Kapitel 22 | Erwachen

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Dunkelheit.
Kälte.
Stille.

Das Gefühl für Zeit, Raum und Distanz hatte Gabriel verloren, als er das Zimmer mit der Nummer 413 beteten hatte und im nächsten Moment in völliger Dunkelheit zu sich kam. 
Als seine Gedanken sich zu regen begannen, die innere Stille sich langsam legte und er versuchte, die Augen zu öffnen, da merkte er, dass es zu spät war.

>Ich kann nichts sehen... Ich kann meine Augen öffnen, aber ich kann nichts sehen<
Die ersten Gedanken waren leise, wie ein Flüstern, das sich aus dem hinteren Teil seines Gehirns heran bahnte. Doch mit jeder verstreichenden Sekunde, die sich mehr und mehr wie Stunden anfühlten, wurden seine Gedanken lauter, sein Herzschlag schneller, seine Angst größer.
Um ihn herum herrschte völlige Dunkelheit.
Er spürte, wie die Kälte seiner Umgebung ihn einschloss. 
Da er nichts sehen konnte und er nicht ganz und gar in Panik verfallen wollte, erinnerte er sich an seine übrigen Sinne. 

Um ihn herum roch es nass-kalt. Der süßlich modrige Duft eines Kellers, in dem nie gelüftet wurde, an den kein Tageslicht heran kam. Seine Hände waren mit einem schweren, kalten Metall gefesselt, an dem eine Kette baumelte. Vorsichtig versuchte er die Kette zu greifen, was sich als schwierig herausstellte. Als er sie endlich zwischen den Fingern hatte, zog er daran und zuckte zugleich zusammen. Ein weiteres, metallisches Klimpern klingelte in seinen Ohren. 
Seine Fußgelenke waren ebenfalls gefesselt. 
Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken, als er merkte, dass die Kette, die von seinen Händen und von seinen Beinen führte, sich in der Mitte trafen. Sie waren miteinander verbunden. 
Zitternd ertastete er die Umgebung, so wie es die Ketten zuließen. 

Weit kam er jedoch nicht. Um ihn herum befand sich nichts als kalter Steinboden, der sich irgendwie rau und nass anfühlte. 
Gänsehaut zog sich über seinen gesamten Körper. 
Es war so still, dass er es nicht wagte, einen Mucks zu machen. 
Noch immer wusste er nicht, in was für einem Raum er sich eigentlich befand. 
Und wer ihn doch hingeschleppt hatte. 
Oder warum.

Gabriel lehnte sich ein wenig nach hinten und spürte eine geflieste Wand in seinem Rücken. 
Zitternd drückte er sich dagegen und zog die Beine an den Oberkörper. 
Die nasse Kälte im Raum raubte ihn seiner Kräfte. 
Vorsichtig strich er sich über den Kopf, der schon seit einer Weile pochte und zuckte zusammen, als er eine nasse Wunde berührte. 
So mussten Sie ihn also ausgeknockt haben. 

Gabriel presste die Lippen zusammen, krallte sich mit den Händen in den Nacken und kauerte sich verzweifelt zusammen. Er war ausgeliefert. Wer auch immer ihn hier her gebracht hatte, er konnte nicht davon laufen. 

Irgendwann begann er aus Verzweiflung und Furcht leicht vor und zurück zu wippen. 
Seine Lippen waren wie gelähmt. 
Sein Kopf dröhnte.
Sein Körper zitterte.
Das schwere Metall, das seine Arme und Beine zusammen hielt, schnitt ihm in die Haut. 

>Ich bin ganz alleine... niemand kann mir helfen... niemand weiß, dass ich hier bin<
Seine Gedanken wurden immer düsterer. 
Dunkelheit legte sich auf seinen Geist. 
Sein Herz wurde schwer. 
Atmen wurde schwer. 
Wach bleiben wurde schwer. 

Das rauschende Blut in seinen Ohren wiegte ihn schließlich in eine Mischung aus Ohnmacht und Schlaf. 

Es gab kein Licht

Es gab keine Zeit

Nur Dunkelheit und Kälte. 

the Anarchy of the HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt