Kapitel 2

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Kapitel 2

Deutsche Schulen sind so ähnlich zu Französischen, und doch so anders. Eine Differenz, die mir sofort auffiel, war die Klingel. Während sie in Frankreich einem schallendem, nervigen Ringen glich, war sie hier ein angenehmer Gong. Das musste das aufwachen angenehmer gestalten, wenn man mal wieder im Unterricht einschläft. Nicht, dass mir das schon passiert wäre.

Was allerdings gleich ist, sind das Verhalten in den Hofpausen. Die Leute, die sozial veranlagt waren, hielten sich in mittelgroßen bis großen Freundesgruppen in der Nähe des Sportplatzes auf und unterhielten sich dort. Lachten laut und alberten herum. Die Leute, die ihre Ruhe präferierten, saßen ein wenig weiter abseits. Manche saßen auf dem Rasen oder Bänken, oder am Schulgebäude gelehnt. Sie hörten entweder Musik, lasen ein Buch, waren anderweitig am Handy beschäftigt, oder, in selteneren Fällen, redeten sie mit einem anderen introvertierten. Da ich gestern keine weitere wirkliche Bekanntschaft gemacht habe, was durchaus daran liegen kann, dass ich nach dem Gespräch mit „Frau Dübecker" kein Wort mehr verloren hatte, da meine Stimmbänder sich nach dem Schock erst einmal ausruhen mussten, habe ich mich auf den Rasen auf meine ausgebreitete Jacke gesetzt, mit einem guten Blick auf den Sportplatz. Dies ist auch meine erste Gelegenheit heute, in mein Notizbuch zu schreiben, was ungewohnt ist, da ich so etwas normalerweise direkt nach dem Aufstehen tue. Doch das frühe Aufstehen und die Tatsache, dass ein Tagesablauf im Haushalt von meinem Vater und mir noch kein geläufiges Wort war, war es mir diesen Morgen nicht möglich. Ich habe dann im Geschichtsunterricht heute morgen beschlossen, meine ersten 20 Minuten Freizeit hierfür zu Nutzen und ein wenig mit der Hilfe von Queen abzuschalten.

Can anybody find me somebody to love?

Ich lächelte ein wenig, als das der erste Song war, den mein Handy mir vorschlug und lies meinen Blick weiter über den Hof schweifen. Beziehungsweise über den Sportplatz, da sich dort viel mehr abspielte, als sonst wo.

Each morning I get up I die a little

can barely stand on my feet

Take a look in the mirror and cry

Lord, what you're doing to me

Es dauerte nicht lange, bis ich eine Gruppe bekannter Gesichter gefunden hatte. Ben und den Sprachen-Vergewaltiger habe ich sofort erkannt. Ben allerdings nur wegen seiner Größe. Sie standen in eine der größeren Gruppen, umgeben von Jungs und Mädchen in ihrem Alter. Selbst von meiner Entfernung aus konnte ich sehen, wie die Mädels albern kicherten, als Ben irgendetwas erzählte und den Sprachen-Vergewaltiger und das andere Blondchen dabei als seine Puppen verwendete. Wenn ich so genauer hinsehe, bestehen 75% der Gruppe aus Mädchen. Während ich einerseits verächtlich schnauben wollte, musste ich den Jungs aber auch meinen Respekt aussprechen. Sie schienen genau zu wissen, was sie tun und sagen mussten, um den Mädchen ihr Lächeln zu entlocken. Und groß anzustrengen taten sie sich auch nicht!

I work hard

every day of my life

I work til I ache my bones

At the end I take my hard-earned pay all on my own

So begabt war ich in meiner Schulzeit nie gewesen. Klar hatte ich Freunde, ich war ja nicht sozial verkrüppelt. Nicht gänzlich. Ich hatte sogar die ein oder andere Partnerin, allerdings war die letzte Beziehung mit 14, und unterhalten hatten wir uns nur über Chat, da ich privat, wie immer, kein Wort heraus bekommen hatte. Sie hieß Leonie, das weiß ich noch. Und sie war sehr hübsch, was mich nicht unbedingt mutiger gemacht hatte. Letztendlich hatte sie dann nach zwei Monaten Schluss gemacht und war mit einem wortgewandteren Kerl zusammengekommen. Witzigerweise hieß der auch Zacharie.

bruyamment//lautWo Geschichten leben. Entdecke jetzt