Don't Be Blind | Yoonmin | abgeschl.

2 ›› I hate it

Nach dem Privatunterricht, welchen ich bekam, machte ich mich auf zu der zweistündigen Betreuung und Lernhilfe, zu welcher ich wochentags immer nachmittags ging. Heute freute ich mich sogar ein klein wenig darauf, da ich seit einigen Tagen stets von jemandem nach Hause begleitet wurde und nach gefühlten Jahren wieder mehr Kontakt mit Menschen hatte. So ungern ich mich auch darauf hatte einlassen wollen.

"Hey, Jimin", kam es von einem Mädchen, ich lächelte in ihre Richtung, "Hi, Yuna."
Nach und nach kamen auch die anderen Schüler und wir betraten das Gebäude und ließen uns in dem Gemeinschaftsraum an dem großen Tisch nieder. Wie immer saß ich ganz rechts, neben mir Yuna und die anderen Jugendlichen weiter hinten verteilt.
Wir begannen zu arbeiten, doch irgendwie hatte ich ein komisches Gefühl. "Wo ist denn Yoongi?", flüsterte ich Yuna zu, wartete auf eine Antwort.

Diese bekam ich auch, allerdings nicht von links sondern von der anderen Seite. "Ich bin schon da, Jiminie, keine Angst", hörte ich Yoongi lachen, welcher sich kurz darauf auf den Stuhl gegenüber von mir fallen ließ. Ja, er betreute uns nun seit etwa zwei Wochen, doch ehrlich gesagt lag seine Aufmerksamkeit meist nur bei mir. Wahrscheinlich hatte er einfach Mitleid mit mir. Doch Jiminie hatte er mich noch nicht vor den anderen genannt.

Mit leicht geröteten Wangen starrte ich wieder auf mein Blatt. "Jiminie?", kicherte mir Yuna ins Ohr und piekste mir in die Wange, weshalb ich noch röter wurde. "Lass das!", zischte ich genervt.

Nach etwa einer halben Stunde, in der ich ununterbrochen mit meinem Finger über die selben Stellen gefahren war, stöhnte ich genervt auf und ließ meinen Kopf auf die Tischplatte sinken. "Ich kann mir das einfach nicht merken", jaulte ich verzweifelt. "Was musst du denn machen?", fragte Yoongi. "Lateinvokabeln", gab ich mit einem angewiderten Unterton von mir. "Latein? Machst du das frewillig?" Ich schüttelte seufzend den Kopf. "Soll ich dich vielleicht abfragen?" Überrascht hob ich meinen Kopf hoch. "Du kannst das doch garnicht lesen?"

Plötzlich umfasste meine Hand eine größere, weshalb ich leicht zusammenzuckte. Doch er führte sie zu sich auf die Tischseite und legte sie auf einen Gegenstand. Ein Buch. "Na, nach was fühlt sich das an?", ich konnte das breite Lächeln aus seiner Stimme förmlich heraushören und strich über den Einband. Tatsächlich befanden sich ein paar Punkte darauf, weshalb ich langsam laut vorlas: "Das B-Buch der Blindenschr...ift. Das Buch der Blindenschrift?" Stolz gab er ein "Mh-mh" von sich, ehe die Seiten aufgeschlagen wurden. "Ich bin fast schon ein Profi darin."
"Jetzt werd mal nicht überschwänglich", meinte ich und verschränkte die Arme, während ich mich erwartungsvoll zurücklehnte. "Also, kannst du es?"
Schweigen. Nur das Knistern von Seiten war aus seiner Richtung zu hören, also wartete ich geduldig ab, bis er wieder begann, zu sprechen.

"Was heißt discrimen?"
"D-du kannst das wirklich lesen?"
"Falsche Antwort."
"Äh, die Entscheidung... oder die Gefahr."
"Beides richtig, noch eine dritte Bedeutung?"
Ich ließ noch einmal alles in meinem Kopf durchrattern, schüttelte dann jedoch seufzend meinen Kopf. "Der Unterschied, Jiminie." Wieder wurden meine Wangen warm, "Hör auf, mich so zu nennen!"
"Genitiv? Genus?", fragte Yoongi nur weiter amüsiert. "Discriminis, neutrum", brummte ich. "Gut gemacht, Jiminie", lobte er mich. "Gut gemacht, Jiminie", äffte ich und Yuna ihn gleichzeitig nach, weshalb Yuna mit Yoongi zusammen in Lachen ausbrach. Ich grummelte nur genervt vor mich hin. Yoongi fragte mich weiter ab, es verlief eher stockend und ich war fast schon ein wenig froh, als die zwei Stunden beendet waren.

"Heute keine Überstunden?", kam es von Yuna, während sie mit einem Klicken die Bremsen ihres Rollstuhles löste. "Nein, danke", brummte ich und packte die Sachen in meinen Rucksack. "Ich hoffe es liegt nicht an mir", hörte ich die tiefe Stimme Yoongi's, welche sich nun neben mir befand. Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf und folgte den anderen aus dem Raum.