Kapitel 5

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Kapitel 5

Als ich am späten Nachmittag das Haus meines Vaters betrat, war er zu meiner Überraschung bereits zu Hause. Sein Mantel hing an der Garderobe, die Schlüssel lagen auf dem Regal und im Wohnzimmer hörte ich den Fernseher laufen. Da es unhöflich gewesen wäre, mich ohne ein weiteres Wort in mein Zimmer zu verdrücken, ging ich in Richtung Wohnzimmer, um Hallo zu sagen. Ich stellte mich in den Türrahmen und sofort drehte sich sein Kopf zu mir.

„Hi.", sagte ich. Sein Gesicht hellte sich auf.

„Zach! Gut, dass du hier bist. Ich konnte heute spontan früher Feierabend machen und dachte mir, dann können wir beide ja ein wenig Zeit zusammen verbringen."

Oh Gott, dachte ich.

„Deshalb habe ich uns einen Film besorgt.", erzählte er weiter und hielt „Ziemlich Beste Freunde" hoch. Ich atmete erleichtert innerlich auf. Einen Film zu schauen hieß mindestens 90 Minuten lang nicht dazu gezwungen sein, zu reden. Ich nickte und setzte mich zu ihm auf die Couch, während er die Box öffnete.

„Maman hat angerufen.", sagte er beiläufig, als er die DVD in den Player schob.

„Oh.", machte ich daraufhin, „Bist du rangegangen?"

„Nein, ich war noch nicht zu Hause, hab es nur auf dem AB gesehen. Dachte nur, du solltest es wissen." Ich nickte.

Er setzte sich neben mich und lies den Film starten. Verwirrt sah ich den Bildschirm, als er „Französisch" auswählte.

„Der Film hat keine Untertitel.", sagte ich und blickte zu ihm. Er zuckte mit den Schultern.

„Französisch hat mir nie viel ausgemacht. Deine Mutter hat es ständig mit mir gesprochen, weil Deutsch ihr zu schwer war. Außerdem ist das ein französischer Film."

„Hast du Französisch in der Schule gelernt?", fragte ich und konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein Mann wie mein Vater in seiner Schulzeit versessen darauf war, Französisch fließend zu sprechen.

„Nur Teilweise. Damals war Französisch nicht mein Hauptinteresse. Als ich dann deine Mutter kennengelernt habe, habe ich Tag und Nacht Französisch gebüffelt, um sie zu beeindrucken. Anfangs hat das noch nicht so gut gemacht und ich habe gewisse Bedeutungen verwechselt. Ich wollte deiner Mutter sagen, dass ich einkaufen gegangen bin und habe dann gesagt, dass ich anschaffen gegangen bin. Das war das erste Mal, dass ich sie zum Lachen gebracht hat. Sie hat mich Idiot genannt."

Ich lachte leicht dabei und konnte mir nicht helfen, als mir Collins Gesicht von heute Morgen in den Sinn kam, wie er Verkäufer mit Tänzer verwechselte und ich ihn débil nannte. Ich schüttelte leicht den Kopf, und das Bild verschwand.

„Wie hast du sie getroffen?", fragte ich stattdessen.

„Das war kurz vor meinem Abschluss an der Uni. Ich war zwanzig und hielt mich für den größten Kerl der Welt. Sie war mit deiner Oma und deiner Tante in Hamburg. Ich weiß es noch genau, sie wollten auf den Dom, genauso wie meine Kollegen und ich. Und da sie nicht wussten, wie man dorthin kommt, haben wir sie begleitet. Ich wollte mit ihr flirten, doch mein Französisch war furchtbar und es hat nicht gut geklappt. Glücklicherweise haben wir sie Abends zum Hotel gebracht und in der Nacht habe ich kaum geschlafen, weil ich Französisch gelernt habe und am nächsten Tag habe ich mich unauffällig auf eine Bank gegenüber des Hotels gesetzt, bis sie herauskamen. So ging das jeden Tag. Ich saß nicht jeden Tag auf der Bank, aber ich war immer da. Irgendwann hat sie mich bemitleidet und mir ihre Nummer gegeben. Bis heute ist sie die schönste Frau, die ich je gesehen habe."

bruyamment//lautWo Geschichten leben. Entdecke jetzt