Sidestory: Von Weihnachts-Scoia'tael, Rentieren und Hexern

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Hier hatte ich 2017 sogar eine Weihnachts-Bonus-Aufgabe von meiner Göttin, die ich wie gewohnt natürlich unten anfüge :)

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"Geeeeralt!" Ich konnte förmlich hören, wie der Hexer mit den Augen rollte. Er hatte sich in aller Ruhe die an das Anschlagbrett gepinnten Zettel angesehen und vermutlich gehofft, ich würde einfach brav und still warten. Pustekuchen! Anders als ihn, schauten mich die Leute nicht ganz so schräg an, seit ich Kleidung trug, die hier üblich war. "Geraaaaalt!" Er brauchte sich nicht umdrehen, damit ich genau wusste, wie er drein sah. Diesen speziellen 'Muss das schon wieder sein?'-Blick hatte ich in den vergangenen Tagen oft genug zu sehen bekommen, doch ich war unerbittlich.

"Was ist denn?" "Hier gibt es eine Legende von einer Tanne, die Wünsche erfüllt!", erklärte ich begeistert. "Klingt nach einem verfluchten Ort", fiel Geralts Schluss nicht halb so enthusiastisch aus, was meine Laune allerdings nicht zu trüben vermochte. "Wir sollten uns das ansehen!", entschied ich über seinen Kopf hinweg und war schon drauf an und dran nach Plötzes Zügel zu greifen. "Hier geblieben." "Was denn?" "Willst du etwa ohne weitere Informationen los?" Jetzt rollte ich demonstrativ mit den Augen und kletterte ungeschickt - aber immerhin alleine - auf den Rücken des treuen Vierbeiners. "Ich weiß noch mehr. Komm, ich erzähl' es unterwegs. Wo ist Osten?" Aus den Augenwinkeln konnte ich beobachten, wie Geralt sich den Nasenrücken rieb, dann aber ergeben ächzte und sich hinter mir auf Plötze schwang. "Ein Wald im Winter. Klasse", brummelte Geralt zwar, trieb Plötze dann aber an. Die Bemerkung, ihm könne ja gar nicht so kalt sein, weil ich vor ihm saß und damit alles zuerst abbekam, verkniff ich mir. Ich musste zu diesem Baum!

"Also, was soll das für ein Wunschbaum sein?" "Also...", begann ich noch immer voller Elan und in der vagen Hoffnung, dieser Baum könnte sich als echt entpuppen und für mich damit eine Chance darstellen, nach Hause zu kommen. "Im Dorf hat man mir erzählt, in den östlichen Wäldern gäbe es eine verborgene Lichtung, auf der eine magische Tanne mit silbergrünen Nadeln stünde, die demjenigen, der sie findet, einen Wunsch erfüllt. Aber nur an einem bestimmten Tag im Jahr und der ist heute! Gewissermaßen ein Weihnachtsbaum." Geralt sah mich verständnislos an. "Ein was?" "Ein Weihnachtsbaum, Geralt! Weihnachten?" Er verstand offenkundig kein Wort. Aber wir hatten ja Zeit um diese Bildungslücke zu füllen, wenn ich mir den Weg so besah, den wir vor uns hatten.

"Also schenken sich Leute an diesem Tag alle irgendetwas, weil da vor hunderten von Jahren dieser Jesus geboren wurde?" Geralt klang ungläubig. "Und deshalb machen sich alle verrückt? Du kommst wirklich aus einem seltsamen Land." Das konnte ich schwerlich leugnen. "Ach, heutzutage glaubt eh kaum noch jemand daran. Da geht es nur noch um Päckchen, manchmal um Familie und dass man alle, die man liebt, zu sehen bekommt. Außerdem ist es ein toller Vorwand für alle Geschä-... Händler. Die verdienen sich dumm und dusselig." Geralt schüttelte nur den Kopf ob meiner Erklärungen. "Verrückt", war sein einziger Kommentar. Plötze schnaubte, als wolle sie ihm zustimmen. "Und wieso verdammt nochmal schmückt ihr an diesem Tag eine Tanne?" Ich zuckte nur mit den Schultern. Woher sollte ich das wissen? Die Herkunft dieses Brauches war an mir vorbeigegangen, was Geralt nur noch ein Kopfschüttelnd abrang. "Völlig verrückt."

In der dicken Schneedecke hinterließen wir - oder vielmehr Plötze - eine deutliche Spur. Niemand sonst war hier entlanggegangen. "Schauen wir, ob wir den Troll finden, der hier angeblich Ärger macht." "Troll?" Ah, darum hatte er so schnell eingewilligt, hierher zu kommen anstatt wie sonst immer prinzipiell alles in Frage zu stellen, was ich sagte. "Troll", bestätigte der Hexer knapp und ignorierte mein Seufzen. "Deinen Baum können wir nebenher suchen." Ich glaubte ihm kein Wort. Er hatte einfach nur keine Lust auf Diskussionen und wollte schnell weiter. Blödmann. Als ob der auch nur einen Finger rühren würde, um mir zu helfen. Der wollte bloß, dass ich den Mund hielt.

Blood and Whine (Witcher III)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt