Auszeit I

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"Nun, berichte, was geschah, Hexer", verlangte die Herzogin mit strenger Stimme, kaum, dass uns die Soldaten zu ihr geführt hatten. Ich stand neben Regis hinter Geralt, der kurz respektvoll den Kopf neigte, um die Herrscherin zu begrüßen. Deren Blick huschte über Regis zu mir. Wow, wenn Blicke töten könnten. Sie mochte mich wirklich nicht, soviel war klar. Besser, ich hielt mich zurück. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich jedoch, dass Regis' Blick ebenfalls auf mir ruhte. Verübeln konnte ich es dem Vampir nicht. Sicherlich hatte er auch so einige Fragen und wer wusste schon, was ihm Geralt erzählt hatte. Vermutlich nichts Gutes. Vielleicht hatte aber auch schon mein Auftritt in der Arena genügt, zumal die beiden Greifenjungen, die neben mir auf dem Boden hockten, sie garantiert daran erinnerten, was da passiert war.

Geralts Ausführungen fielen ziemlich knapp aus. So knapp, dass ich fast meinen wollte, er ließe absichtlich die Hälfte aus. Nicht, dass ich ihn dafür verurteilen würde. Das meiste wollte die Herzogin vermutlich gar nicht so genau hören und ich konnte mir gut vorstellen, dass der Hexer auch keine Lust hatte, das Ziel ihres Ärgers zu werden, wenn sie erst hörte, dass dieses Mordkomplott bei Syanna keine Reue auslöste. Allerdings, das fiel mir dann doch auf, sagte niemand auch nur ein Wort davon, dass es noch ein weiteres Ziel geben sollte. Das hatten Regis und Geralt dann wohl nicht herausgefunden. Ob ich es einfach verraten sollte? Würde mir Anna Henrietta überhaupt glauben? Daran hatte ich nämlich so meine Zweifel. Ich erinnerte mich gut an das offiziell "gute Ende" DLCs. Syanna versöhnte sich mit ihrer Schwester, alle Taten wurden ihr vergeben und Dettlaff war getötet worden.

Am Arsch! Als ob ich das zuließe! Ich fand es schlicht unannehmbar, dass Syanna einfach so davon kam, nur weil sie die Schwester der Herzogin war, immerhin hatte sie jemanden zur Ermordung mehrere Leute erpresst. Ganz zu schweigen davon, dass Dettlaffs Tod auch bedeutete, dass ausgerechnet Regis seinen Blutsbruder töten müsste und sich damit selbst aus der Gesellschaft der Vampire für sehr, sehr lange Zeit ausschloss, weil er ein striktes Verbot missachtete. Nein, das kam eindeutig nicht in Frage! Nicht, solange ich noch etwas zu melden hatte!

Ein wenig missmutig starrte ich Geralts Hinterkopf an. Gerade, als Regis schließlich ansetzte, zu offenbaren, wer der Vampir war, den Syanna erpresste, funkte ich dazwischen, ohne meine Worte abzuwägen. "Es waren zwei Vampire vor Ort. Wir wissen leider noch nicht, inwieweit und ob der zweite ebenfalls in diese Sache involviert ist." Das war immerhin nur halb gelogen. Hoffentlich verstanden Regis und Geralt, die mich beide überrascht anstarrten, zumindest den Wink, dass sie Dettlaffs Namen doch bitte für sich behalten sollten. Theodor mochte mit dieser Intrige nichts zu tun haben, aber er hatte dafür eine ganze Menge damit zu tun, dass ich hier war und darüber wollte ich unbedingt mehr wissen. Es könnte also nicht schaden, wenn ein paar Augenpaare mehr offen blieben, falls sich Theodor nochmal zeigte.

"Noch ein Vampir?", hakte die Herzogin unverkennbar gereizt nach. Ich nickte. "Ja. Er hat mich schon zum dritten Mal aufgesucht", erklärte ich und erntete sofort einen ziemlich finsteren Blick von Geralt. Ja, ja. Ich hätts vielleicht erwähnen sollen. Regis hingegen sah eher überrascht aus. Ganz anders Annarietta, deren Miene sich verdunkelte, während sie zugleich die Nase abfällig rümpfte. "Uns scheint, Ihr treibt euch zu oft mit solchen Monstern herum. Man sollte meinen, an der Seite eines Hexers zu reisen, belehre Euch eines besseren." Zicke. Finster starrte ich zurück. "Ich mag", betonte ich, "diese Monster. Sie sind meistens sehr viel netter und ehrlicher als die meisten Menschen." Als wollte er mich in meinen Worten unterstützen, krächzte Sam leise, was die Herzogin einfach ignorierte. Stattdessen warf sie mir noch einen letzten, herablassenden Blick zu, ehe sie sich wieder an Geralt wandte. "Ich verlange, dass du diese Vampire aufspürst und diese Sache klärst. Bring mir den Kopf des Biests, Hexer!"

Aus dem Rest der Unterhaltung klinkte ich mich gedanklich aus. Wie es weiterging, wusste ich sowieso. Geralt sollte Dettlaff töten und keiner seiner Einwände, einen höheren Vampir aufzuspüren, sei schier unmöglich, würde die Herzogin gelten lassen. Ich knirschte mit den Zähnen. Wie konnte sie nur so ignorant sein? Würde sie auch Regis' Tod verlangen, wenn sie wüsste, dass er ein Vampir war? Diese Engstirnigkeit trieb mich an den Rand meiner Selbstbeherrschung Wie gerne hätte ich sie einfach angeschrien, sie gepackt und geschüttelt. Doch das würde alles nur dazu führen, dass man mich einsperrte. Vermutlich konnte ich von Glück sagen, überhaupt noch auf freiem Fuß zu sein, nachdem ich tagelang die "Gefangene" des Biests von Beauclair gewesen war, aber offensichtlich gesund und wohlauf. Vielleicht sollte ich dankbar sein, dass Annarietta mich nicht danach fragte, was in diesen Tagen passiert war. Vor allem jetzt, da ich klar gemacht hatte, Monster Menschen vorzuziehen.

Blood and Whine (Witcher III)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt