21 ›› let him be

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"Bitte, Jimin. Du kannst nicht ewig hier zu Hause rumsitzen."

Eine weitere Woche war vergangen, in welcher ich die Betreuungsstunden mied und seit vorgestern nur die Schule besuchte.

"Ich gehe doch zur Schule, was ist dabei?", gab ich trocken zurück. Sie seufzte und mein Bett knarzte leicht, als sie sich langsam darauf nieder ließ. "Schatz... ich muss zum Arzt, okay?", hauchte sie etwas heiser und ich nickte nur verwirrt mit dem Kopf. "Ich meine, ich muss öfters dort hin, deshalb würde ich gerne, dass du nachmittags nicht nur alleine zu Hause bist."

"Du musst öfter zum Arzt? Warum weiß ich das nicht? Und außerdem bin ich kein kleines Kind, ich kann doch alleine zu Hause bleiben, wo ist das Problem?"

"Es geht mir nicht darum... ich will eigentlich, dass du lernst, deinen Tag, Termine und Wege selbstständiger auf dich zu nehmen", meinte sie und ich gab einen verwirrten Ton von mir.

"Warum fängst du jetzt wieder damit an? Hänge ich dir wirklich so sehr zur Last? Dann sag es mir doch bitte einfach, sag mir einfach, wenn ich dir zu nervig-"

"Park Jimin!"

Sofort verstummte ich, als mein Bett erneut ein Knarzen von sich gab und sie auf mich zukam. Ihre Stimme war lange nicht mehr so laut gewesen. Sie räusperte sich leicht. "Hör auf, immer gleich alles in die falsche Richtung zu ziehen! Es ist nicht so, ich liebe dich, das weißt du. Aber... ich muss zum Arzt. Ich... ich muss einfach... zum Arzt", die Stimme meiner Mutter wurde immer leiser und kehliger, bis sie schließlich abbrach.

"Was ist los mit dir?", fragte ich schließlich. Vielleicht sogar das erste Mal. "Mach dir keinen Kopf, Jiminie. Aber bitte... bitte versuch wenigstens wieder zu der Betreuung zu gehen. Ich kann dich nicht noch länger... krank melden." Fast schon außer Puste holte sie tief Luft und ging dann wieder in Richtung der Zimmertür.

"Ich habe dich lieb Jimin. Ich glaube an dich, du-"

"Hör bitte auf, immer so etwas zu sagen, das macht mir langsam Angst", lache ich schließlich, doch mein Lachen verstummte schnell. "Ist gut." Die Tür schloss sich sachte und ich drehte mich zurück über das Lateinbuch.

Welcher Mensch etwas Lateinisches in Blindenschrift übersetzte war mir wirklich ein Rätsel, doch vorallem mein Handy und das Internet konnten mir bei vielem auch nachhelfen.

"Hey Siri. Schreib in die Notizen: Plan B. Wie ich Yoongi trotz seiner viel zu nahen Nähe aus dem Weg gehen, ihn vollkommenst ignorieren und nicht wieder irgendwelche Unangenehmlichkeiten oder Planänderungen zulassen werde."

[...]

"Ach sag bloß Park Jimin, du kreuzt auch mal wieder hier auf?" Ich biss nur meine Zähne aufeinander. "Mir ging es nicht so gut."

"Ahja", gab Mrs. Choi skeptisch von sich und entfernte sich dann zum Glück wieder von mir, weshalb ich ein Buch herausholte. Meine Anspannung war fast noch unerträglicher als das letzte Mal, doch ich hatte gleich im Vornherein angefangen, mich abzuregen und immer wieder tief durchzuatmen.

"Falls irgendjemand meine Hilfe braucht, nei-" Seine Stimme und die Schritte, welche ich nur zu deutlichst unter den wemigen anderen heraushörte, verstummten plötzlich, genau in dem Moment, als sich mein Griff um meine Oberschenkel verfestigte.

"Äh, hallo", murmelte er dann, schien dabei etwas abwesend. Ob er mich bemerkt hatte? Denn ich, mein Körper hatte das bei ihm auf jeden Fall. Mein Puls begann zu rasen und die Hitze stieg in meinen Kopf, während ich nur ungeduldig meinen Kiefer aufeinander malmte. Wenn ich wenigstens wissen würde, ob er grad zu jemand anderem schaut, sich zu jemand anderem setzt. Doch das tat ich nicht, solange er sich ruhig verhielt.

Den Schritten zu urteilen setzte er sich schließlich auch noch wieder direkt gegenüber von mir und ich sank leicht aufstöhnend noch mehr in mich zusammen.

