18 th

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Erleichterung. Grenzenlose Erleichterung durchfloss mich. Er hat es nicht herausgefunden. Hat nicht herausgefunden, was ich getan habe. Der Drang zu weinen war beinahe übermächtig, doch ich hielt mich zurück. Hielt mich zurück, weil er noch immer anwesend war. Weil Weinen schwach war. Und ich durfte nicht schwach sein. Nicht, solange es noch die Hoffnung gab, dass Luzifer zu mir zurückkehren würde. Unseren Vertrag wieder aufnehmen würde.

Mir war nur zu genau bewusst, wie Alan über mir stand. Eine dunkle Bedrohung, die mich nun ganz offen ansah, dem man den Ekel, den er mir gegenüber empfand, nur zu genau ansehen konnte. Doch damit konnte ich leben. Ich konnte damit leben, dass man mich dafür verurteilte, was ich mir selbst angetan hatte. Dass ich mein Leben verkauft hatte, an den Teufel höchstpersönlich. Das war okay, in Ordnung, ja sogar willkommen. Denn so war klar, mein Geheimnis gehörte noch immer mir, mir und Luzifer. Niemand sonst wusste, was ich getan hatte. Niemand konnte mich dafür verurteilen. Absolut niemand.

Erst als Alan vor mir in die Hocke ging, wurden mir genau zwei Dinge bewusst. Erstens: Mein Geheimnis war nie wirklich in Gefahr gewesen. Wie hätte er es aus meinem Gestammel bitte heraushören sollen? Ich hatte nicht einmal etwas in diese Richtung erwähnt. Ich hatte mich somit vollkommen unnötig selbst verrückt gemacht. Und Zweitens: Alan Satanas Aingeal war auf jeden Fall niemand, der etwas einfach so im Raum stehen ließ, ohne dafür eine Erklärung zu bekommen.

>Warum?< Es war nur ein Wort. Eine Frage, die ich bewusst auf etwas anderes hätte beziehen können. Warum hockte ich auf dem Boden? Warum lief ich nicht weg? Warum sagte ich nichts? Doch mir war nur zu genau bewusst, was er mit diesen fünf Buchstaben meinte, auf was er sich damit bezog. Er wollte wissen, warum ich diesen Deal eingegangen war. Warum ich Luzifer mein gesamtes Leben angeboten hatte.  Doch das war die eine Frage, auf die ich keine Antwort geben konnte, ohne damit gleich viele, sehr viele weitere Fragen zu riskieren. Fragen, auf die ich keine Antwort geben konnte, solange ich wieder dieses schwächliche Wesen war, dass es offensichtlich nicht einmal schaffte vernünftig zur Arbeit zu gehen. >Angel, warum? Um was geht es bei diesem Deal?<

>Das geht dich einen feuchten Kehricht an< Keine Ahnung, wie ich es schaffte überhaupt einen Ton herauszubekommen, geschweige denn meiner Stimme einen kalten, feindlichen Unterton zu verpassen, aber ich tat es. Alan schien das jedoch nicht weiter zu beeindrucken.

Als mir klar wurde, dass wir immer noch auf dem dreckigen Kopfsteinpflaster hockten, nahm ich mich und meine durchdrehenden Nerven zusammen, um mich ungelenk wieder aufzurappeln. Dabei sah ich mich bereits, vermutlich weniger unauffällig, nach allen Seiten um, doch zu meinem Glück schien es in niemanden groß das Interesse geweckt zu haben, welche Show wir hier gerade ablieferten. Es sah zumindest niemand länger als normal in unsere Richtung. Warum auch? Die haben vermutlich selbst ihre Probleme, als dass sie sich auch noch um die von jemandem wildfremdes scheren könnten, dachte ich. Denn genau als solches sah ich Alan an, als Problem. Welches sich mittlerweile auch erhoben hatte, lediglich viel geschmeidiger und eleganter als ich es je hinbekommen würde. Bei ihm sah es aus wie eine einzige fließende Bewegung. Bei mir hingegen hatte es vermutlich ausgesehen wie ein abgehacktes, tollpatschiges Rumhampeln, dessen Resultat überraschenderweise in einer aufrechten Position endete.

Mir war nur zu deutlich bewusst, dass er mir viel zu nah stand dafür, dass wir uns kaum kannten und bis dato einander eher weniger einen Grund für vertraute Zweisamkeit, wie die ganze Situation nach außen hin wirken musste, gegeben hatten. Normalerweise schlugen sich Freunde oder gar Liebhaber nicht bewusstlos oder drohten damit, der Mutter des anderen etwas anzutun. Zumindest nicht das ich wüsste. Dafür wusste ich jedoch mit ziemlicher Sicherheit, der Moment zum Abhauen war definitiv schon längst überschritten worden. Aus diesem Grund beschloss ich auch kurzer Hand einfach wieder kehrt zu machen. Für meiner Schicht in "The Boom" war ich mittlerweile eh schon zu spät dran, meine Nerven lagen blank und meine Emotionen spielten ja sowieso schon verrückt, weil ihnen ihr Beruhigungsmittel aka Luzifer fehlte. So gesehen hatte ich keinerlei Ambitionen mehr, meinen Kadaver irgendwo hin zu schleifen, nur um dann vor versammelter Mannschaft einen Zusammenbruch zu erleiden und mich somit bis auf die Knochen zu blamieren oder gar am Ende in irgendeiner Klinik zu landen, in der man sich meine Akte ansah. Allein der Gedanke daran, wohin mich die Ärzte schicken könnten oder, noch schlimmer, wen sie anrufen würden, wenn sie ernste Bedenken bezüglich meines Gesundheitszustandes hätten, ließ es mir eiskalt den Rücken runter laufen. Deshalb fackelte ich auch nicht mehr lange, ignorierte Alans Anwesenheit dabei vollkommen, und setzte mich in die Richtung in Bewegung, aus der ich zuvor gekommen war.

Aber natürlich hatte Mister Ich-will-alles-wissen etwas dagegen.

>Nicht so schnell< Wieder einmal umgriff er mit seiner Hand meinen Oberarm, doch dieses Mal schüttelte ich sie einfach ab, womit er nicht gerechnet hatte, sonst wäre das definitiv nicht so leicht gewesen. Strikt nach vorne schauend, setzte ich meinen Weg fort, ohne auch nur eine Sekunde stehen zu bleiben. Er folgte mir auf dem Fuße. >Meine Fresse, Angel! Ich will dir doch nur helfen!<

Abrupt blieb ich stehen, als hätten sich plötzlich unsichtbare Fesseln um meine Fußknöchel gelegt, um mich zurück zu halten. Nicht damit rechnend, dass ich so plötzlich stehen blieb, konnte Alan nicht mehr bremsen und wäre somit glatt in mich hinein gelaufen, hätte ich mich nicht genau in dieser Sekunde zur Seite gedreht, sodass er an mir vorbei taumelte.

>Du willst helfen?<, fragte ich ihn, noch während er sein Gleichgewicht suchte und sich anschließend wieder aufrichtete. >Mir helfen?< Ich spuckte das letzte Wort aus, als sei es ein widerliches Gift, welches ich in meinem Lieblingsessen gefunden hatte, bevor es in meinem Magen und meinem Blutkreislauf gelangen konnte, um mich von innen heraus zu zerfressen. >Du bist der einzige Grund, warum ich überhaupt so etwas wie "Hilfe" benötige!<Ja, mir war bewusst, dass ich schrie. Ich wollte schreien. Wollte ihm zeigen,was ich von seiner Art zu "helfen" hielt. >Wärst du einfach geblieben, wo der Pfeffer wächst, wärst du gegangen, als ich es dir sagte, wäre ich jetzt nicht in dieser beschissenen Situation! Deinetwegen ist Luzifer weg!Deinetwegen werde ich bestraft, weil ich mich nicht mehr an den Vertrag gehalten habe! Deinetwegen muss ich wieder etwas fühlen! Du, du, du! Immer wieder nur du! Weil du mit deiner beschissenen "Hilfe" daher kommst!Weißt du, was wirklich eine Hilfe wäre? Wenn du dich wieder dahin verpisst,woher du gekommen bist!< Und mit diesen Worten drehte ich mich um und ging.Und ließ einen, mich fassungslos ansehenden, Dämonenjäger hinter mir zurück.  

Zwischen Himmel und Hölle (slow updates)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt