Die ganze Nacht über blieb Luzifer an meiner Seite, auch wenn wir beide eigentlich gar nichts taten. Wir redeten nicht einmal miteinander. Und obwohl man ihm ansah, dass er sich vor Müdigkeit kaum noch aufrecht halten konnte, schliefen wir auch nicht. Ein kleiner Teil meines Verstandes sagte mir, dass ich mich egoistisch ihm gegenüber verhielt. Dass ich ihm sagen sollte, er könne sich ruhig schlafen legen. Doch dieser Teil war viel zu klein und schwach um gegen den viel größeren Teil anzukommen, den es einfach nicht interessierte.
Am nächsten Morgen erklärte mir Luzifer, dass er wieder weg müsse. In die Hölle. Zu seiner Arbeit. Und dass er dieses Mal nicht einfach wieder zu mir zurückkommen konnte, nur weil mein Körper sich nicht im Griff hatte. Jedoch beschwor er mich, mich von diesem Mann und auch von Mia fern zu halten. Als hätte ich vor gehabt nach den beiden zu suchen. Anschließend verschwand er einfach. Ohne Rauch, Glitzern oder anderem Hokuspokus. In einem Moment stand er noch mit einem warnenden Blick vor mir und im nächsten war er weg. Eine Eigenschaft, die ich auch gerne besessen hätte: Teleportation. Oder zumindest etwas, was man damit vergleichen konnte. Damit hätte ich mir den Bus ersparen können, mit dem ich wenige Stunden später zur Arbeit fuhr.
Nur weil man nichts spürte, hieß es nicht, dass man sich nicht daran erinnern konnte, wie es war etwas zu spüren. Meistens ließ ich diese Erinnerungen nicht hoch kommen. Man wusste nie mit welcher Heftigkeit sie wieder in das Bewusstsein eintreten konnten. Doch als ich in den vollen Bus stand, kleine Kinder herum krakelten, alte Leute vor sich hin schnauften und ich in jeder Kurve fast umgeworfen wurde, konnte ich nicht verhindern, wie mir unzählige Momente in den Sinn kamen, in denen ich so eine Situation schon durchlebt hatte. Früher hatte ich es gehasst mit den Bus zu fahren, hatte aber keine andere Wahl gehabt, wenn ich nicht über eine Stunde zu meiner Schule mit dem Rad fahren wollte. Ich hatte diesen Geruch von abgestandener, verbrauchter Luft gehasst. Hatte die Kinder gehasst, die meinten, sich wie die letzten Volltrottel benehmen zu müssen, nur weil ihre Eltern nicht dabei waren. Ich hatte diese Anzugtypen gehasst, die sich für was besseres hielten und es nicht einmal schafften für ältere Leute ihren Sitzplatz zur Verfügung zu stellen. Aber am schlimmsten war es immer gewesen, wenn jemand ein Kleinkind oder sogar einen Säugling dabei hatte. Dieses ständige Geschrei war einfach nur nervenaufreibend und hatte mir meist schon die Laune vor der Schule gründlich vermiest.
Aus diesem Grund beeilte ich mich auch, das Innere des Busses so schnell wie möglich zu verlassen. Dabei hatte ich den ein oder anderen bestimmt komplett über den Haufen gerannt, aber ich scherte mich nicht darum. Stattdessen lief ich mit schnellen Schritten auf die Glastür von The Boom zu und stieß diese mit meiner rechten Hand auf. Lin, die gerade zwei Jungs mit Collegejacke bediente, drehte sich zu mir um und winkte mir fröhlich zu, was mir ebenfalls die Aufmerksamkeit der beiden Jungen einbrachte. Sie waren groß, hatten relativ breite Schultern und schienen öfter mal ins Fitnessstudio zu gehen, jedoch schienen sie dabei zu vergessen, dass ein muskelbepackter Oberkörper nur halb so attraktiv war, wenn man dünne Streichholzbeine hatte. Als sich einer der beiden mit einer Hand durch seine dunklen Haare fuhr und mich anschließend mit einem schiefen Grinsen betrachtete, das mich wohl beeindrucken sollte, drehte ich mich von ihnen weg, um nach hinten zu gehen und mich umzuziehen. Ich hörte noch das Lachen eines anderen Jungen hinter mir, doch ich achtete nicht darauf. Sollten sie doch lachen.
Wenig später bediente ich in einem weißen Polo-Shirt und einem roten Rock plus schwarzer Schürze einige Kunden. Um diese Uhrzeit waren sogar noch einige darunter, die einfach nur ein Kaffee trinken und sich nicht hemmungslos besaufen wollten. Man hätte es wirklich für ein schönes Café halten können. Runde Tische in der Mitte des Raumes, die gegen Abend weggestellt wurden, um Platz zum Tanzen zu schaffen. Sitznischen an den Seiten mit Bänken, die sogar relativ gemütlich sein konnten. Es war sauber und durch die Fensterfront zur Straße fiel gerade genug Sonnenlicht in den Raum, um weder einen düsteren noch einen Backofen Eindruck zu erwecken. Der Tresen, der gleichzeitig auch als Bar fungierte, war aus dunklem Holz und verlieh dem ganzen Raum irgendwie eine gemütliche Atmosphäre. Ja, The Boom war an sich eigentlich ein hübsches Plätzchen, um den Abend gemütlich ausklingen zu lassen oder um sich mit Freunden zu treffen. Nur die etwas unvorteilhafte Gegend hatte dazu geführt, dass der Großteil der Kunden eben nicht aus gestandenen Leuten, sondern aus Junkies, Alkoholabhängigen und Verbrechern bestand. Ein Grund, weshalb mir der Typ in einer der Sitznischen gar nicht aufgefallen wäre, wenn er nicht eine Kapuze getragen hätte. Und wenn Lin, die ihn eigentlich bedienen wollte, nicht zu mir gekommen wäre, weil er unbedingt mich als seine Kellnerin hätte haben wollen.
Ich hatte ehrlich gesagt mit vielem gerechnet, angefangen von irgendeinem Polizisten bis hin zu Vergewaltiger oder Auftragsentführer von Mia. Doch als ich dann vor diesem Typ stand und danach fragte, was er denn gern haben wolle, war ich nicht wirklich darauf vorbereitet, dass er mit "Den Namen des Dämons" antworten würde. Nein, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet, insbesondere deshalb, weil man ihn gar nicht erkennen konnte, so tief hatte er sich die Kapuze ins Gesicht gezogen. >Ich weiß wirklich nicht, was du für Probleme hast, aber wenn du nur deshalb gekommen bist, kannst du gleich wieder verschwinden. Den Namen bekommst du nicht< Kaum hatten diese Worte meinen Mund verlassen, war auch schon wieder dieses heisere Lachen von ihm zu hören.
>Oh, glaub mir, du wirst mir den Namen freiwillig geben. Wie wär's? Du bringst mir 'nen Kaffee und setzt dich dann 'ne Weile zu mir? Damit wir darüber reden können, wie gerne du mir den Namen nennen willst?< Er sah mich nicht an, während er sprach. Dennoch war ich mir sicher, dass seine Lippen ein leichtes Grinsen zierte. Vermutlich rechnete er damit, dass ich jetzt eine riesen Szene machen würde, damit er wieder verschwinden würde. Jedoch kam mir nicht mal in den Sinn, ihm Recht zu geben, weshalb ich mich einfach umdrehte, um ihm 'nen Kaffee zu machen. Schwarz. Schien ja seine bevorzugte Farbe zu sein, immerhin trug er auch jetzt wieder eine schwarze Jeans, ein schwarzes Shirt und darüber eine leichte, schwarze Jacke. Nicht zu vergessen die dazugehörige schwarze Kapuze. Die er auch dann noch trug, als ich mich ihm gegenüber hinsetzte, nachdem ich ihm den Kaffee direkt vor der Nase platzierte. Wohl wissend, dass ich gerade Luzifers Anweisungen vollends in den Wind schoss.
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Zwischen Himmel und Hölle (slow updates)
ParanormalEngel. Wenn man dieses Wort hört, denkt man sofort an gewaltige Flügel, die Männer und Frauen, die Heerschar Gottes, durch die Lüfte tragen oder an eine schützende Hand, die über einen gehalten wird... Angel hingegen, der dieser Name mit auf den We...