Wir konnten vermutlich von Glück sagen, dass es so regnete und man die Hand vor Augen kaum sah. Mir würde das zwar ziemlich sicher eine herbe Erkältung einbringen, denn schon jetzt fror ich erbärmlich in meinem Kleid und hätte jederzeit den Regen gegen karibische Sonne eingetauscht, aber zumindest konnte man uns so von den Burgmauern aus auch nicht sehen. Sonst hätten uns die Bogenschützen bestimmt unter Beschuss genommen. Hören konnten wir die nämlich allemal, jedoch gedämpft, als wären sie weit weg. Vermutlich hockten die irgendwo zusammen, soffen sich einen und spielten Karten. Damit man uns nicht sofort bemerkte, waren wir vom Weg abgewichen und über ein Feld gestapft, immerhin hatten wir nicht gerade vor, freundlich anzuklopfen und mal Hallo zu sagen. Ganz besonders Dettlaff nicht.
Immer wieder ließ ich den Blick schweifen, doch der Regenschauer verschleierte alles um mich herum, sodass ich im Grunde nichts weiter sah, als graue Schemen. War einer davon Theodor? Wenn ja, was wollte er hier? Wenn dieser Kerl sich mit mir unterhalten wollte, sollte er sich gefälligst einfach zeigen und endlich Klartext reden. Er wusste irgendetwas, soviel war klar. Wie sonst sollte ich das Buch deuten, das er mir da gelassen hatte? Sollte mir das helfen oder mich nur verunsichern? Im Moment tat es vor allem letzteres. Keine Ahnung, was ein Vampir - zumal die ja nichtmal Magie benutzen konnten - mit meiner Anwesenheit hier zu tun hatte, aber dass mich einer stalkte, half nicht gerade dabei, mich wohl zu fühlen. Als hätte dafür nicht schon die vor mir liegende Situation genügt. Auf die sollte ich mich jetzt wohl besser konzentrieren. Wenn Theodor mir etwas zu sagen hatte, sollte er das Maul aufmachen, befand ich im Stillen, mich über den Vampir ärgernd.
Im Grund war es dennoch erst Dettlaffs Hand in meinem Rücken, die mich wirklich dazu anhielt, Theodor Theodor sein zu lassen. "Weiß der Hexer, dass dich jemand verfolgt?", erkundigte sich Dettlaff wie beiläufig, doch ihm war ein Hauch Sorge anzuhören. "Glaub' nicht. Ich hab's ihm zumindest nicht erzählt", gab ich zu. Dass das ziemlich dumm klang, war sogar mir klar, doch wenn Theodor wirklich wusste, woher ich kam und womöglich auch, wie ich zurück käme, dann wäre es nicht gerade vorteilhaft, ihn zu vertreiben oder mir zum Feind zu machen. "Geralt ist... in manchen Dingen etwas vorurteilsbehaftet", erklärte ich nur ausweichend und konnte zu meinem Glück nicht sehen, wie Dettlaff die Stirn runzelte, als wolle er mich wissen lassen, dieses Mal die Meinung des Hexers zu teilen. "Gehen wir weiter, Rhena wartet", lenkte ich Dettlaffs Aufmerksamkeit weg von meinem persönlichen Stalker. Rhena war wirklich ein Zauberwort, dessen Wirkung auf den höheren Vampir ich in den letzten Tagen oft genug hatte beobachten können. Wann immer er unschlüssig war, zögerte oder zu verzweifeln schien, half es besser als jegliche Logik und jede Erklärung, die ich sowieso hätte herbei lügen müssen. Seine ganze Welt drehte sich um sie. Da war die Schadenfreude, die ich bei meiner Reise nach Toussaint noch bei der Vorstellung, Syannas Intrigen aufzudecken, empfunden hatte, schnell geschwunden. Ihr könnte das alles nicht halb so Leid tun, wie es sollte. Im Spiel hatte sie ja auch keine Reue gezeigt und nicht einmal versucht, sich bei Dettlaff zu entschuldigen. Klar, sie hatte sich erklären wollen, doch das war auch echt das Mindeste, jedoch nicht das Problem. Ob sie das nicht hatte begreifen können oder wollen, konnte ich bis jetzt nicht sagen.
Je näher wir Burg Tynne kamen, desto mehr ließ der Regen nach. Dafür zog Nebel auf. Ideal, um sich rein zu schleichen. Gezielt zog ich Dettlaff mit mir, noch ehe wir die Burgmauern erreichten. Überwinden könnte ich die ja sowieso nicht ohne Hilfe, aber ich hatte noch eine grobe Idee, wo Geralt rein geklettert war. Vielleicht könnten Dettlaff und ich uns diese Lücke auch zunutze machen. Dass ich dem mein Tun nicht erklärte, sondern ihn aus seiner Sicht wahllos einfach in eine Richtung zog, fiel mir erst auf, als er es ansprach. "Was hast du vor, Daelis?" Ungeduld schwang in Dettlaffs Stimme mit. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er am liebsten direkt los geprescht wäre, um die Burg auf den Kopf zu stellen und seine Rhena zu finden. Allein mein Hiersein hielt ihn davon ab, denn folgen könnte ich einem Vampir auf keinen Fall, sobald der erst einmal loslegte. "Ich denke, wir sollten besser nach einer Art Hintereingang suchen. Einem Schlupfloch. Ich kann ja schlecht über die Mauer springen", versuchte ich zu erklären. Sam fiepte zustimmend, ehe er im nassen Gras neben mir landete, um dann dort wie ein Hund "bei Fuß" an meiner Seite zu bleiben. Dean hingegen zog über unseren Köpfen immer weitere Kreise. Hoffentlich entdeckten ihn die Armbrustschützen nicht, die hinter den Mauern lauerten. Sonst wären nicht nur alle Burgbewohner in Alarmbereitschaft, sondern mein Baby obendrein in höchster Gefahr.
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Blood and Whine (Witcher III)
FanfictionWie man einen Tag ruiniert: Step 1: Streit mit der besten Freundin. Step 2: Von einem Greifen verschleppt werden. Doch genau das passiert mir in diesem Projekt. Diese FF gehört zum Mary Sue-Projekt auf Animexx, das ich jedem nur ans Herz legen kann...