Kapitel 7

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Kapitel 7

Collin schlug vor, dass wir uns nach der Schule im Oberstufenraum treffen, um seinen Text zu berichtigen. Ich nickte bloß und sah zu, dass ich von ihm weg kam.

Der Rest des Tages zog sich wie ein altes, ekelhaftes Kaugummi unter den Tischen in der Mensa. Meine Müdigkeit war noch präsent, doch mein Körper wurde von dem Adrenalin, mich mit Collin zu treffen, wach gehalten.

Es war ein wenig verrückt, wie oft wir uns jetzt über den Weg gelaufen waren und ich begann, in Frage zu stellen, woran es liegen könnte. Mir ist nie aufgefallen, dass ich irgendwie Collins Aufmerksamkeit erregt haben könnte. Alles, was ich die letzten Wochen über getan habe, war, ihn (aus sicherer Entfernung!) beobachtet zu haben.

Was ist, wenn er mich gesehen hat und jetzt denkt, ich wäre irgendein Verrückter?

Aber warum würde er dann wollen, dass ich ihm Nachhilfe gäbe?

Damit ich von ihm wegbleibe?

Fragen wie diese füllten meinen Kopf den ganzen Morgen und Mittag lang. Ich konnte mich nicht konzentrieren, andersherum konnte ich aber auch nicht den Kopf auf den Tisch legen und die Stunde verschlafen. Mir war nicht mal bewusst, dass ich in einer Stunde mein Bein auf- und abhüpfen lies, bis mein ganzer Tisch leicht wackelte.

Als die letzte Klingel ertönte, wollte ich gleichzeitig aufatmen und schreien. Ich war absolut nicht bereit, Collin privat unter die Augen zu treten. Ich kannte ihn nicht einmal! Und die letzten Male, die wir miteinander Zeit verbracht haben, waren

a) in einem Raum gefüllt mit anderen Menschen

b) wirklich, wirklich merkwürdig (meistens meine Schuld)

Was bedeutet, dass wenn wir alleine in einem Raum sind, ein Kriterium ausgeschaltet wird und das andere nur noch verstärkt wird. Also, nach dieser Rechnung, werde ich irgendwas bescheuertes tun und er wird mich hassen. Dann wird Joyce mich hassen. Und Ben. Und dann kenne ich vielleicht drei Leute beim Namen, aber diese drei hassen mich. Großartig.


Der Oberstufenraum befand sich am anderen Ende des Schulgebäudes, weshalb ich dort im Laufschritt hinging, um nicht zu spät zu kommen. Vielleicht bin ich auch gesprintet, denn als ich den Raum betrat, war ich der erste von uns beiden. Ich setzte mich an denselben Platz, wie vor ein paar Tagen, mit demselben Ausblick. Trotzdem fühlte es sich länger an, als nur einige Tage, als ich hier das letzte Mal saß.

Ich verbrachte die Wartezeit damit, auf die Tischkante zu starren und mit meinen Fingern herumzutrommeln, bis jemand mich unterbrach:

„Wow, nettes Schlagzeugsolo.", kommentierte Collin, als er den Raum betrat. Ich schmunzelte recht überzeugend dafür, dass sich gerade jede einzelne Zelle in meinem Körper zusammenzog und übergab.

„Ich hab meine Schwester mitgebracht, wir fahren zusammen nach Hause. Ich hoffe, das ist okay für dich. Ihr kennt euch ja schon.", sagte Collin dann und Joyce kam herein.

„Hi, Kleiner.", lächelte sie und nahm, selbstverständlich, neben mir Platz, während Collin sich mit einem misstrauischem Blick gegenüber von mir hinsetzte.

„Also.", begann Collin und kramte in seiner Tasche, bis er ein zerknicktes Blatt herausholte und es zwischen uns beide legte, „Du hast ja heute morgen bereits einen Fehler berichtigt. Verzaubere mich."

Ich schnaubte und nahm den Text. Als ich ihn überflog, hatte ich einen halben Nervenzusammenbruch. Er schien es ja nicht einmal zu versuchen! Es war, als ob ich die Arbeit eines Siebenjährigen lesen würde. Die unlesbare Handschrift machte das ganze auch nicht besser.

bruyamment//lautWo Geschichten leben. Entdecke jetzt