"Sehr geehrte Kunden und Kundinnen, wir bitten sie innerhalb den nächsten 10 Minuten ihre Ware auf das Kassenband zu legen und zu bezahlen."
Hastig schnellt mein Blick auf die abgenutzte Armbanduhr, welche sich an meinem Handgelenk befindet. 21:50 Uhr. Sollte ein 24 Stunden Supermarkt nicht den ganzen Tag geöffnet haben? Egal, ich muss mich jetzt entscheiden. Gummibärchen oder doch lieber Chips? Oreos oder Mikados? Schokolade oder Kekse? Es sieht alles so lecker aus. Wieso muss ich auch nur so verfressen sein? Konzentriert mustere ich die ganzen Packungen Süßigkeiten vor mir. Chips hatte ich zuletzt vor ein paar Tagen und Kekse auch. Auf Oreos und Schokolade hab ich heute irgendwie keinen Hunger. Dann bleiben noch Gummibärchen und Mikados. Ich könnte mir noch beides kaufen. Dann würde aber weniger Geld für's Essen bestellen bleiben. Egal, dann gibt's halt nur 'ne normale Pizza. Glücklich, endlich mich endschieden zu haben, greife ich nach den Süßigkeiten, komme aber nicht dran. Mal wieder. Ist nicht das erste Mal, dass ich nicht an Dinge in Regalen rankomme. Verzweifelt versuche ich nach einer Packung Mikado zu greifen, die ganz oben steht. Vorsichtig setze ich einen Fuß auf die unterste Stufe des Regales und stelle den anderen Fuß auf eines der Räder vom Einkaufswagen. Kaum umschließt meine Hand die Verpackung, spüre ich wie sich der Wagen bewegt und ich ins Schwanken komme. Panisch versuche ich mich an irgendetwas festzuhalten, was ich aber nicht hinbekomme. Innerlich bereite ich mich schon auf den schmerzhaften Aufprall auf dem Boden vor. Kurz vor dem Boden, bekomme ich etwas aus Stoff zu greifen, was ich sofort an mich ziehe, in der Hoffnung nicht auf dem Boden zu landen. Ein schmerzhaftes Ziehen meines Steißbeins beweist das Gegenteil. Langsam rappel ich mich wieder auf und sehe wonach ich da überhaupt gegriffen habe. Vor mir auf dem Boden sitzt ein Junge, mit einem dunkelgrauen Kapuzenpulli, deren Kapuze tief in seinem Gesicht sitzt. Irgendwie fühle ich mich schuldig, da er nur wegen mir auf dem Boden sitzt. Helfend strecke ich ihm meine Hand entgegen um ihm auszuhelfen. Er jedoch ignoriert sie gekonnt, steht auf und will sich aus dem Staub machen. Mein Blick schweift zu der Stelle an der Ich soeben noch gelegen habe. Zwei Packungen Spagetti liegen dort und sind anscheinend dem Unbekannten aus der hand gefallen, als ich in mit mir gerissen habe. Mit den beiden Packungen in der Hand laufe ich ihm schnell hinterher und bleiben hinter ihm stehen, als er vor dem Regal mit der Tomatensoße steht. "'Tschuldigung wegen vorhin, dass ich dich einfach so mit auf den Boden gerissen habe. Du hast die hier vergessen." Vorsichtig strecke ich Ihm die beiden Packungen entgegen. Sein verhülltes Gesicht dreht sich zu mir und bleibt in dieser Position. Ob er mich anstarrt weiß ich nicht, ist mir auch egal. Ich möchte nur das diese peinliche Situation jetzt endet. Meine Hand strecke ich Ihm noch ein bisschen weiter entgegen, damit er endlich die Nudeln nimmt. Durch das weitere Anstarren des Fremden, lege ich einfach die Packungen in das Regal vor uns und gehe wieder zurück zu meinem Einkaufswagen. Der Typ ist schon komisch. Da entschuldige ich mich und laufe ihm hinterher um die Nudeln zurückzubringen und er reagiert nicht mal. Gedankenverloren laufe ich mit dem Einkaufswagen der Kasse entgegen, auf die ich gemächlich meinen Einkauf lege. Außer einen alten Mann der gerade bezahlt, den Unbekannten und mir ist anscheinend niemand sonst hier. Je weiter sich meine Mikados, Gummibärchen und der Eistee nach vorne bewegen, desto dümmer komme ich mir vor, dass ich einen Einkaufswagen für drei Sachen brauche. "Das macht bitte 4 Euro und 79 Cent." Die Stimme der älteren Kassiererin mit den grau-braunen Haaren und den warmen braunen Augen reißt mich aus meiner Abwesenheit. Länger als sonst krame ich in meinem Geldbeutel umher um das Geld passend zu geben, da ich es wie die Pest hasse, zu viel Kleingeld im Geldbeutel zu haben. Mir fehlen nur noch die letzten 9 Cent und ich kann bezahlen, doch genau jetzt muss sich jemand an mir vorbeizwängen und mich somit dazu bringen das Geld fallen zu lassen. "Shit. Kannst du eigentlich nicht aufpassen?" Verärgert schaue ich dem Spagetti-Jungen hinterher, der also der Grund für die unzähligen Münzen auf dem Boden ist. Ohne sich umzudrehen, geht er schnurstracks aus dem Laden hinaus. "Was für ein unhöflicher Mann. Warte, Kind. Ich helfe dir schnell." Die nette Frau kommt hinter der Kasse hervor und hilft mir das Geld aufzuheben, wofür ich ihr in diesem Moment sehr dankbar bin. Nachdem ich bezahlt habe und den Einkaufswagen, auf bitte der Dame, einfach im Laden stehen lassen konnte, stehe ich nun vor den verschlossenen Türen des Ladens. Während ich mich auf den Heimweg mache, öffne ich den Eistee und setze an um daraus zu trinken, aber das Hupen eines Autos unterbricht mich und lässt mich durch Schreck den Eistee über mich schütten. Mit aufkommender Wut schaue ich das hinter mir stehende Auto an und entdecke hinter dem Steuer Spagetti-Boy, der genüsslich 'ne Kippe raucht während er immer noch wartet, dass ich von der Straße verschwinde. "Hackt's bei dir eigentlich? Hat dir irgend wer mal in dein Gehirn geschissen?" Gelangweilt schmeißt er die Kippe auf die Teerstraße und schaut in meine Richtung. Leider kann ich trotz der Straßenlaterne sein Gesicht nichts sehen, denn dann würden mir ein oder zwei Beleidigungen einfallen. "Reden kannst du anscheinend auch nicht, also lass mich in Ruhe und fahr weiter." rufe ich während ich weiterlaufe und bemerke, dass er mir hinterher fährt. Eigentlich sollte ich jetzt Angst haben, da er ein möglicher Pedo sein könnte und in der Lage wäre mich zu vergewaltigen oder zu überfahren. Jedoch bin ich grade eher angepisst als ängstlich, da dieser Spaten mich angerempelt hat und Schuld ist, dass ich nun Eistee über mich geschüttet habe. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass das Auto neben mir her fährt. Die Scheibe auf der Beifahrerseite ist herunter gefahren und der Typ schaut in meine Richtung. "Dir ist schon bewusst, dass du gerade auf der falschen Straßenseite fährst?" versuche ich ihn dazu zu bewegen, endlich weiter zu fahren. "Und dir ist schon bewusst, dass du mitten auf der Straße läufst?" Innerlich sowie äußerlich verdrehe ich meine Augen. "Das hier ist 'n wenig befahrenes Kaff und die Wahrscheinlichkeit, dass mich jemand Überfährt ist gering. Die Wahrscheinlichkeit, dass du angefahren wirst oder in einen Unfall kommst ist bei dir deutlich größer, wenn du weiter auf der falschen Straßenseite fährst." Ein Seitenblick zu ihm, verrät mir, dass er nur nickt. "Was willst du eigentlich von mir?" Er zuckt mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. Du bist irgendwie interessant." Die Augenbrauen hochziehend, laufe ich weiter. "Aha. Und das bedeutet jetzt was genau?" "Keine Ahnung." Ich bleibe stehen und schaue dem Auto hinterher, welches nun Rückwärts fährt, genau so, dass der Fahrer direkten Augenkontakt mit mir durch das Fenster aufbauen könnte, wenn er mal diese verdammte Kapuze abnehmen würde. "Was willst du von mir?" frage ich ihn gelangweilt und verdrehe wieder die Augen. "Ich will Gesellschaft." Verdutzt drehe ich meinen Kopf in seine Richtung. ich hätte nicht gedacht dass ich mit meiner Pedo-Theorie richtig liege. Holy Goat. Vergewaltigung steht eigentlich nicht auf meiner To-Do-List. Langsam kriecht die Angst doch in mir hoch. "Ehm. Sorry, aber ich hab heute Abend noch unglaublich viel zu tun, also wird das nix." "Ich hatte nicht vor dich zu vergewaltigen also chill mal. Eigentlich brauche ich nur 'nen Platz wo ich schlafen und was essen kann. Mein Cousin meinte hier wohnt eine Jona Harisson. Kennst du die?" Skeptisch denke ich über die indirekte Frage nach. Und dann darüber dass sein Cousin meint, er könne bei mir schlafen. Woher kennt er mich und wer ist sein Cousin? Innerlich ringe ich mit mir selbst, ob ich ihm auf seine letzte Frage antworten soll. "Ja ich kenne Jona." Meine Augen huschen zu den schlanken, langen Fingern die ungeduldig auf dem Lenkrad trommeln. "Weißt du auch wo sie wohnt?" Mein Nicken ist die Antwort. "Kannst du mich da zu ihr bringen?" Verwirrt runzle ich die Stirn. "Weiß sie dass du zu ihr willst?" "Ja, also stell nicht so viele Fragen sondern sag mir wo sie wohnt." Wütend und verwirrt zugleich stampfe ich auf und schaue nun direkt dorthin, wo ich seine Augen vermute. "Es ist ja eine Sache eine Packung Katjes zu klauen, aber 'ne andere mich direkt anzulügen und zu sagen, dass ich von dir Bescheid weiß." Es dauerte bestimmt mehr als eine Minute bis er antwortete. "Kilian meinte, dass du hübsch wärst. Lügen konnte er schon immer. Was er aber auch meinte, dass du manchmal nicht die Klappe halten kannst." In meinem Kopf schwirren bei dem Namen die Bilder eines frischen 17 gewordenen Jungens, welcher sich durch die schweißnassen Haare fährt und von dem blauen, blinkenden Lichtern beschienen wird. Ich, wie ich neben ihm stehe, nichts mache außer emotionslos neben ihm auf dem Boden zu knien. "Jonah?" Die Stimme des Fremden reißt mich wieder in die Realität. Stur und emotionslos starre ich gerade aus. Ich bin es ihm schuldig. Schlafen kann der Unbekannte auf dem Sofa und essen muss er sich halt selber kaufen. "Nur für eine Nacht?" "Ja nur für eine Nacht." Die Idee lasse ich mir nochmals kurz durch den Kopf gehen bevor ich antworte. Doch der Hintergedanke, an meine Schulden lassen mich nicht Nein sagen. Länger als eine Nacht kann ich ihn jedoch nicht bei mir wohnen lassen. Auch wenn es meine Schuld nur annähernd mindern würde. "Du kannst bei mir schlafen. Aber nur für eine Nacht. Mehr nicht. Und morgen früh bist du dann weg, ansonsten musst du das Geschirr spülen und wirst danach hochkant rausgeschmissen. Verstanden?" "Aye, aye Käpt'n. Steig ein, dann fahren wir zusammen." Vorsichtig greife ich nach dem Türgriff und öffne die Tür, lasse mich aber ebenso elegant, wie ich den Eistee über mich geschüttet habe, auf den Sitz fallen. Also mal so gar nicht ladylike. Der Geruch von Zigarettenrauch liegt in der Luft, der sich langsam mit der frischen Abendluft mischt, welche durchs offene Fenster kommt, und gleichzeitig riecht es noch nach etwas anderem, etwas herben und frischem. Mir ist bewusst, Kilian hätte früher oder später seinen Gefallen eingefordert. Er hat sich immerhin jetzt 8 Jahre Zeit gelassen. "...genau?" Verwirrt schaue ich zu dem Spagetti-Typen. "Was ist?" Er lacht kurz auf. "Ich hab gefragt wo du genau wohnst?" Kurz hadere ich mit mir selbst, ob ich ihm die Adresse meiner Eltern nennen soll oder von mir. "Da vorne rechts und der Straße folgen. Vor dem Brunnen dann links und das letzte Haus ganz hinten an der Straße." Wieder nickt er und fährt den von mir genannten Weg nach. Während der Fahrt habe ich die Packung Haribos geöffnet und schon welche gegessen. Der Typ hat nur ein einziges mal kopfschüttelnd zu mir gesehen und ist dann weiter gefahren. Der soll mal schön seine Klappe halten und mich meine Süßigkeiten essen lassen, ansonsten kann er wo anders pennen. "Iss deine Gummibärchen weiter und hör auf so böse zu schauen." Geschockt schaue ich ihn an, stopfe aber trotzdem weiter Gummibärchen in meinem Mund. Das Auto stoppt und ich schaue von der Packung auf. "Sind wir richtig?" Ich nicke. Während ich schon an der Haustür stehe, sehe ich ihm zu, wie er den Kofferraum öffnet und einen Rucksack herausholt. "Bevor wir jetzt hier rein gehen, wirst du mir jetzt zuhören. Egal was Kilian dir erzählt hat, ich kann dich nicht länger als eine Nacht hierbehalten. Auch wenn er dir etwas anderes gesagt hat und mit dieser einen Nacht meine Schuld nicht gemildert ist, mehr Schlaf kann ich dir jetzt nicht geben. Morgen, Punkt 9 Uhr wirst du weg sein. Badezimmer kannst du gerne benutzen, für dein Essen musst du selber sorgen, ebenso wenig kann ich dir ein Bett bieten, also bleibt die Couch für dich übrig." Er nickt. "Ist das hier überhaupt bewohnbar diese Halle hier?" Mit einer hochgezogenen Augenbraue schaue ich seinem, mit der Kapuze verdeckten Gesicht, entgegen. "Diese Halle hier? Das was du hier siehst, habe ich mir selbst aufgebaut. Alles was du hier siehst habe ich Cent für Cent abgezahlt. Über 7 Jahre habe ich dafür gebraucht also rede nicht so über mein Baby." Abwehrend hebt er seine Hände. "Ist ja gut. Sollen wir jetzt rein?" Augenverdrehend schließe ich die Tür auf und schalte das Licht an. Mit meinem Zeigefinger zeige ich auf mein Sofa und gebe ihm damit zu verstehen, dass er sich auf diese setzen soll. "Dort drüben ist das Bad, Küche ist hier, und da wo du grad sitzt, schläfst du. Bettzeug gebe ich dir gleich." "Danke." Während ich ihm alles gezeigt habe, hat meine Jacke den Weg auf den Sessel gefunden und meine Schuhe den Weg, von meinen Füßen. Während ich mir meine bequemeren Sachen schnappe und im Bad verschwinde, mache ich mir Gedanken, warum er hier sein könnte. Beim betreten der Küche, kommt mit der Duft von Essen entgegen. Verdutzt sehe ich den Fremden an, wie er am Herd steht und kocht. Aber wie vorhin, noch seine Kapuze trägt. "Was hier auch noch gilt, ist das Kapuzen-Trage-Verbot. So hässlich kannst du nicht sein." Während er eine rote Soße umrührt, entkommt seiner Kehle ein raues Lachen und die andere Hand wandert zu dem Saum der Kapuze. Geschmeidig zieht er sie hinab und enthüllt ein markantes, ebenmäßiges Gesicht das von braunen Haaren und fülligen Lippen unterstrichen wird. "Hast du Hunger?" "Eh ja, klar. Wieso kommst du auf die Idee hier in meiner Küche zu kochen?" "Ich habe Essen und teile es nun mal." Gedankenverloren decke ich den Tisch, während er das Essen fertig macht und auf den Tisch stellt. Schweigend setzen wir uns hin und essen. Erst jetzt merke ich, was er überhaupt gekocht hat. "Mit bezahlen hast du es nicht so, oder?" Mein Gegenüber lacht nur. "Nicht wirklich. Wie hast du es gemerkt?" Mein Schmunzeln gebe ich ihm als Antwort. "Man merkt vieles, wenn an genau hinsieht." Er nickt. "Da ich deinen Namen kenne, wäre es dann nicht fair, wenn du meinen kennst?" Ich schaue auf. "Kenne werde ich deinen Namen erst wenn du ihn mir sagst. Fragen werde ich nicht."
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Zigaretten, Spaghetti & Gummibärchen
RandomDa wäre eine geklaute Packung Spaghetti. Dann eine Schuld, begonnen durch Zigaretten. Und das Friedensangebot aus Gummibärchen. "Dir ist schon bewusst, dass du gerade auf der falschen Straßenseite fährst?" versuche ich ihn dazu zu bewegen, endlich w...