meine eine Hand brannte schon, da ich das kratzige Seil fest umklammerte, die andere schwitzte in der Yoongi's, was ihn jedoch nicht zu stören schien. "Die Abstände werden jetzt etwas größer und erschreck dich nicht, der nächste Stein ist ein wenig tiefer gelegen."

Unsicher fuhr ich mit der Fußspitze über den Untergrund. Dann machte mein Betreuer den nächsten Schritt und zog mich so an meiner Hand mit sich. Und tatsächlich machte ich überraschenderweise einen großen Schritt nach unten, weshalb ich erschrocken aufschrie und mein Herz für einen Moment, in dem ich dachte, in das Wasser zu fallen, aussetzte. Doch bevor ich auch nur ins Wanken kam, hielt mich Yoongi schnell fest und zog mich die wenigen fehlenden Zentimeter zu sich.

"Oh mein Gott", hauchte ich schnell atmend und klammerte mich wieder an ihn. "Das machst du super, Jiminie. Wir sind gleich da." Er hauchte mir einen kurzen Kuss auf den Scheitel, doch Zeit, perplex stehen zu bleiben, blieb mir nicht, da wir nach den nächsten zwei Metern endlich wieder Waldboden unter unseren Füß spürten. "Oh mein Gott endlich!", rief ich und fiel auf die Knie, die Hand loslassend, da ich mich einfach so viel sicherer fühlte. "Ich sagte ja, wir schaffen das", schmunzelte Yoongi und ließ sich neben mir nieder, um seinen Arm erneut um mich zu legen.

"Hör auf, ich war... unsicher und deshalb war ich auf dich angewiesen", murrte ich und nahm seinen Arm von meiner Schulter. "Naja, ans andere Ufer schwimmen musst du nicht mehr", lachte Yoongi und zerzauste meine Haare, während er lachend aufstand und sich in Richtung der schatternden Mädchen begab, welche sich schon beschwerten, dass wir so lange gebracht hätten.

Doch ich verharrte noch kurz in meiner Pose und fuhr mir langsam durch die Haare, um sie wieder zu richten. Vorallem fiel mir dann der eine Fleck wieder auf. Den, den Yoongi vorhin geküsst hatte. "Jimin, kommst du?", hörte ich mich eine der hohen Stimmen rufen. Erschrocken nahm ich meine Hand wieder herunter, als ich bemerkte, wie jene auf dieser Stelle verweilt hatte und schoss mit rotem Kopf in die Höhe. "J-ja, ich komme schon", murmelte ich und senkte meinen Kopf, ehe ich mich vorsichtig an den Ästen neben mir entlang tastete. "Alles gut? Na komm, Jimbles", seufzte Yoongi, welcher plötzlich vor mir stand und sofort meine Hand nahm. Demonstrativ verschränkte er unsere Finger und drückte meine Hand dann fest, weshalb ich verlegen meinen Kopf abwendete.

"Ja... alles gut."

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Don't Be Blind | Yoonmin | abgeschl. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt