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Es war mitten in der Nacht und ich war von meinen Eltern dazu gezwungen worden hier in der Loge zu bleiben. In einem der vielen Gästezimmer, welche sich im Ostteil des Gebäudes aneinander reihten durfte ich meine Nacht verbringen, doch auch die Anderen schliefen in dieser Nacht hier.

Wach lag ich schon einige Zeit in dem viel zu harten Bett. Ich konnte einfach nicht einschlafen und wenn mir bei dem Gespräch im Drachensaal noch fast die Augen zugefallen waren, verspürte ich nun einen unerklärlichen Bewegungsdrang.

Schnell zog ich einen wärmenden Pullover über mein Nachthemd und ein Paar dicke Wollsocken an die Füße, bevor ich leise die Tür zum Korridor öffnete. Durch die dicken Socken hörte man nicht einen laut, als ich aus dem Zimmer schlüpfte und die Tür erneut leise hinter mir schloss. Das fahle Mondlicht erhellte den Gang minimal, sodass ich allein die Umrisse der vielen Türen und Ritterrüstungen, welche so zahllos diesen Flur füllten, erkennen konnte.

Mein Blick schweifte umher und langsam schlich ich ziellos voran in diesem mir schon so lange bekannten Gebäude, in dem es ständig neues zu entdecken gab. Ich liebte es die vielen Geheimnisse, welche von diesem Ort wie magisch angezogen wurden, zu lüften.

Einige Meter vor mir bewegte sich ein zierlicher Umriss. Fest überzeugt dass dieser Schatten weder einer Tür (bei der es mich auch ziemlich gewundert hätte, könnte sie sich bewegen) oder einer der leeren Ritterrüstungen gehörte, schlich ich mich langsam näher an die nächtliche Gestalt heran, bedacht darauf keinen Mucks von mir zu geben.

Die Person vor mir bewegte sich ebenso leise wie ich vorran und war ganz sicher nicht darauf aus, jemanden zu wecken. Auch war es kein Geist, denn dieser hätte sich frei bewegen können, ohne dass auch nur irgendwer ihn wahrgenommen hätte. Außer meiner Mum und mir natürlich, aber das wussten nicht gerade viele Geister.

Immer weiter schlich ich hinter dem lautlosen Schatten her. Wer war das? Und wohin wollte diese Person mitten in der Nacht?

Das Selbe hätte man sich vermutlich bei mir fragen können, doch mithilfe des Bewegungsdrangs und meinem unstillbaren Hunger nach Geheimnissen ließ sich so ziemlich alles erklären, was ich hier gerade tat.

Möglicherweise war ich sogar einem Einbrecher auf der Spur und in diesem Fall würde ich den morgigen Tag sicher nicht in einem unheimlichen Kellerloch verbringen müssen.

Immer weiter war die Person in Richtung der Logenräume unterwegs. War dort irgendetwas wertvolles aufbewahrt, was es sich lohnen würde zu stehlen? Natürlich eine ganze Menge sehr alter Möbel, und der Flügel, die historischen Kostüme. Doch wäre ich ein echter Dieb, hätte ich doch versucht den Chronografen zu erbeuten?

Ich lag falsch, denn auch am Drachensaal machte die Person nicht halt und ließ auch das Alte Refektorium hinter sich, wie auch das Atelier.

Stattdessen steuerte der Schatten auf die Treppe am Ende des Ganges zu, welche in einen einzigen Gang des oberen Stockwerk führte, wo sich zahlreiche Büros befanden und unsere angebliche Anwaltskanzlei verwaltet wurde.

War die Person auf feindliche Zahlen aus?

Doch den langen Bürotrakt ließ die Gestalt links liegen und machte sich in der hinteren Ecke des Ganges, der Sackgasse, an der Luke zu schaffen, welche sich an der Decke befand. Schnell war diese geöffnet und die kleine Holzleiter, welche einer der wenigen Zugänge zum Dachboden war, herunter gelassen.

Leise knarzte jede einzelne der Leitersprossen unter dem Gewicht seines Besteigers, welches nicht sehr groß zu sein schien. Es war auch eher eine Frau die sich ihren Weg auf den Dachboden bahnte, wie ich feststellte, als auch von oben durch eines der Dachfenster Licht auf ihre Gestalt schien. Als sie sich nur einen winzigen Moment in meine Richtung drehte, ich hatte mich glücklicherweise in einem Türrahmen versteckt, schien das Mondlicht direkt in ihr hübsches Gesicht und so wusste ich endlich wer die Person war und fragte mich umso mehr, was sie mitten in der Nacht ausgerechnet hier oben wollte.

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HEY

RosenrosaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt