Das goldene Gefängis

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Skeptisch sah ich mich in dem weiß gestrichenen Raum um. Er war riesig. Und durch einen Vorhang in zwei Teile geteilt. Im vorderen stand ein riesiges Bücherregal und ein Schminktisch. Unsicher ging ich auf den Vorhang zu und schob ihn zur Seite.
Ein riesiges Himmelbett und links und rechts eine Türe. Das Bett war in Pastell rosa gehalten und ein großer Strauß weißer Rosen stand auf dem weißen Nachttisch. Ich stick über die Bettdecke. Warum war ich bloß hier?
Die Türen fielen mir ins Auge und ich öffnete die erste. Ein Raum mit leeren Regalen und Stangen und... Kleiderbügeln? Spiegeln? Ein begehbaren Kleiderschrank! Allerdings ohne Klamotten. Alles klar. Ich ging wieder raus und in die andere Türe.
Ein Bad. Ein Riesen Bad! Mit einer in den Boden eingelassenen Badewanne. Um in das große Becken zu kommen, musste man eine Treppe hinuntersteigen. Alles war mit blau und rosa licht beleuchtet und der Spiegel wurde nochmal extra von hellen Lampen eingerahmt. Eine Dusche gab es auch und sie war genauso pompös wie der Rest.
Was hatte es mit mir vor? Was sollte ich hier und was sollten meine Freunde und meine Verwandte denken, wenn ich nicht mehr auftauchte? Wenn ich nicht zum Abendessen kam? Ich musste hier irgendwie raus. Ich ging zur Tür, welche zum Gang führte und versuchte sie zu öffnen. Vergeblich. Die Fenster waren vergittert und der Balkon war wie ein Vogelkäfig aufgebaut. Ich trat auf diesen und sah mich um. Ich war in einer Riesen Anlage, fast wie ein Schloss. Links und rechts sah ich duzend weitere Vogelkäfig Balkone.
„Hallo?" fragte ich unsicher „ist da jemand?"
Keine Antwort.
Was hatte ich auch anders erwarten können.

Ich wollte gerade in mein Zimmer zurückgehen und mir einen Fluchtplan überlegen, als ein Mädchen, ein wenig älter als ich, vielleicht 17 oder 18 Jahre in den Käfig links neben mir kam. Sie hatte blonde Haare und blaue Augen, war groß und sehr dünn. Sie trug eine Art Puppenkleid und hatte eine Schleife in ihr Korkenzieher gelocktes Haar gebunden. Sie trug weiße Spitzen Overknee Socken und extrem hohe schwarze Lackschuhe.
„Willkommen" lächelte sie traurig. „Ich heiße hier Alice. Und du?"
Verwirrt starrte ich sie an. Warum sah sie so seltsam aus? „Ähm, hi Alice. Ich bin Emma. Was machen wir hier?" Alice legte den Kopf schief „Wie wirst du hier genannt? Also wie hat es dich getauft?" zuerst verstand ich nicht, was sie von mir wollte, doch dann kapierte ich. „Oh. Ähm. Rosé." sie nickte „Hallo Rosé." Alice musterte mich „Du bist also eben erst angekommen. Ich werde dir ein wenig erklären, wie es hier abgeht und warum du hier bist. Beziehungsweise soweit ich das weiß. Ich bin jetzt 7 Jahre hier und du siehst, ich lebe noch". Alice lachte trocken „Wenn man das Leben nennen kann. Wir sind Puppen. Jede hier hat ihre oder seine Rolle. Zweimal am Tag essen alle zusammen und dreimal in der Woche ist ein Fotoshooting, wo wir in diverse Locations gebracht werden. Wenn man versucht zu fliehen, stirbt man. Tu alles, was man dir sagt. Überall ist Überwachung, außer in deinem Zimmer und hier im Hof. Manchmal macht man Ausflüge mit den Gesichtslosen. Ansonsten ist immer der selbe Tagesablauf. Du kannst dich hier wohlfühlen. Eine andere Wahl hast du nicht." ein Schauer lief mir über meinen Rücken. Warum konnte dieser kranke keine Models engagieren? „Warum ich? Warum du?" flüsterte ich. Sie sah mich traurig an „Keine Ahnung, Rosé" sie lächelte. „Bis später beim essen und mach dich hübsch, neue Blume im Garten" verabschiedete sich Alice und verschwand. Was für ne Blume?! Na gut, dafür, dass sie jetzt sieben Jahre hier war, war sie relativ normal. Und lebendig.
Ein gutes Zeichen...

„Paul, bring 1001 den Kleider Wagen Nummer 57 und die Schuhbox 3."

Es klopfte. Ironisch oder? Da wird man eingesperrt und es wird an dein Gefängnis angeklopft. „Ja" rief ich mürrisch und die Tür öffnete sich. Ich starrte Ken an, der mit zwei riesigen Boxen in mein Zimmer wankte. Und das war unheimlich. Er sah genauso aus wie Ken, war aber deutlich kleiner. Warum hatten die das gleiche Gesicht?! Wie. Viele existierten? Ken Nummer 2 stellte die Boxen ab und ging.
Ich versuchte die Tür aufzumachen, aber auch Ken Nummer 2 hatte abgeschlossen. War ja klar.

Resigniert sank ich neben der Tür zu Boden und konnte die Tränen nicht länger zurückhalten.
Ich wollte nach Hause.

Ich stieg aus meinem Auto und betrat den Club. Es war erst Nachmittag, aber schon rappelvoll. Ich drängelte mich durch die Menschenmenge und hielt Ausschau nach Blumen. Ich bestellte ein Getränk und betrachtete die Menschen.
Langweilig, zu normal, zu auffällig. Die war hübsch, aber ihre Haare waren kurz und gefärbt. Bäh. Ich brauchte eine Art... Belle! Unauffällig, aber hübsch. Und meine Belle betrat gerade den Club. Jeans, Bluse, braune Augen, schulterlange, braun gelockte Haare. Ich grinste.
„Harry, ich hab eine" sagte ich in mein Telefon und nahm einen tiefen Schluck meines Cocktails.

Irgendwann gab ich meiner Neugier nach und wischte meine Tränen ab, bevor ich zu den Boxen ging. Ich hiefte die erste runter und öffnete sie vorsichtig. Schuhe. Viele Schuhe. Hohe Schuhe. In allen Farben und Formen. Ach Gott... ich nahm mir ein Paar raus und betrachtete es skeptisch. Matt schwarz und extrem Hoch, mit runder Form vorne. Damit sollte ich laufen?! Ein skeptischer Blick zu meinen Turnschuhen. Wie sollte ich da drin laufen?! Ich schmiss die High Heels zu den anderen in den Karton und öffnete die andere Kiste.
Kleider.
Puppenkleider, Abendkleider, Nachtkleider, Kurze Kleider, Ballkleider...
Ich sah mir eins genauer an. Ein schwarzes langes Tüllkleid mit einer Art Corsage zum Schnüren. Unter anderen Umständen hätten mich die Geschenke erfreut. Ich schluckte. Ich war hier die Gefangene.

Unter meiner Türe wurde ein Brief durchgeschoben.
Ich öffnete ihn.

- Liebste Rosé,
Um 18Uhr gibt es Abendessen und unsere reizende Alice wird dich hin führen . Kleide dich hübsch!-

Ich war in Versuchung in meiner Jeans und in meinem Top zum essen zu gehen, aber ich erinnerte mich an die Morddrohung. Ich musste mich anpassen.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es jetzt fast 16Uhr hatte. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich hatte meiner Mutter gesagt, dass ich 15Uhr zuHause sein würde. NachHause... ich wollte heim, wollte meine Familie sehen. Die erste Träne rollte meine Wange hinunter. Ich wischte sie weg.
Ich hatte keine Wahl. Bis ich hier raus kam musste ich mit spielen. Trotzig nahm ich das schwarze Kleid wieder in die Hand und wühlte ein wenig in den Schuhen, bis ich schöne, Goldene fand. Ich hing sie an die im Kleiderschrank stehende Puppe, ironisch oder?, und betrat das Bad. Langsam stieg ich die Treppen in die Badewanne hinunter und ließ warmes Wasser einlaufen. Am Rand standen diverse Badezusätze und ich entschied mich für eines mit Rosen drauf.
Rosé.
Warum hatte es mir diesen Namen gegeben?
Ich wusch meine Haare und versuchte mich ein wenig zu entspannen, was übrigens ziemlich schwer ist, wenn man von einem Psycho Schwein in einem riesigen Anwesen festgehalten wird.
Ich schloss die Augen für ein paar Minuten.
Dann öffnete ich sie wieder und sagte laut
„Gut, Emma, dann spielen wir mal ein wenig Rosé"

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