(Un)echte Einhörner

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Unser Plan war absolut wahnsinnig. Allein die Tatsache, dass Syanna dafür Feuer und Flamme war, während sowohl Regis als auch Theodor die Zweifel in ihren Mienen nicht verbergen konnte, verriet mir das ziemlich klar. Doch welche Wahl blieb uns? Diese Krul würde sicher nicht mit ihrem Feldzug gegen alles und jeden warten, bis wir eine bessere Idee hatten, wie wir sie um die Ecke bringen konnten. Also musste es so gehen. Ich hoffte nur, dass Geralt mit Annarietta klar kam und die sich überzeugen ließ, den Kopf einzuziehen. Zu gut konnte ich mir vorstellen, wie sie in ihrer Rolle als Herzogin gänzlich aufging und versuchen wollte, ihrem Volk in dieser düsteren Stunde Mut zuzusprechen. Blöderweise war sie eines der beiden Ziele Kruls und wenn sie sich der Vampirkönigin auf dem Silbertablett servierte, könnte auch Geralt ihr nicht mehr helfen. Nur darüber nachzudenken, bereitete mir Kopfschmerzen.

"Brechen wir am besten direkt auf", meine Syanna, die sich im gleichen Atemzug auch schon aufrichtete. Ich nickte automatisch. Sie hatte Recht. Wir sollten keine Zeit verplempern. Krul würde sicher nach beiden Schwestern suchen und solange sie das tat, hatten wir die besten Chancen, die wiederauferstandene Vampirkönigin in die Falle zu locken. Dann blieb uns nur zu hoffen, dass die auch funktionierte, immerhin verließen wir uns auf Einhörner, die faktisch betrachtet, nur eine Illusion waren, ein Zauber, nicht real. Ich schauderte und schob diesen Gedanken beiseite. Es war unsere beste Chance. Außerdem wollte ich dieser Krul heimzahlen, was sie getan hatte. Nicht nur, dass sie die Zeitlinie kräftig zerlegt hatte, die ich so krampfhaft beisammen hatte halten wollen, sie hatte sich obendrein an meinen Babys vergriffen. An Kruls Händen klebte das Blut der Winchesters und ich war willens, dafür zu sorgen, dass ihres an meinen klebte.

Räuspernd erhob sich nun auch Regis. "Nun, ich versprach, auf dich achtzugeben", meinte er, den Blick auf mich gerichtet. Dabei zierte ein Lächeln seine Züge. "Danke", gab ich leise zurück. Dass Regis lieber Dettlaff aufsuchen wollte, konnte ich mir gut vorstellen, doch wir wussten ja, wo er wartete, in Tesham Mutna. Vermutlich wäre ich dann genauso ein Ziel seiner Wut wie Syanna, immerhin hatte auch ich den armen Kerl belogen. Stumm schickte ich ein Stoßgebet zum Himmel, dass Dettlaff meine Erklärung anhören würde und dann verstand, wieso ich nicht ehrlich hatte sein können. Anders als ein gewisser anderer Jemand. Mein Blick glitt über Syanna, die auffordernd zu Theodor sah. "Na los, wir haben nicht ewig Zeit. Oder wirst du etwa kneifen, Vampir?", konnte ich sie schon wieder provozieren hören. Ich seufzte leise und hängte mir meine etwas Stofftasche um, in der ich meine wenigen Habseligkeiten herumschleppte. "Das kann ja heiter werden..." Jetzt war es Regis, der seufzte, als wolle er mir zustimmen.

Wie Wärme der Gruft wieder zu verlassen, um in die nasse Kälte der Nacht herauszutreten, kostete mich Überwindung. Einladend war wirklich etwas anderes. Bibbernd schlichen wir vom Friedhof in Richtung Palast. Dort war auf jeden Fall das Zauberbuch und hoffentlich eine auch noch quicklebendige Herzogin. Darüber, wie wir Kruls Aufmerksamkeit erregen konnten, machte ich mir keine Gedanken. Eher darüber, wie wir dieser Aufmerksamkeit noch ein Weilchen entgehen konnten. Wenn die Vampirkönigin uns zu früh entdeckte, fiele unser Plan wahrscheinlich ins Wasser. Welche Folgen das für Beauclair, wenn nicht ganz Toussaint oder ein noch größeres Gebiet hätte, wollte ich mir lieber gar nicht ausmalen. Wenn es mehrere höhere Vampire gebraucht hatte, um sie unschädlich zu machen, wie in aller Welt sollte es nun uns gelingen? Alle Hoffnungen ruhten auf dem ominösen Kristall, den ich seit meiner Ankunft in dieser Welt besaß. Wieso ausgerechnet Vampire so ein Relikt kannten, wo sie doch keine Magie wirken konnten, sollte ich später vielleicht mal genauer erkunden, doch an Theodor hatte ich ohnehin noch so einige Fragen, die Antworten verlangten.

Gespenstisch, wie still die Stadt war, wenn man bedachte, dass sie das Zentrum des Herzogtums bildete. Tagsüber und auch zu späten Abendstunden war auf den Straßen immer etwas los, doch jetzt herrschte förmlich Grabesstille und alle Laute, die ich hätte hören können, wurden vom gleichmäßig plätschernden Regen verschluckt, der einen dichten Schleier um uns herum bildete, durch den man kaum mehr als graue Schatten und Schemen erkennen konnte. Doch zumindest Regis schien sich des Weges gewiss, denn ihm folgten wir im Gänsemarsch. Dass ich mich heillos verlaufen würde, wenn ich den Anschluss verlöre, war mir absolut klar. Schon bei guten Sichtverhältnissen ließ meine Orientierung zu wünschen übrig, aber bei diesem Wetter könnte ich ebenso gut in den herzoglichen Gärten wie im Stadtzentrum landen.

Blood and Whine (Witcher III)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt