Ich hatte schon viele Blicke gesehen. Blicke, die mich musterten wie ein winziges, widerwärtiges Insekt, das durch eine kleine Unachtsamkeit ins beschauliche, warme Wohnzimmer und damit mitten in das Leben von jemanden geplatzt war. Einfach nur unerwünscht. Oder Blicke, die mich zu verstehen versuchten, als wäre ich das Ergebnis eines großen, chemischen Experimentes bei dem trotz aller Vorsicht etwas vollkommen anderes entstanden war als vorgesehen. Aber auch Blicke, die mich verurteilten als hätte ich einem wehrlosen, kleinen Kind die Arme und Beine gebrochen, es in einen kalten, verseuchten Fluss geworfen, um es qualvoll und unter großen, bestialischen Schmerzen sterben zu lassen und das nur, um einen berauschenden Kick zu bekommen. Ich war daran gewöhnt. In der Regel machten sie mir auch nicht wirklich etwas aus oder schüchterten mich gar ein. Nur leider gab es im Moment irgendwie nichts, was in meinem Leben noch nach den Regeln laufen wollte.
Alan beherrschte die Gabe, diese Blicke, die mich verspotteten, kritisierten und meine ganze Existenz in den Boden zu stampfen schienen, in einem einzigen zu fusionieren perfekt und sorgte so nicht nur dafür, dass ich mir wünschte den ersten Albtraum seit Jahren gerade zu erleben, sondern mich auch eine dunkle Vorahnung überfiel. Das Bedürfnis mich einfach umzudrehen, zu gehen, zu flüchten war so groß, als wäre ich eine winzige, unbedeutende Maus, die die Aufmerksamkeit eines ganzen Pulkes von ausgehungerten Katzen auf sich gezogen hatte. Dabei handelte es sich bei der Person vor mir nur um Alan. Nur ein Fremder, dessen Job ihn rein zufällig zu mir gebracht hatte und dem ich bereits schon einmal das Bein in die Kronjuwelen gejagt hatte. Nicht mehr. Also warum schienen meine Beine mir ihren Dienst zu versagen, angesichts des Ausdrucks in seinen Augen, die in diesem Blickwinkel durch das Licht viel dunkler erschienen, als wären sie schwarz, was schon viel mehr zu einem Dämonenjäger passte. Aber sie sind nicht schwarz, sie sind blau. Und was soll er mir auch schon groß antun? Immerhin bin ich doch schon halb tot. Ironischerweise beruhigte mich dieser Gedanke zumindest soweit, dass ich vermutlich nicht mehr ganz so sehr aussah wie ein nervöses Frack. Unter der Oberfläche jedoch konnte ich noch immer spüren wie die Panik wegen Alans erneuten Auftauchen, den damit verbundenen Konsequenzen von seitens Luzifer und vor dem Schmerz des Verlustes und der Vergangenheit, der sich langsam kriechend seinen Weg ans Tageslicht suchte, in mir brodelte, als wolle mich allein die Gedanken daran, was passieren könnte, bis in alle Ewigkeit foltern.
>Ich hasse es wirklich um den heißen Brei herumzureden, weißt du? Und genau deshalb langt es mir, dass du dich so stur und starrköpfig anstellst. Besonders nach letztens. Meine Geduld ist aufgebraucht, Angel. Also frage ich dich genau ein einziges Mal nett und freundlich: Welchen gottverdammten Deal hast du mit Luzifer?< Erschrocken über seine Stimme, die plötzlich mühsam beherrscht und dunkel ertönte, versuchte ich einen Schritt zu machen. Weg von ihm. Weg von seiner Nähe. Weg von seiner Stimme. Sofort krallte sich seine Hand schraubstockartig um meinen Arm fest, sodass mich leichter, fast harmloser Schmerz im Vergleich zu allem anderen durchzuckte. Doch ich wehrte mich weiter. Versuchte mich seinem Griff zu entziehen. Wollte weder zugeben, was der Vertrag beinhaltete, noch daran erinnert werden unter welchen Umständen er überhaupt zu Stande gekommen war. Allein der Gedanke daran, diese Worte wieder in den Mund zu nehmen, wieder zu erklären, was ich getan hatte und warum, ließ meine Seele sich zusammenkrümmen , als hätte sie mehrere fiese Schläge in die Magengrube abbekommen.
>Stell dich nicht so an und mach endlich die Zähne auseinander!<, fauchte er beinahe bösartig und ähnelte in diesem Moment trotz der Tatsache, dass sie rein optisch betrachtet nicht unterschiedlicher hätten sein können, Luzifer so sehr, dass ich vor Schreck wie erstarrt stehen blieb, die Augen starr auf seine gerichtet, die sich wütend zu Schlitzen geformt hatten. Kurz, ganz kurz nur durchzog meine Gedanken die Idee, Alan könnte Luzifer selbst sein, nur in einer anderen Erscheinung. Doch dieser Fetzen einer Befürchtung verflüchtigte sich so schnell, wie er gekommen war, als er mich leicht von sich stieß und mich dabei losließ, sodass ich überrascht ein paar Schritte nach hinten torkelte. Ich spürte den kalten Klinker einer Mauer hinter mir und fragte mich unterbewusst, wann genau Alan uns so gedreht hatte, dass ich plötzlich zwischen ihm und der Wand gefangen war. >Irgendwas ist anders< Das leise Murmeln, welches nach diesem einfachen Satz seinen Mund verließ, konnte ich nicht verstehen, so sehr ich mich auch darum bemühte. Zu spät kam mir der Gedanke, mich nun, wo er seine volle Aufmerksamkeit nicht nur mir zukommen ließ, vom Acker zu machen, so schnell wegzulaufen wie mich meine Beine tragen konnten. >Wo ist Luzifer?< Mir entging der misstrauische Unterton nicht, doch ich maß ihm einfach keine Bedeutung zu, zu sehr dröhnte Luzifers Bestrafung in meinen Ohren.
>Er ist weg. Aber er wird wiederkommen. Er braucht mich. Nicht so wie ich ihn, aber er braucht mich. Und ich lebe in seinem Haus. Er wird wiederkommen< Ich bemerkte nicht wirklich, dass ich laut gesprochen hatte, dass Alan nicht einmal ansatzweise verstand, was ich da redete. Erst als so etwas wie Verstehen und zur selben Zeit Abscheu in seinen Blick trat, er sich erst einen dann zwei Schritte von mir entfernte, realisierte ich, was ich soeben laut zugegeben hatte.
>Du schläfst mit ihm< Die Worte verließen seinen Mund, doch es schien als würde er erst dadurch das volle Ausmaß dessen begreifen, was er aus meinen Worten herausgehört hatte. Aus Reflex sah ich zur Seite, hielt seinen angeekelten Blick nicht aus. Wollte nicht, dass er bemerkte, wie weit es tatsächlich ging. Ich wollte dieses Geheimnis zwischen Luzifer und mir bewahren, wollte unseren Deal zwischen uns geheim halten. Es ging niemanden etwas an, erst recht nicht Alan.
Leider schien mich genau das verraten zu haben.
>Verdammte Scheiße. Du schläfst nicht nur mit ihm, hab ich recht?< Seine Stimme wurde von Silbe zu Silbe lauter, unbeherrschter. Meine menschlichen Reflexe, die zurückgekehrt waren, schrien mich an zu verschwinden. Dass Alan gefährlich war. Dass ich nicht sicher war. Doch meine Angst, Alan hätte alles herausgefunden, hätte mein größtes Geheimnis erfahren, lähmte mich, sodass ich nur in der Lage war, starr vor mich hin auf seine Füße, die wieder einmal in schwarze Springerstiefel steckten, zu starren. Unfähig meinen Blick abzuwenden. >Du hast deine ganze Existenz als Einsatz in dem Vertrag gesetzt<
Ich konnte nur noch meine Augen schließen, bevor ich angelehnt an der Mauer in meinem Rücken zu Boden rutschte und dort hocken blieb.
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Zwischen Himmel und Hölle (slow updates)
ParanormalEngel. Wenn man dieses Wort hört, denkt man sofort an gewaltige Flügel, die Männer und Frauen, die Heerschar Gottes, durch die Lüfte tragen oder an eine schützende Hand, die über einen gehalten wird... Angel hingegen, der dieser Name mit auf den We...