Und ich würde lügen, wenn ich nicht sagen würde, dass das eine der verdammt längsten Stunden war, die ich je hatte. Langeweile im Geschichtsunterricht war dagegen garnichts. Krampfhaft hatte ich versucht, seine Anwesenheit zu ignorieren, doch geschafft hatte dies nur mein Mund.

Schnell packte ich meine Sachen zusammen. "Sonst bist du doch immer länger geblieben", wunderte sich Yuna neben mir, doch ich machte mir gar nicht erst die Mühe ihr zu antworten und lief hastig in Richtung der Tür. Ich war nicht einmal einen halben Meter herausgetreten, da hörte ich plötzlich wieder seine Stimme.

"Jimin, bitte."

Wie ein Schlag gegen meine Schutzwand. Ich beschleunigte meine Schritte und ballte meine schwitzigen Hände zu Fäusten, als ich plötzlich seine Hand auf meiner Schulter spürte und mich leicht zu ihm drehte.

"Fass mich nicht an", fauchte ich und stolperte dabei leicht rückwärts. "Du kannst nicht ewig vor mir weglaufen", flehte er schon fast, doch seine Stimme blieb leise. "Das wolltest du doch. L-lass mich einfach." Und schon wieder begann meine Stimme zu beben.

Im Hintergrund konnte man das Öffnen der Tür hören und er wurde gefüllt mit lauten Stimmen.

Ich öffnete meinen Mund erneut, doch presste meine Lippen anschließend nur fester aufeinander.

"Jimin, das stimmt so nicht, wirklih, ich kann es dir-"

"Min Yoongi? Gibt es Probleme?"

Yoongi

Überrascht drehte ich mich um, während ich aus dem Augenwinkel nurnoch sehen konnte, wie Jimin hastig davonstolperte, wobei er halb gegen die Wand rannte. Einen kurzen Moment warf ich einen Blick über meine Schulter, nur um den Jungen mit den unordentlichen Haaren und der kleineren, trotzdem nicht ganz zierlichen Figur, aus der Tür verschwinden zu sehen.

Herausfordernd funkelte mich die Frau an. "Nein, ich musste nur-"
"Vergessen Sie Ihre Ausreden, wenn ich Sie noch einmal in solch innigem Kontakt mit diesem Jungen sehe, sind Sie Ihren Job sehr schnell los, glauben Sie mir." Wütend ballte ich meine Fäuste, doch wusste, dass ich dem nichts entgegenzusetzen hatte.

"Anfangs hat es Sie doch auch nicht interessiert, was haben Sie denn jetzt?", provozierte mich Choi weiter, sodass ich der Frau, welche mehr Falten als Nettigkeit besaß, am liebsten in das Gesicht geschlagen hätte. Doch dann wäre ich den Job sofort los. "Jetzt brauche ich aber das Geld, früher war es mir nicht wichtig gewesen", knurrte ich und versuchte stark, mich zurückzuhalten.

"Wie auch immer. Hände weg von dem Jungen."
"Warum verbieten Sie das?", rief ich fast schon verzweifelt aus.
"Bitte?" Verblüfft lachte sie auf. "Das ist gegen das Gesetzt, Yoongi."
"Ach ja? Ich bin schließlich kein Lehrer, ich nehme keine Leistungsabnahme ab, befinde mich wenn dann einzig und allein in einem etwas vertraulicherem Verhältni-"
"Pscht!"
"un-"
"Sh"
"-d"
"Psch, psch"

Sie ließ mich zu Ende hin stocken, da sie mit ihrer Hand vor meinem Mund herumwedelte, bis ich schließlich komplett verstummte. "Ich weiß es, du weißt es und jetzt lass gefälligst den Jungen in Ruhe."
"Was, wenn ich das nicht kann?", zischte ich plötzlich aufgebracht. "Was?", erneut zog sie amüsiert die Augenbraue nach oben. "Finden Sie sich damit ab, meine Güte." Und wieder dieses trostlose, trockene Lachen, welches mich nur noch rasender machte.

Grummeln drehte ich mich also um und lief auf die Tür zu. "Schönen Tag noch, Mrs. Choi." Abwertend spuckte ich diese Worte fast schon aus, als die Tür hinter mir zuknallte.

Ich machte mich direkt auf den Weg zur Bank und der Blick auf meinen Kontoauszug überraschte mich tatsächlich etwas. Grinsend biss ich mir auf die Lippe. "Viel Spaß noch in Ihrem weiterhin erbärmlichen Leben, Choi."

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Don't Be Blind | Yoonmin | abgeschl. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt