Im Auftrag Ihrer Gnaden

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"Schau nur, wie süß sie sind!", ereiferte ich mich und erntete ein vielsagendes Ächzen von Geralt, der hinter mir auf Plötzes Rücken saß. Ich ging dem Hexer vermutlich kräftig auf den Keks mit meiner Schwärmerei, doch je länger ich die hässlichen Greifenküken anstarrte, desto entzückender fand ich sie. Ja, sie waren wirklich keine Schönheiten, so mit zotteligem Gefieder und Glubschaugen, doch wenn sie mich so anblinzelten, konnte ich gar nicht anders, als sie einfach hinreißend zu finden. Nach anfänglichen Schwierigkeiten ließen sich die beiden sogar ein wenig von mir streicheln. Scheinbar waren sie so frisch geschlüpft, dass sie noch keinen Menschenhass erlernen konnten. Puh, Glück gehabt! "Wie sollen wir die Zwei nennen?" "Du willst ihnen Namen geben?" Unglauben schwang in Geralts Stimme mit. "Natürlich!" So wie er klang, könnte man meinen, ich benähme mich hier seltsam. "Du gibst deinen Pferden doch auch Namen." Am liebsten hätte ich ihm noch gedrückt, dass er dabei so unfassbar unkreativ war, dass es an ein Wunder grenzte, dass seine Plötzes sich darüber nicht beschwerten. Vielleicht würde es ja diese, wenn Geralt zu der Quest kam, in der er mit Plötze sprechen konnte?

"Hässlich und Hässlicher", ertönte es verhalten hinter mir. Idiot. Etwas unsanft stieß ich mit dem Ellenbogen nach hinten, traf dabei aber nur des Hexers Rüstung, was wohl mir mehr wehtat als ihm. "Hört nicht auf ihn, ihr kleinen Schätze. Ihr seid absolut entzückend." Wie von selbst wurde meine Stimme höher und nahm einen süßlichen Klang an, sobald ich mich an die beiden Greifen wandte. Den gleichen Tonfall, in dem ich auch mit meinem Kater sprach und den ich bei Eltern kleiner Kinder absolut ekelerregend fand.

Wenn die Kleinen jedoch eines mit Leichtigkeit schafften, dann, mich von meinen finsteren Grübeleien abzulenken. Statt mich in Schuldgefühlen Derands Tod betreffend zu suhlen, ging ich völlig darin auf, die kleinen Greifen zu betüdeln. Sogar, als Geralt anmerkte, sie fräßen rohes Fleisch, das ich selbst erlegen müsste, hätte mich das nicht weniger jucken können. Als ließe ich diese kleinen Schätzchen einfach im Stich. Dass sie sonst niemand wollte, ließ sie in meinen Augen nur noch schützenswerter erscheinen. Wenn ihnen niemand anderes Liebe geben wollte, tat ich das eben! Für die Aggressivität ihrer Eltern konnten sie schließlich nichts! Natürlich wusste ein Teil von mir es eigentlich besser. Diese Greifen waren keine Haustiere, sie brauchten ihre Eltern und die wiederum waren natürlichen Instinkten gefolgt.

Was mich jedoch schnell wieder auf den Boden der Tatsachen holte, war die erste Nacht unter freiem Himmel. Nicht, dass ich das noch nie gemacht hätte, doch normalerweise waren Schlafsack und Iso-Matte mit von der Partie gewesen. Geralt hatte weder das eine noch das andere. Zwei Decken waren alles und beide ließen mich mit Wehmut an das vielleicht doch nicht so unflauschige Gefieder von Mama Greif denken. Die beiden Küken, die ich nach kurzer Diskussion mit Geralt nicht 'Hässlich' und 'Hässlicher' genannt hatte - wirklich! Was dachte sich Geralt nur dabei?! - hingegen waren noch ziemlich spärlich befiedert. Den größeren der Zwei, der zahmer war, hatte ich Sam getauft, den kleineren, der mich immer böse ansah, Dean. Unkreativ, doch ein Teil von mir fand es einfach witzig, wenngleich der Hexer meine Erheiterung darüber nicht verstehen konnte.
Die Nacht verlief zwar ereignislos, allerdings war sie etwa so erholsam wie leistungsorientiertes Ausdauertraining. Nämlich gar nicht. Immer wieder rollte ich mich herum in dem Versuch, eine möglichst bequeme Position zu finden, ohne dabei Sam und Dean zu wecken, die zu meiner Freude wirklich schliefen, nachdem ich mein Abendessen, ein Stückchen Hase, großzügig mit ihnen geteilt hatte. Geralt hatte noch gebrummt, die beiden hässlichen Viecher zu füttern, sei Verschwendung, doch ich war ganz hin und weg, als sie mir aus der Hand fraßen. Anschließend waren sie in meinen Armen eingeschlafen. Als Geralt sich im Morgengrauen neben mir so ausgeruht erhob, als hätte er gemütliche acht Stunden durchgeschlafen, folgte ich seinem Beispiel nur, weil ich schon geraume Zeit wach war und die Winchesters, wie ich die Greifenküken im Duo bezeichnete, dabei beobachtete, wie sie einander am Gefieder zupften. Hässlich waren sie, aber auch irgendwie niedlich.

Blood and Whine (Witcher III)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt