Kapitel 24 | Folter

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Versuche, deine Augen zu schließen, in einem Raum, in dem völlige Stille herrscht. 
Warte, ohne zu zählen, zehn Minuten ab. 
Kannst du die Zeit spüren, die an dir vorbei zieht?
Ohne Licht, ohne Geräusche, nur mit dem Rauschen des Blutes in deinem Kopf?

Gabriel wusste nicht, wie lange er schon zusammengekauert in diesem Keller saß, wenn es denn einer war. Er wusste nicht, ob es Tag oder Nacht war, ob draußen Menschen warteten oder ob er ganz alleine war. 
Irgendwann, nach einigen Minuten, vielleicht auch Stunden, legte er sich auf den kalten Betonboden und lauschte seiner Atmung. 
Mit einer schützenden Wand im Rücken, fielen ihm schließlich die erschöpften Augen zu. 
Es gestaltete sich als äußerst schwierig, in völliger Dunkelheit etwas zu suchen, das man mit dem Blick fixieren konnte, um nicht panisch zu werden. 
Doch Gabriel hatte nicht aufgegeben und irgendwann geglaubt, tatsächlich etwas sehen zu können. Nur ein kleiner, heller Fleck, weit entfernt von ihm. 
Vielleicht war es auch nur Einbildung gewesen, ein Streich seines Verstandes, den er allmählich zu verlieren drohte.

Gerade, als er sich im Stillen fragte, wie lange ein Mensch diese Dunkelheit und Isolation aushalten konnte, stach es ihm wie ein Blitz in den Augen. 
Reflexartig schreckte er hoch, die Muskeln in seinem Körper ließen ihn aufrecht sitzen. 
Wieder schnitten ihm die Fesseln in die Hand- und Fußgelenke, doch dieses Mal gab es einen weitaus schlimmeren Schmerz.

Gleißendes Licht brannte ihm in den Augen, die er mit einem erstickten Schrei zusammen kniff und dabei den Kopf in den Knien vergrub. Er spürte seinen Puls beschleunigen, seine Sinne um die vorangegangene Dunkelheit flehen. 
Welcher grausame Mensch ließ ihn so ohne Vorwarnung beinahe erblinden? 
Leise wimmernd hielt er die Augen geschlossen. Während er durch seine Lider, die von Außen mit Licht durchflutet wurden, sich an die Helligkeit zu gewöhnen versuchte, hörte er plötzlich etwas. 

Ein metallisches Klicken.

Ein...Schloss, das aufgeschlossen wurde? 

Erneut versuchte er, mit jeglicher Vorsicht, die Augen zu öffnen. Ein paar Tränen sammelten sich darin, denn er hatte sich noch bei weitem nicht an die nun herrschende Helligkeit gewöhnt. 
Gabriel erhaschte einen kurzen, verschwommenen Blick auf seine Umgebung, musste die Augen aber schnell wieder schließen, da es nun einfach zu hell war.
Er hatte nicht viel sehen können, von dem Raum, in dem er sich befand. 
Nur eine Silhouette von Etwas, das aussah wie ein Tisch mit einem einzelnen Stuhl, dahinter, an der weiß gekachelten Wand, ein Waschbecken und daneben ein großer Spiegel, der in den Raum hinein zeigte. 

Mit einem leisen Knarzen hörte er, wie sich eine Tür zu öffnen schien. Leichte, flinke Schritte kamen auf ihn zu und ein ihm nur zu bekannter Duft nach teurem Parfüm ließen seine Nackenhaare zu Berge stehen. 
Gabriel verkrampfte sich und zwang sich selbst, erneut einen Blick zu wagen. 

Und tatsächlich.

Sie stand vor ihm. 

Zwar schaffte er es nur bis zu den weißen Sneaker mit den teuren Glaskristallen darauf, ehe er wieder die Augen zusammen kniff, doch das reichte ihm als Gewissheit. Galle stieg in ihm empor. 

"Na mein Kleiner?", eine bissige, grinsende Stimme ertönte direkt vor ihm, doch Gabriel rührte sich nicht. 
Wie ein aufflammendes Höllenfeuer loderte die Wut in seiner Brust und überdeckte seine Angst. Die Zähne fest aufeinander gepresst, ballte er die Hände zu Fäusten und hob langsam den Kopf. 
Erneut öffnete er die Augen ein Stück weit und sah der fiesen Fratze direkt ins Gesicht, die vor ihm schwebte. 
"Hast du gut geschlafen?", mit langen, krallenförmigen Fingernägeln packte sie Gabriels Gesicht und bohrte sie in seine Wange. Sie hielt ihn so fest, dass er den Kopf kaum noch bewegen konnte und sie nun ansehen musste
"hm... zu schade um dein hübsches Gesicht... Ich schätze, du wirst es verlieren, wenn dein lieber Dady dich nicht bald erlöst."
Sie ließ ihn los und sein Kopf fiel ihm auf die Brust. 
Er wollte nach ihr greifen, doch seine Fesseln hielten ihn zurück und so verletzte er nur sich selbst. 
"nh-...ich dachte du-"
Ein schrilles Lachen unterbrach ihn. 
"Du dachtest ich heirate deinen Dady aus Liebe? Weil wir gerne gemeinsam Skifahren gehen? Weil ich gerne die Mutti eines verzogenen, kleinen Teufelsbraten spiele?", Emma Leith schüttelte den Kopf und patschte ihm mit der Hand ein paar Mal ins Gesicht, wobei Gabriel den Kopf weg drehte.
"Oh Gabriel... Du armer, armer Gabriel. Du wirst noch lernen, deinen Vater zu hassen. Ich weiß ganz genau wie sehr du an ihm hängst... Immerzu versöhnt ihr euch wieder und alles ist, als wäre nie etwas gewesen~"
Mit einem siegessicheren Lächeln erhob sie sich aus ihrer Hocke und schaute missbilligend zu dem Jungen hinab. 
"Verabschiede dich von dem Gedanken an deinen heldenhaften Vater und lerne wie es ist einen Menschen aus tiefstem Herzen zu hassen!"

the Anarchy of the HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt