Feuer und Flamme

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Ich sah fertig aus.
Trotz meinem schönen Kleid. Trotz meiner Schminke. Meine emotionslosen Augen schauten mich durch den Spiegel an. Das rot glänzende Kleid mit goldenen gestickten Schneeflocken sah trist aus. Alles sah trist aus. Meine Freude über das Weihnachtsfest war verflogen.
Ich zog die goldenen Schuhe an.
Dann schlurfte ich langsam Richtung Essens Raum.
„Hey Süße, Rosé, warte mal kurz" rief eine Stimme hinter mir und verwirrt drehte ich mich um. Steve kam auf mich zugelaufen und umarmte mich herzlich. Verwirrt erwiderte ich die Geste und spürte einen Zettel in meiner Hand und Reflex artig nahm ich ihn. steve lies mich los und zwinkerte mir grinsend zu. „Bis dann" und lies mich einfach stehen.
Zettel jetzt oder später lesen?
Jetzt oder später..?
Ok ich steckte den Zettel kurzerhand in mein Dekolleté und ging ebenfalls in den Saal.
Die Stimmung dort war überraschend ausgelassen. Wie konnten es alle akzeptieren, dass hier täglich ein Mensch abgeschlachtet wurde? Und dazu zufällig. Heute könnte es der der sein, der da mit grünem hut saß und über einen Witz lachte oder steve der mit Zettel zusteckte und gerade einem jüngeren Typen kumpelhaft durch die Haare wuschelte. Die plötzlich aufsteigende wut trieb mir Tränen in die Augen und ich spürte, dass Evelin mich besorgt musterte. Ich wollte aufstehen, aus dem Saal rennen, auf etwas einschlagen.
Meine Sicht verschwamm. Allerdings nur kurz und nicht von den Tränen. Eher als wenn die Welt kurz kippen würde. Für eine Sekunde bildete ich mir ein, dass die Halle eine riesige Lagerhalle war und nichts von dem ganzen Prunk vorhanden war, aber als ich blinzelte sah ich wieder den riesigen mit Statuen versehenen Saal. Ich seufzte. Jetzt wurde ich auch schon verrückt. Super.
„Hay, Rosé, ist alles in Ordnung?" Evelin stupste mich an und auch die anderen an meinem Tisch sahen besorgt zu mir rüber. Ich schien wirklich verstört zu wirken. Gezwungen rang ich mir ein Lächeln ab „alles gut... ich glaube, ich habe nicht so gut geschlafen" das reichte als Erklärung und die anderen wandten sich wieder ihrem Frühstück zu. Lustlos fing ich an, den exotisch riechenden Tee zu trinken und zwang mir ein paar Apfelstücke rein.

Du wirst niemals entkommen, Rosé, meine Blume, mein Prachtexemplar. Aaargh verdammte Kopfschmerzen. Ich muss mehr schlafen. Schließlich muss auch ich in voller Blüte stehen.

Wann würden die Gesichtslosen heute kommen, um den „Glücklichen" zu erwählen?
Die Stille wurde plötzlich durch ein irres Lachen unterbrochen.
„HEY IHR SPASTEN; TÖTET MICH DOCH NA LOS KOMMT SCHON! HAH! NA WO SEID IHR HM? ICH BIN HIER IHR WICHSER!!!" grölte eine Stimme von der Männer Seite. Alle starten geschockt zu dem schmächtigen rothaarigen Typen mit den vielen Sommersprossen, der aufgestanden war, sich drehte und schrie. Seine Augen zeigten puren Wahnsinn. Er warf seinen Kopf in den Nacken und fing erneut an laut zu lachen. Was passierte hier? „NAAAA KOMMT SCHON!" Hamisch grinste er den entgegenkommenden Gesichtslosen zu. Sein Nachbar versuchte den Jungen wieder auf seinen Platz zu setzen aber der rothaarige schlug ihm ins Gesicht und knockte seine einzige Chance auf Erbarmen aus.

Wer wagt es...?! Charming? Charming?! Wie kann er nur die besinnliche Weihnachtsstimmung so zerstören? Eine Blüte muss gebrochen werden, wenn sie noch am schönsten ist und du mein Lieber, wirst gerupft und ich werde dir jedes einzelne Blatt ausreißen. Meine Wachen bringen ihn raus und ich muss mich zwingen, ebenfalls einen geschockten Gesichtsausdruck aufzusetzen und „oh Gott" zu murmeln. So eine Verschwendung. Meine Nachbarin beugt sich zu mir.

„Er... er ist verrückt geworden." Evelin starrte ebenso verstört wie ich zu dem leeren Platz, an dem davor noch der Junge war. Ein undefinierbarer Laut kam über meine Lippen. Nun war mir der Appetit endgültig vergangen.

Die Gesichtslosen kamen wieder rein. Mit der Box mit den Zetteln. Reichte einer nicht schon?

Weiter im Programm. Ein guter Schauspieler lässt sich seine Fehler nicht anmerken.

Die Luft war zum zerreißen dick, niemand bewegte sich.
Der Gesichtslose zog einen Zettel.
Die Weihnachtsmusik im Hintergrund kam mir fehl am Platz vor.
Langsam faltete der Gesichtslose den Zettel auf.
Angespannt starrte ich nach vorne.

„Evelin"
Der Name.
Evelin riss die Augen auf, welche sich mit Panik und Tränen füllten. Sie starrte mich an „nein... das... das kann nicht sein" die erste Träne rollte über ihre geröteten Wangen und fielen auf den dunkelroten Spitzen Stoff. „Es.. es tut mir so leid" flüsterte ich und meine Stimme brach. Warum Evelin? Sie fing an zu schluchzen und bei der Aufforderung nach vorne zu gehen krallte sich Evelin tief in den Holztisch, so dass ihre schönen Nägel abbrachen und sich in ihre zarte Haut bohrten. Sie wurde nach vorne geschleift und da sie vor lauter weinen nicht mehr alleine stehen konnte, wurde sie aufrecht gehalten. Ihr Blick huschte hektisch durch den Raum. Mein Brustkorb zog sich schmerzhaft zusammen und nun konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie hatte es nicht verdient. Nicht Evelin!

Zitternd öffnete das Mädchen das Türchen.
Das grüne Licht spiegelte sich in ihrem gepflegten Haar wieder.
Selbst die golden angeleuchteten Statuen schienen gespannt nach vorne zu sehen.
Evelin las sich den Zettel durch und röchelte schockiert. Ein neuer Heulkrampf erschütterte ihren zarten Körper.

Sie sieht so verletzlich aus, dass es schon fast wieder schön ist.

Sie setzte zum vorlesen an, aber ihre Stimme brach.

Evelin war eine wunderschöne Blume, aber auch die schönste verwelkt irgendwann.

„vaku.... Vakuum Raum m...mi...mit S...Säure..eh u...und F..eu..euer" schluchzte sie leise.
Dann brach sie endgültig zusammen.

Ein tolles Türchen!

Ein Gesichtloser brachte einen dreiteiligen Kasten aus Glas auf die Bühne. Ich wollte nicht hinsehen, aber ich musste. Evelin heulte herzerweichend auf und ich sah, wie viele andere auch weinten. Ihre schönen großen Augen waren weit aufgerissen und pure Angst sprach aus ihnen.
Sie wurde in den Kasten hinein gezerrt und ihre Arme kamen in den oberen Teil durch zwei schmale Löcher, Welche um ihre Oberarme geschlossen wurden, sodass keine Luft mehr durchkam und dasselbe mit ihren Beinen. Dann wurde ein schmales Loch unten aufgemacht und kohle wurde unter ihre Füße gelegt und angezündet. Dann wurde durch das obere Loch eine durchsichtige Flüssigkeit auf die Hände von meiner Freundin Evelin getropft. Sie fing an zu schreien, doch wir hörten nichts davon durch das dicke Glas. Ihre Fußsolen fingen an Blasen zu werden und aufzuplatzen , das Fleisch ihrer Finger löste sich von den Knochen und hing in Fetzen herunter. Evelin verdrehte ihre Augen. Es musste ein höllischer Schmerz sein. Dann schloss der Gesichtslose eine Maschine an den mittleren Kasten und schaltete sie an.

Die Maschine zieht die Luft aus der Box und meine Liebe fängt an, nach Luft zu schnappen. Ihre Augen treten weit hervor und Blut schießt ihr aus der Nase und den Augen, als langsam Gefäße und Adern platzen. Bis kurz vor der Bewusstlosigkeit, dann wird Luft hinzugegeben. Zuerst atmet meine Hübsche erleichtert ein, bis sie merkt, dass der Druck immer weiter steigt, da immer mehr Luft kommt. Kurz verliert sie das Bewusstsein, als ihr Trommelfell reißt, doch der Schmerz an den Füßen holt sie schnell wieder zurück.

Ich konnte nicht weg sehen und es wurde mit jeder Sekunde schlimmer. Die Knochen schimmerten durch ihre Arme und Hände und das Blut stand schon in den Kästen ein paar cm hoch. Schließlich wurde Evelin ein letztes Mal die Luft weggedreht, aber sie merkte es kaum noch. Der Schmerz hatte sie betrübt und als sie Starb war es wie eine Erlösung. Ich würde diese Bilder Nie wieder los werden. Wie Evelins Augen anfingen zu bluten und sie irgendwann aufhörte zu schreien. Untermalt durch eine fröhliche Weihnachtsmusik.

Als das Essen vorbei war ging ich in mein Zimmer und starrte die Wand an.
Ich wollte weinen, aber ich konnte nicht.
Ich wollte Schrein, aber ich konnte nicht.
Ich ließ mich irgendwann rücklings auf das Bett fallen.

Der kleine Zettel von Steve fiel heraus.
Ich faltete ihn auf.
Meine Schöne Rosé,
Wir treffen uns um 3 Uhr am Nachmittag bei Zimmer 2004.
Ich freue mich schon.
Steve

Ich sah auf die Uhr.
Halb drei.
Ich warf den Zettel vom Balkon und legte mich wieder auf mein Bett um die Decke an zu starren.

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