Es war nie wirklich leicht für mich meine Gefühle auszudrücken, mal ganz von meinen Gedaken abgesehen, die ohne Unterlass und wie ein Wasserfall aus mir sprudeln. Doch was ich Schritt für Schritt, Minute für Minute und Sekunde für Sekunde bemerke, die ich bei den Zwillingen verbringe, ist, dass ich viel zu lange mein Herz vor Gefühlen verschlossen habe. Vor allem vor diesem wunderschönen Gefühl, dieses Herzflattern, die Wärme im Bauch, die Leichtigkeit im Kopf, das Strahlen im Gesicht, solange bis es schmerzt. Ich habe es vermisst.
Mittlerweile bin ich so glücklich geworden, dass ich auch während meiner Schichten im Diner anfange durch die Tischreihen zu tanzen und nebenbei die Bestellungen auf meinen Armen hin- und herbalanciere, wobei das einige belustigte Blicke einbringt. Sowohl von Don, Steve als auch von den Gästen, die das alles aber locker nehmen und sich nicht beschweren, solange ihre Bestellungen rechtzeitig an ihrem Tisch ankommt. Ava ist von Don auf Zwangsurlaub verdonnert worden, nachdem sie sich 3 Monate nach der Geburt zurück in das Diner setzen wollte, um zumindest Kaffee zu machen und Bestellungen, sowie Rechnungen zu bearbeiten, wobei großer Widerspruch von uns allen kam und sie letztendlich von Josh nach Hause kutschiert wurde. Die Arbeit wird dadurch natürlich für uns nicht weniger, doch trotz einiger Bewerbungsgespräche hat sich bisher noch niemand finden lassen, der gewillt war, nur auf einen begrenzten Zeitraum zu arbeiten. Nichtsdestotrotz macht mir die Arbeit Spaß. Beispielsweise jetzt sitzt eine Gruppe Jugendlicher, die maximal 17 Jahre sein können, an einem der Ecktische und lacht ohne unterlass darüber, wie schnell sie einen Milchshake trinken können. Aus weiser Voraussicht, habe ich allen ein Glas lauwarmes Wasser und mehrere Scheiben Brot hingestellt. Keiner möchte freiwillig mehrere Minuten einen Gehirnfrost haben, wobei ich der Meinung bin, dass ein Gehirnfrost jeden Moment besser macht, wenn man mit den richtigen Leuten unterwegs ist. Die kleine Glocke über der Tür des Geschäfts läutet und lässt mich von hinter der Theke nach vorne treten, um unseren neuen Gast zu bedienen. Ohne es wirklich wahrzunehmen, laufe ich in Richtung des neu besetzten Tisches und fische meinen Notizblock und den schon ziemlich klein gewordenen Bleistift, während das Gelächter der Jugendlichen zu einem Murmeln wird. Immernoch mit einem Lächeln auf dem Gesicht, streiche ich mir die Babyhärchen aus dem Gesicht, die sich aus meinem Zopf gelöst haben und blicke dem Gast entgegen.
"Einen wunderschönen Tag und Willkommen in Don's Diner." Meine Stimme verliert an Fassung und mein Gesicht wird Ausdruckslos, als ob jemand meine Gefühle weggewischt hätte. Die blanke Fassungslosigkeit überschwemmt mich und ich weiß nicht wie ich reagieren soll. " Was kann ich dir bringen?"
Die mit blonden Wimpern umrahmten blauen Augen suchen Blickkontakt mit den meinen, die Mundwinkel zucken nach oben, die Sommersprossen und die Kreisförmige Narbe unter seinem linken Augenwinkel wirken lebendiger denn je, seine Zähne sind sichtbar während sein Lächeln immer breiter wird und die blonden Locken in sein Gesicht fallen. Sein Gesicht nach oben gerichtet, die Beine locker angewinkelt auf der Bank sitzend starrt er mich an, wie ich ihn wohl anstarren muss. Seine gesamte Statur ist nicht mehr zu vergleichen mit dem Jungen, den ich damals zuletzt am bend der Verhaftung gesehen habe. Das rote, verwaschene Shirt,, die alten abgetragenen Converse und die kurze Shorts lassen ihn, zusammen mit seinem blonden Lockenkopf wie einer dieser Sunny-Surfer-Boys aussehen. Die Stimmen der Jugendlichen rücken wieder in meinen Fokus und Worte wie "Süß", "Ihr Freund", "Heiß" und "Lass sie doch" dringen zu mir durch. Meine Beine werden wackelig und meine Gesichtsregungen kehren wieder zurück. Der Stift und der Block fallen auf den Boden. Meine Hand wird von Kilians eigener umschlossen und zieht mich neben ihn auf die Bank. Sein Duft umhüllt mich, wie seine Arme sich um mich legen und die Erinnerungen an uns zurück kehren. Das Lächeln auf den Lippen von uns Beiden wird stärker, die Gefühle und die Freude überrollen uns, bis wir uns gegenseitig an den Armen packen und uns für mehrere Minuten nur anschauen. Seine Erscheinung und sein Gesicht bringen mich den Tränen nahe, ohne dass ich etwas davon merke, wobei es nicht nur mir so geht. Ein kleiner Tränenschimmer ziert seine Augen, als wir uns gegenseitig anlachen. Das Leben und wer immer auch dort oben sitzen mag, hat den großen Joker in meinem Leben ausgespielt.
Ein Lacher entwischt mir während ich seinen Namen hauche.
"Ich wusste das unser Widersehen mich mitnehmen würde, Bärchen."
Bärchen. So oft habe ich es gehört und trotz aller Gefühlsduseleien die mit erwähnen dieses Wortes hochkommen, ringe ich mich dazu durch, im einen spielerischen Schlag auf die Schulter zu geben.
"Möchtest du eigentlich meine Bestellung aufnehmen oder wird das hier ein längeres Widersehen?"
"Ich glaube du hast sie nicht mehr alle. Da sieht man seinen besten Freund Jahrelang nicht und das einzige was er möchte, ist dass ich seine Bestellung aufnehme. Sei glücklich darüber, dass ich überhaupt bei dir bleibe und nicht weiter arbeite. Die Rechnungen zahlen sich immerhin nicht von selbst." Ungläubig schüttle ich den Kopf, immer noch glücklich über diese himmlische Begegnung und Fügung in meinem Leben.
"Du bekommst trotzdem deinen Schokomilchshake mit extra viel Sahne und Schokosoße." Mit einer einzelnen flüssigen Bewegung stehe ich strahlend auf und mache Kilians Lieblingsmilchshake. Der Junge hat sich äußerlich zwar ziemlich verändert, doch innerlich ist er doch noch der kleine Junge den ich wie meinen eigenen Bruder liebe, auch wenn es mal andere Zeiten gab, in denen ich ihm am Liebsten an die Gurgel gegangen wäre. Irgendeine Melodie summend gieße ich den Shake in eines dieser altmodischen Gläser. sprühe einen riesigen Haufen Sahne, sowie eine Menge Schokosoße darauf. Getoppt wird alles von einem Strohhalm und einer Zuckerkirsche. Mitsamt zwei Tassen Kaffee und einem Stück Kuchen für einige andere Gäste, begeben ich mich auf dem Weg zu Kilian. Kaum bin ich mit der Runde und dem Abkassieren fertig, gehe ich auf seinen Tisch zu, halte das Glas schon in den Händen und bin bereit mich ihm gegenüber auf die Bank zu sitzen, da klingelt die Ladentür schon wieder. Die Augen verdrehend und genervt, dennoch glücklich zu ihm sehend, mache ich auf der Stelle kehrt und stolziere fröhlich in Richtung des neuen Kunden. Der Rücken des Mannes ist mir zugedreht, je näher ich jedoch ihm entgegen laufe, schient es als ob er sich in Zeitlupe drehen würde. Die Statur und das Aussehen lassen in mir einen Laster losfahren, der mich nun volle Kanne mit Anlauf wie vom Mount Everest runter, trifft. Die Lederjacke, die braunen Haare die Aussehen, als wären sie weicher wie jede Kuscheldecke. Alle Sinneseindrücke und Wahrnehmungen sind auf einmal viel zu viel für mich.
Kilians Stimme durchdringt die Watte in meinen Ohren und aus dem Augenwinkel sehe ich wie er sich aufsetzt, die Unterarme auf den Tisch stütz und "Caiden" ruft.
Caiden dreht sich um, leicht zuerst Kilian entgegen, bleibt jedoch mit seinem Blick an mir hängen. Sein Lächeln schwindet nun ein wenig und wirkt jetzt nicht mehr wie das Grinsen eines kleinen Kindes, sondern wie das reuevolle Lächeln eines Menschen, der seine jetzige Situation bereut. und um ehrlich zu sein weiß ich selber nicht wie ich all das hier finden soll. Und falls da oben wirklich jemand den Joker gespielt hat beim Pokern, hat er ab jetzt die totale Arschkarte gezogen.
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Zigaretten, Spaghetti & Gummibärchen
RandomDa wäre eine geklaute Packung Spaghetti. Dann eine Schuld, begonnen durch Zigaretten. Und das Friedensangebot aus Gummibärchen. "Dir ist schon bewusst, dass du gerade auf der falschen Straßenseite fährst?" versuche ich ihn dazu zu bewegen, endlich w...